Ist linke Politik so kompliziert?

Sozialdemokratie Was den SPD-Genossinnen fehlt, ist nicht die gute Idee, sondern der Mut zum Bruch. Mit der Parteispitze – und dem Neoliberalismus
Ausgabe 15/2018

Die SPD ist jetzt also hip. Willy-Brand-Haus war gestern, nun lädt der Vorstand ins coole Berliner Netz-„Basecamp“ des Konzerns Téléfonica. Und will in Online-Foren, Impulsreihen und Debattencamps diskutieren lassen, Style: re:publica. Am Montag stellte Lars Klingbeil die Pläne des Parteivorstands vor, Motto: „Wenn’s dir nicht gefällt, mach neu“. Und plötzlich klingt die SPD schon voll erneuert. Eben das ist das Problem. Sie klingt nur so.

Während die Sozialdemokraten an coolen Namen für ihren Debattenprozess arbeiten, hat der konservative Koalitionspartner vorgelegt: Der Islam gehört nicht zu Deutschland, es fehlt an Recht und Ordnung, Geschwister müssen vom Familiennachzug ausgeschlossen werden: Horst Seehofer und Jens Spahn kennen ihre Agenda. Was hat die SPD dem entgegenzuhalten? Kaum etwas, außer einer halbherzigen Debatte über Hartz IV.

Die SPD tut, als müsse sie nicht sich erneuern, sondern die Sozialdemokratie völlig neu erfinden. Ist linke Politik in der Globalisierung denn wirklich so kompliziert? In Großbritannien hat Labour die Öffnung der Partei und den inhaltlichen Kurswechsel hinter sich – und treibt die politische Debatte längst wieder vor sich her. Gerechte Steuerpolitik, adäquater Mindestlohn, massive Investitionen in Gesundheit, Pflege und bezahlbaren Wohnraum, kurz: eine Politik für die vielen, nicht für die wenigen. Das hat die Partei wieder stark gemacht.

Die SPD aber will sich Zeit nehmen, um nachhaltige politische Konzepte auszuarbeiten. Echt? Hat sie im Jahr 2018 keine Konzepte zu Vermögenssteuer, kommunalem Wohnungsbau und öffentlicher Daseinsvorsorge zu bieten? Keynesianische Politik ist das Minimum, das man von einer sozialdemokratischen Partei erwarten kann.

Nein, mangelnde Ideen sind nicht das Problem. Was der SPD fehlt, ist die klare Positionierung für die Arbeitenden, Prekarisierten, Migrantinnen – und gegen so manches Interesse der Reichen. Sozial ist eben nicht schon, was Arbeit schafft. Was ansteht, ist ein Bruch, ist die Entscheidung: für die Gewinner des Neoliberalismus – oder für das Soziale. Olaf Scholz hat vorgelegt und einen Goldman-Sachs-Manager in sein Ministerium geholt. Nun hat die Basis Zeit, ihre Entscheidung zu treffen. Für diese Parteispitze – oder für den Aufstand. Wenn’s dir nicht gefällt, mach neu.

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Geschrieben von

Elsa Koester

Redakteurin „Politik“, verantwortlich für das Wochenthema

Elsa Koester wuchs als Tochter einer Pied-Noir-Französin aus Tunesien und eines friesischen Deutschen in Wilhelmshaven auf. In Berlin studierte sie Neuere deutsche Literatur, Soziologie und Politikwissenschaft. Nach einigen Jahren als selbstständige Social-Media-Redakteurin absolvierte sie ihr Volontariat bei der Tageszeitung neues deutschland. Seit 2018 ist sie Redakteurin für Politik beim Freitag, seit 2020 für das Wochenthema und die Titelseite zuständig. Sie schreibt am liebsten Reportagen von den Rändern der Republik und beobachtet mit großer Spannung die Umgestaltung des politischen Systems im Grünen Kapitalismus.

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