Regelmäßig veröffentlicht der Online-Sexfilmdienst Pornhub seine Statistiken – und die verraten viel über die Gesellschaft: dass Menschen scharenweise Sex anschauen, wenn ein Virus ausbricht. Oder: dass in allen ostdeutschen Bundesländern weniger Porno geschaut wird als im Westen. Woran liegt das? Der Soziologe Kurt Starke untersucht seit Jahrzehnten die Soziologie des Sex – mit einem nüchternen Blick, wie ihn wohl nur ein Nicht-Porno-Sozialisierter haben kann. Also: ein Ostdeutscher.
der Freitag: Herr Starke, wieso treibt ein Virus die Menschen zum Pornoschauen?
Kurt Starke: Es gibt dazu noch keine Untersuchungen, aber wenn ich spekulieren muss, würde ich sagen: Es ging um Angst. Corona macht Angst. Jedem. Und die ist eingebettet in eine Fülle von anderen Ängsten: um die eigene Zukunft, ob man eine Lehrstelle bekommt. Existenzängste, die sich durch Corona noch verstärken.
Und Pornos helfen gegen Angst?
Es ist eine Erfahrung, dass das traute Beisammensein – einschließlich sexueller Kontakte und sexueller Erregung – kurzfristig diese Ängste bewältigen kann. Das sollte man nicht unterschätzen!
Frauen haben auch Angst. Warum schauen sie viel seltener Pornos?
Angstbewältigung ist bei Frauen und Männern unterschiedlich. Männer neigen eher dazu, Unsicherheit in Aggressivität zu transformieren, die sie gegen andere richten. Sie prügeln sich, machen Lärm, nehmen Raum, werden übergriffig. Frauen richten die Aggression oft gegen sich selbst: indem sie anfangen zu hungern oder sich ritzen. Sexualität kann bei beiden eine Rolle spielen – Pornos werden jedoch traditionell von Männern für Männer gemacht.
Die Zugriffszahlen nehmen nach männlichen Großevents oft zu, nach WM-Fußballspielen etwa. Geht es darum, die Einsamkeit nach dem Gemeinschaftserlebnis abzufedern?
Oder das Hochgefühl, die emotionale Gesamterregung mit einem sexuellen Finale zu krönen. Pornokonsum kann eine Ersatzhandlung dafür sein, sich zu Menschen zu gesellen. Aber Sie vergessen ein wichtigeres Motiv: Unterhaltung! Pornos haben, auch im Lockdown, eine ähnliche Funktion wie das Internet, das Fernsehen. Wenn Sie einen guten Film sehen, werden Sie ja auch mitgenommen. Die Funktion von Kunst ist, Menschen in bestimmte emotionale Zustände zu heben und sie dadurch zu erregen oder zu beruhigen. Zu unterhalten.
Wie unterhaltsam ist ein Porno?
Eigentlich nicht besonders. Ein einfacher Koitus ist ja zum Sterben langweilig! Vor allem, wenn man ihn nicht selbst macht. Porno ist die andauernde Wiederholung des Blicks in die Körperöffnungen von Menschen, vor allem von Frauen.
Langweilig.
Ja, zumal die sexuelle Befriedigung durch Masturbation ja ein Geschehen ist, das bei den meisten Menschen nicht unendlich wiederholt werden kann. Dann greifen andere Motive: Neugier etwa.
Auf Sexpraktiken, die man sich selbst nicht zu machen traut?
Einfach mal sehen, was es gibt! Warum nicht einen Rundgang durch das größte Sexwarenhaus der Welt machen, wenn man gerade viel Zeit hat? Das ist beim Porno natürlich sehr widersprüchlich, weil dieses Beisammensein keineswegs immer auf Augenhöhe stattfindet, gar ins Missbräuchliche übergeht. Gerade Ostdeutsche haben damit ihre Probleme.
Zur Person

Foto: Imago Images
Kurt Starke ist Soziologe und Sexualforscher. Bis 1990 war er Forschungsleiter am Zentralinstitut für Jugendforschung in Leipzig, 1981 erhielt er eine Professur und arbeitet seit Mitte der 1990er frei. Seine Untersuchung Pornografie und Jugend. Jugend und Pornografie erschien 2010
Gerade Ostdeutsche?
