Ich glaube, wenn Männer überlegen, ob sie mit Rechten reden wollen, stellen sie sich das ungefähr so vor: Sie gehen in diese Eckkneipe, setzen sich an den Tresen, bestellen sich ein Bier, beginnen ein Gespräch über Fußball oder über Siemens, und beim vierten Bier redet man vorsichtig über die AfD. Vielleicht wird es ein netter Abend. Vielleicht lacht man und klopft sich auf die Schultern. Trotz alledem.
Kürzlich ging ich in eine Brauerei voller Rechter. 500 AfD-Unterstützer waren da, Wahlkampfabschluss in Görlitz. Ich betrat den Saal, 500 Männer schauten mich an und fragten sich, was ich da treibe. Ich trug enge schwarze Jeans, ein blaues Hemd, runde Brille. Ich lächelte, begann ein Gespräch über den Sommerabend, gab meinen Stuhl an einen Älteren ab. Nach weniger als einer Stunde verbalisierten sich die feindseligen Blicke: „Zeit, dass du gehst.“
Wenn Rechte mit mir geredet haben in den letzten Jahren, haben sie mir Nachrichten geschrieben. Sie haben mir Gebärmutterhalskrebs gewünscht, ausgelöst durch Vergewaltigung durch einen Muslim. Das ist noch harmlos. Meine ehemalige Kollegin Thembi Wolf berichtet im Spiegel, wie Rechte so mit ihr reden: Einer will sie zu „Negermehl“ verarbeiten, ein anderer im Periodenblut ihrer Mutter ersäufen.
„Mit Rechten reden“, da fehlt das Subjekt: Wer kann mit Rechten reden? Als Feministin werde ich von Rechten nicht als Gesprächspartnerin akzeptiert. Noch weniger gilt das für People of Color, Homosexuelle, Migrantinnen. Was für einen weißen heterosexuellen Mann eine intellektuell anregende Diskussion mit Andersdenkenden sein mag, ist für andere eine Gefahr. Ihnen sprechen Rechte das Rederecht ab. Oder das Recht auf Unversehrtheit. Oder, der NSU mahnt: das Recht auf Leben.
13 Jahre nach der rechtsradikalen Mordserie an zehn Menschen wurde nun Walter Lübcke (CDU) ermordet. „Der Rechtsterrorismus“, sagt Innenminister Horst Seehofer, habe damit „eine neue Qualität erreicht.“ Worin besteht diese neue Qualität? Warum scheint Seehofer die Bedrohung erst jetzt zu fühlen? Judith Butler hat einmal den Begriff der „Betrauerbarkeit“ (grievability) von Leben eingeführt. „Ohne Betrauerbarkeit ist da kein Leben“, schreibt sie, oder: „Da ist ein Leben, das niemals gelebt worden sein wird.“ Nie gelebt; nie bedroht; nie ermordet. Betrauerbarkeit entsteht, wenn es ein Verständnis gibt für dieses Leben. Sie ist abhängig von Identifikation. Und Identifikation ist abhängig von sozialer Ähnlichkeit. Geschlecht. Und Herkunft. Und: vom Zuhören.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.