Viele Verhaltensweisen gegenüber Frauen in Pornos stoßen Ostdeutsche ab, weil sie eine ganz andere Form der Gleichberechtigung der Geschlechter erlebt haben. Die finden sie in Pornos sehr selten. Im Großen und Ganzen geht es da wüst gegen die Frauen. Und feministische Pornos setzen sich erst langsam durch, bislang noch für ein sehr spezielles Publikum.
Die Statistiken von Pornhub zeigen tatsächlich ein West-Ost-Gefälle: Im Osten werden Pornos weniger lang und weniger häufig geklickt als im Westen.
Diese Beobachtung entspricht meinen Untersuchungen: Der Pornokonsum ist im Osten geringer. Und: Die Ostdeutschen sind in Bezug auf Pornos wählerischer.
Ja, die Zahlen zeigen auch: In kürzerer Zeit klicken Ostdeutsche auf mehr Filme als Westdeutsche.
Sie sehen da ein heftiges Suchen nach einem Film, der den ästhetischen Ansprüchen genügt. Ostdeutsche sind weniger zufrieden mit ihrem Pornokonsum.
Frustriert auf viele Filme klicken, abgeschreckt sein vom Frauenbild: Ihre Beschreibung von ostdeutschem Pornoverhalten erinnert mich an weibliches Pornoverhalten. Gibt es da Ähnlichkeit?
Interessante Idee. Wie aber definieren sie, was „weiblich“ ist?
Ich meinte das rein soziologisch: Statistiken zeigen, dass Frauen auf diese Art Pornos gucken.
Wie alt sind Sie?
Mitte 30.
West oder Ost?
West.
Männer in Ihrem Alter und älter sind im Osten ganz anders sozialisiert, als Sie das kennen. Da es in der DDR so gut wie keine Pornos gab, sind die meisten nicht Porno-sozialisiert. Als sie mit der Wende dann Pornos kennenlernten, waren sie von den Angeboten ziemlich enttäuscht.
Was hatten sie denn erwartet?
Sie hatten gedacht, sie betreten eine große, schöne, erotische Welt, und dann gehen sie in einen Pornoschuppen: so ein Mist! Der ästhetische Anspruch war höher, die Hoffnung, dass sie ein kulturelles Angebot von Sexualität vorfinden.
Gab es das in der DDR überhaupt nicht? Pornobildchen etwa?
Doch, klar, aber in sehr geringem Maß. Es war eine Nebensache, kein wesentlicher Bestandteil der eigenen Lebensweise: Sex als Ware zu betrachten. Das haben Ostdeutsche nicht gelernt, sie betrachteten Sex als etwas, das man am besten gemeinsam tut – und in einer Liebesbeziehung.
Inzwischen sind doch viele junge ostdeutsche Männer im Westen sozialisiert.
Die Tradition, Sex als etwas Schönes zu betrachten – nicht als etwas grundsätzlich zum Bösen Verleitendes –, die hält sich. Im Osten wurde von Sexualität zwar nicht alles Heil, aber vor allem auch nicht alles Unheil erwartet. Immer in der Tendenz gedacht. Das gilt nicht für jeden Ostdeutschen!
Ist Porno auch schlicht weniger spannend, wenn Nacktheit weniger tabuisiert wird?
Nacktheit im Film – und auch im realen Leben – ist zunächst nicht erotisierend, das gilt auch für sexuelle Primärprozesse. Erst durch das Tabu, durch den Kontext, gewinnen sie an Attraktivität. Das Schrankenlose ist dann das Erregende. Über Pornos darf man nicht reden. Auch: über Masturbation! Immer noch ein Tabu.
Hat man sich im Osten weniger geschämt für Masturbation?
Untersuchungen haben gezeigt, dass vor allem Frauen im Osten weniger masturbierten als im Westen – die meisten Frauen bekamen ihren ersten Orgasmus mit dem Partner! Das liegt auch daran, dass sie sehr früh feste Partner und keine verklemmte Scheu voreinander hatten, weil offen über jugendlichen Sex gesprochen wurde.
Für westdeutsche Jugendliche ist die eigene Sexualität oft schambehaftet ...
Das hat mich nach 1990 schockiert: der Befund, dass für westdeutsche junge Männer Sexualität mit Versagensangst, Prestige-Ängsten, Leistungsängsten verbunden war. Das führte dazu, dass Männer dort mit Sexualität viel später begannen als im Osten. Zehn Prozent der 28-Jährigen hatten in den 1990ern noch nie Sex mit einer anderen Person! Der heiterere Umgang mit der Sexualität im Osten, auch die familiäre Zugänglichkeit der Aufklärungsliteratur – das alles führte dazu, dass es wenig Angst vor Sexualität gab.
Sexualität wurde nicht als gefährlich wahrgenommen?
Sie wurde nicht als von sich aus böse wahrgenommen. Heute stehen die „dunklen Seiten“ der Sexualität stark im Vordergrund – das ist beunruhigend für junge Leute! Es gibt aber keine dunkle Seite von Sexualität.
Ist das so? Was ist mit sexuellem Missbrauch?
Es gibt dunkle Situationen, in denen Menschen schlimme Dinge anstellen, auch in der Sexualität.
Und das kann man sich haufenweise im Internet anschauen.
Richtig, und das ist sehr schwierig für Jugendliche. Stellen Sie sich vor, wie die ersten zarten Gefühle im Jugendalter entstehen, und dann werden Sie mit so einem krassen Porno konfrontiert. Das ist ein heftiger Widerspruch, mit dem fertigzuwerden Jugendliche erst mal lernen müssen.
Wie?
Es verlangt eine kulturelle Gesamtentwicklung. Für eine souveräne Haltung zu Pornos ist ein starkes sexuelles Selbstbewusstsein nötig. Dazu eine achtungsvolle und, ja, zärtliche Einstellung zu dem Menschen, bei dem man an Sex denkt oder mit dem man Sex hat.
Kommentare 33
Ob Pornos gegen die Angst helfen, weiß ich nicht. Dafür schaue ich mir - alter, weißer Mann der alten BRD - zu selten welche an.
Die Ausführungen von Herrn Starke sind tendenziös, klischeehaft, voller Stereotypen. Man merkt ihnen die DDR-Sozialisation seines Urhebers an.
Ich finde das Thema zu wichtig, um es auf solche Weise abzuhandeln. Ein Streitgespräch zwischen zwei Experten, einer Ost, einer West, wäre der Sache vielleicht dienlicher gewesen.
Ganz nebenbei: ich finde Mainstream-Pornos abstoßend, vor allem jene mit gynäkologischem Blick. Statt mich zu erregen, stößt mich das ab. Aber - auch darüber könnte berichtet werden - es gibt auch andere Pornos, die tatsächlich lustvoll sein können. Weil sie nicht den klassischen 'Standards' aggressiver Männlichkeit (unter Einschluss von expliziter Gewalt) entsprechen.
»ich finde Mainstream-Pornos abstoßend«
Ich hingegen finde Mainstream-Pornos voll geil.
Jedem das Seine!
Der Markt wird’s richten.
Interessant für mich ist eigentlich allein das Phänomen der der explodierenden Selfie-Darstellung, die oftmals allenfalls Geschmack- und Niveaulosigkeit von Herstellerinnen/Herstellern dokumentiert.
Der Reiz für mich liegt in der ästhetisch gelungenen Präsentation, die Pornodarstellung nicht etwas deshalb spannend macht, weil sie sich mit einem „Tabubereich der Gesellschaft“ beschäftigt, sondern uns Sexualität als das präsentiert, was sie ist: Eine natürliche Begabung des Menschen als vitalen Antrieb, über die er ein Leben lang verfügt.
Wenn Sexualität (z.B. Porno-Konsum) hilft, Angst zu überwinden, umso besser. Aber einer besonderen Begründung, warum Menschen während des Lockdowns jetzt kompensatorisch auch mehr Pornodarstellung konsumieren, braucht es nicht.
Sexualität sollte das Normalste der Welt sein, und dann gilt, der Markt wird’s richten.
Mit etwas Übertreibung könnte man Prof. Starke als den Masters und Johnson der DDR bezeichnen. Ehe das hier wieder auf die klischeehafte Ost-West-Schiene geschoben wird, sollte man sich darüber im Klaren sein.
Im Interview fehlt mir jedoch die Frage, wie er das hier Gesagte in Einklang mit dem Untersuchungsergebnis von 2010 bringt, wo er feststellt, dass "einfache Pornografie" keine Schäden bei Jugendlichen hinterlässt.
Mich hätte auch interessiert, wie die unterschiedliche religiöse Erziehung in den beiden deutschen Staaten sich auf das Sexualverhalten in Ost und West auswirkte.
https://www.youtube.com/watch?v=PcOrAchqwv8
Keine Macht fuer Niemand.
Eine Situation der Langeweile ohne die üblichen Zeitgestaltungsalternativen, nicht viel mehr als zu Hause hocken können/sollen/dürfen, verweist die jew. HH-Bewohner auch viel stärker aufeinander/sich selbst/ als sonst, darunter eben auch sex. aktive Paare u. EP. Der P.-Konsum muss also nicht zwingend "angstgetrieben" sein, auch wenn das Gros der bebilderten bis eigenen Sex-Actions da sicher auch Ängsten entgegenwirkt, - dabei relative Angstfreiheit aber eben auch schon zur Voraussetzung des guten Gelingens hat!
Sollte sich diese meine Thesenskizze/-plot bewahrheiten, müssten wir auch bei der Geb.-Rate in 8-12 Monaten etwas sehen können, etwa so wie bei Stromausfällen, Winterstürmen u. ä.
Oje – die Diskussion spoolt sich mal wieder in die nachgerade klassische Art ein. Dass Matratzenfilmchen noch im 21. Jahrhundert (!!) derart viel Aufregung produzieren, macht mich zugegeben allerdings etwas fassungslos.
Spricht hier die Abteilung 'Entrüstung statt Schweigen'? Oder eher 'Dabeisein ist alles'?
... dass Sie diesen Spruch verwenden - ja es ist ein Lateiner-Spruch, aber wir wissen, wodurch er bekannt und berüchtigt ist - macht Sie mir doppelt eklig. Mal abgesehen von Ihrer hochmütigen Art, einen auf seinem Gebiet sehr renommierten Wissenschaftler aus dem Osten https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Starke_(Sexualwissenschaftler)
im Gespräch mit einer durchaus kompetent fragenden Journalistin abzukanzeln... das spricht Bände.
Es soll Menschen geben, die der Freiheit des Denkens anheimfallen. Noch immer. Bei denen keine Gesinnungspolizisten oder -stalinisten zuhause sind.
Wer Begriffe wie "eklig" benutzt, um andere PERSÖNLICH zu diskreditieren, sagt alles. Über sich selbst. Da ist nur noch der Handspiegel nötig. Möge die Sehkraft ausreichen.
Es muss Ihnen sehr schwer fallen, eine punktuelle Aussage zu einem Interview von einer vermeintlichen Beurteilung eines Gesamtwerkes zu unterscheiden, was Sie mir hier erfolglos um die Augen zu schlagen versuchen.
Statt Herrn Starke (mir bis heute unbekannt) mal lieber den ollen Max Weber zur Hand nehmen! 'Verantwortungsethik versus Gesinnungsethik' könnte vielleicht (mer waas es net) weiterhelfen.
Doch - aufgemerkt: zuviel könnte beunruhigen.
Grüße der "hochmütigen Art" gen Osten. Schon mal etwas von Stilmitteln wie Polemik und Spott gehört, Wilhelm Busch, Erich Kästner oder gar Kurt Tucholsky zur Hand gehabt?
Ich lese jetzt lieber Maxim Biller. Nothing für ungood. :-)
Möchte mich inhaltlich hier nicht weiter beteiligen – speziell auch zum »Spezialaspekt« DDR, wo ich als Wessi schlicht inkompetent bin. Allerdings bin ich über den Wikipedia-Eintag zu Kurt Starke auf weitere Publikationen und auch Interviews gestoßen, die ich »auch« als Wessi beachtlich bis herausragend finde. Lesen lohnt sich – obwohl jede(r) natürlich auch lektüretechnisch seinen oder ihren ureigenen Präferenzen nachgehen soll. Frei nach dem Motto: erlaubt ist alles – sofern es einvernehmlich und gewaltfrei abläuft.
ich als gelernter provinz-wessi, weiß, männlich und (noch) nicht alt finde das interview sehr interessant.
die zahlen zum west-ost-konsum können schwerlich klischeehaft sein, sie sind empirisch.
darüber hinaus kann ich die im interview vermittelten "klischees" zumindest zu einem teil aus eigener erfahrung und aus meinem umfeld tendeziell bestätigen, in geringem umfang (durch ostdeutsche freunde und beziehungen mit ostdeutschen) habe ich auch die möglichkeit des vergleichs.
die christliche prägung (sexualität ist böse) war bis mindestens 2000 in west-schland wirkmächtig (habe das in meiner kindheit und jugend noch mitbekommen), möglicherweise ist sie es über implizit vermittelte werte in abgeschwächter form immer noch.
eine streitgespräch zwischen einem ost&westexperten finde ich eine gute idee.
"Man merkt ihnen die DDR-Sozialisation seines Urhebers an." - Na, das ist doch eine schöne Bestätigung für die Thesen von Starke. Sein Thema sind ja gerade die Ost-West-Unterschiede. Die Interviewerin gibt ja mit ihren Fragen und Hinweisen die empirischen Sachinformationen vor. Starke hat sich seine "Klischees" und "Stereotypen" nicht zuhause im Sessel, wo die Community-Kommentare getippt werden, ausgedacht.
Ich selbst, auch nur mit meiner persönlichen Erfahrung, nicht mit methodisch gesammeltem Informationen ausgestattet, möchte die Ost-West-Unterschiede bei diesem Thema auch nicht gar so gravierend einschätzen. Aber meine Erfahrungen habe ich natürlich "nur" mit konkreten Personen, nicht mit DEM Osten oder DEM Westen gemacht. Starke redet als Kulturwissenschaftler über die konkrete Beschaffenheit zweier Sexualkulturen, der verflossenen der DDR und der gegenwärtigen, die eine Weiterentwicklung der dominant gebliebenen Sexualkultur West ist. Und zentrale Merkmale dieser aktuellen Sexualkultur sind, dass Sex und Liebe als Dichotomien gelten, dass Sex tendenziell anrüchig ist (denke an die Zensurbestimmungen der sozialen Medien, wo Gewalt eher als nackte Genitalien toleriert wird), wo als besonders geil und erstrebenswert "animalischer" Sex, wenn möglich mit Unbekannten, gilt, und wo Sex ein Verhandlungsergebnis bzw. Vertragsabschluss auf Zeit oder eine gekaufte Ware ist. Und in manchen Bereichen dieser Gesellschaft gibt es auch das, was Feministinnen "rape culture" nennen.
Was in den Sex-Diskursen und vor allem den medial präsentierten Ausdrucksformen der aktuellen Sexualkultur kaum vorkommt, ist der Aspekt, dass ein Mensch, nachdem er den Leib der Mutter verlassen hat und erwachsen geworden ist, einem anderen Menschen nur beim Sex, also in einer körperlichen Begegnung noch annähernd so nahe (in einem umfassend menschlichen Sinne) kommen kann. Zu den Ängsten, die Starke meint, müsste auch eine besonders "schreckliche" weil kulturell so wirkmächtige Angst genannt werden: die Angst vor wirklicher Nähe. Die Sexualkultur heute ist vor allem eines: kompensatorisch. Damit passt sie in den aktuellen Must-have-Hedonismus, der keiner ist.
++ Es soll Menschen geben, die der Freiheit des Denkens anheimfallen ++
Das stimmt, aber Sie sollten diese Freiheit auch nutzen.
++ Statt Herrn Starke (mir bis heute unbekannt) mal lieber den ollen Max Weber zur Hand nehmen! 'Verantwortungsethik versus Gesinnungsethik' könnte vielleicht (mer waas es net) weiterhelfen. ++
Sag ich ja, was Ihnen unbekannt ist, ist für sie immer ein schnelles Urteil wert. Und Ihr Lateinerzitat finde ich nach wie vor eklig. Was das alles mit Max Webers Theorien und Denkweisen zu tun hat, ist mir ein Rätsel.
Danke für Ihr empfohlenes Bildungsgut. Ich mache demnächst einen kleinen Vortrag über Tucholsky. Allerdings über seine Mutter, die auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee zwar nicht beerdigt ist, aber doch einen Grabstein hat. Über Tucholsky habe ich auch schon hier im Freitag geschrieben.
Eine Empfehlung an Sie. Wenn Sie sich zu ein bisschen mehr Nachdenklichkeit und weniger Hochnäsigkeit verstehen könnten, wäre es besser. Allerdings, da bin ich wieder ganz bei Ihnen, die Sache ist es nicht wert.
... , ++ dass ein Mensch, nachdem er den Leib der Mutter verlassen hat und erwachsen geworden ist, einem anderen Menschen nur beim Sex, also in einer körperlichen Begegnung noch annähernd so nahe (in einem umfassend menschlichen Sinne) kommen kann ++
Ja, aber es stimmt auch, dass es zu Nähe "kommen kann". Es muss nicht sein. "Angst vor wirklicher Nähe" stimmt auch. Starke sprach übrigens auch in einer der Talkshows, die ich vor vielen Jahren mit ihm gesehen habe, vom "pornographischen Blick", der sich immer wieder zeigt.
Ja, "kommen kann", ist ja klar. Körperliche Nähe ist nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts. (Scherz :-))
Das mit der "körperlichen Nähe" ist ja im Moment auch wegen Corona ein Thema. Dieses social kissing und hugging sieht gut aus, aber wirkliche Nähe - auch körperliche - wird eben doch schwer ertragen. Außerdem ist mir jetzt noch dieser blöde Spruch dazwischen gekommen: Sex ja, aber bitte keine Intimitäten. :-) Das ist es ja eben.
Schön, Ihre Ausführungen zu lesen - und wirken zu lassen.
Nicht anders habe ich meine Replik in Richtung von Herrn Starke gemeint: beschreibend, aber nicht bewertend.
Was Abstraktionen angeht, bin ich ganz bei Ihnen: Nicht Jede und Jeder ist im Osten über einen einzigen Kamm zu scheren - und im Westen genausowenig. Die Aussagen weisen Tendenzen auf, nicht mehr und nicht weniger.
Aus dem praktischen Erleben mit Frauen aus West und Ost habe ich deutliche Unterschiede bei sinnlichen Erfahrungen gemacht. Ob die repräsentativ waren oder nicht, mag ich nicht beurteilen. Die Gesamtmenge N war überschaubar.
Was Ihren bemerkenswerten Schluss angeht: "Angst vor Nähe" ist seit den Tagen des gleichnamigen Buches von Wolfgang Schmidbauer Bestandteil des öffentlichen Diskurses in gewissen westlichen Kreisen. Sie grenzen das Ganze noch einmal zusätzlich ein, indem Sie von "wirklicher Nähe" schreiben.
Ich nehme diese Gedanken mal mit in meinen heutigen Schlaf. Und hoffe, sie bringen mir die ein oder andere Inspiration. Schon mal soviel: echter Genuss und Suchtverhalten schließen sich in der Regel aus. Und von Hedonismus bekomme ich nur noch wenig mit - auch wenn ich einst (mit üppigerem Salär ausgestattet) mich in diesem Geläuf bewegte
Danke für die geistige Herausforderung ...
Ach Gnädigste, ach Gnädigste, ob wir arm sind oder reich, wir sind alle gleich: denn wir wollen Liebe. (Klaus Hoffmann)
Obwohl ich doch von uns beiden nach Ihrer Einschätzung der Hochnäsige bin, würde ich mich zu Bemerkungen dieser Art niemals hinreißen lassen.
Erfreuen Sie sich an der Großzügigkeit der Moderation. Bei mir wären Sie längst rausgeflogen. Aber mit Schmackes, Madame. ^^
Mir reicht übrigens meine Nachdenklichkeit. Und den Menschen, mit denen ich im Real Life zu tun habe, allemal.
Vielleicht fragen Sie sich mal, was es MIT IHNEN zu tun haben könnte, dass Sie auf mich hier derart 'abfahren'. Am Thema (es ist ja nicht das erste Mal) kann es nur schwerlich liegen. Vielleicht können Sie die Situation mal produktiv für sich nutzen.
Was mich angeht: ich bekomme das - hochnäsig wie ich bin - ganz alleine hin.
Die Jungen haben immer weniger Sex. Aha! Mütter machen Porno. Ach was! Entdecken sie die Kausalität? In einer Kultur, in der Sex seit immer Sünde ist, kann nur der zum business verkommene, sexuelle Irrsinn regieren. Mutter Kirche & Vater Staat wollten und wollen es so. cui bono - Die Libido, seit Freud der Lebenstrieb, die stärkste Kraft im Säugetier Mensch, wird mit aller Kraft abgewertet. Alles unterhalb der Gürtellinie ist Bäh, Schmutz, Dreck, Tier, Sünde, Böse, ja, der Teufel selbst. Denn, aha, der hat ja den Schwanz! Ein Leben mit solchen fest verinnerlichten, ewig tradierten Glaubenssätzen kann nur absurdes Verhalten produzieren. Von der ehelichen Pflicht bis zum KindesMißbrauch, vom Zölibat bis zum industriellen Porno alles der helle, kranke, kaputte Wahnsinn! Zeit für seinen Untergang! Wenn z.B. zwei sich treffen, wo es passt, ist Sex in der Tat die Himmelserfahrung. Gott ist die Liebe!
Neben dem Kabarettteil verschiedener Diskutanten ist Ihr Beitrag das Beste an Ursprungstext und Kommentaren.
Sexualitä: Thema mit Variationen.
Sie ist der vitale Antrieb, durch den der oder die Andere überhaupt erst interessant wird und aktive Beziehungsgestaltung, auch sexuelle, nötig wird. Menschliche Begegnung erzeugt immer interpersonale Dynamik.
Sieben Milliarden Menschen sind mit Sexualität ausgestattet und müssen sie „ein Leben lang“ täglich gestalten. Wir Menschen sind hierfür mit opulenten Werkzeugen versehen. Wir verfügen über Millionen von menschlichen Ei- und Samenzellen, sind während des Sexualkontaktes und auch sonst zu enormen Körpersensationen in der Lage und zwar unabhängig von den jeweiligen gesellschaftlichen Interpretationen der Funktion von Sexualität.
Ein besonderes Negativ-Beispiel in diesem Kontext ist z. B. die kath. Kirche. Sie erklärt uns zu Todsündern, wenn wir unsere sexuellen Handlungen nach den Vorstellungen dieser Priesterschaft nicht auf den ehelichen Zeugungsakt reduzieren. Alles, was sich nicht mit dem, die sexuelle Handlung legitimierenden ehelichen Zeugungsakt verträgt, ist nicht gestattet: Kondome, Pille, Masturbation, homosexuelle Handlungen, nicht eheliche Sexualkontakte usw. – Auch Pornokonsum nicht!
Freud ist bekanntlich der Vater der sogenannten Libido-Theorie im Sinne eines energetischen Begriffs mit finaler Zielrichtung. Ein wunderbares Beispiel in dieser Hinsicht ist für mich der Mann mit seiner demonstrativen, immer zu langen und roten Krawatte. Und in der Tat, selbst noch unsere Farbauswahl beim Kauf eines Autos speist sich aus dieser Quelle.
Alle Aspekte menschlichen Lebens, also auch der der Sexualität unterliegen der Notwendigkeit sozialer Integration in den sozialen Kontext der jeweiligen Lebenswirklichkeit, die allerdings nur zu gerne von selbsternannten Göttern wie z. B. der Priesterschaft der Kath. Kirche – gelegentlich auch Wissenschaftlern – dominiert werden, um sich ihre Herrschaft zu sichern. „Freiheitliche“ individuelle Entscheidung wird systematisch verpönt. Die kath. Kirche ist da ein besonders verabscheuungswürdiges Exemplar.
Beispiel: Hans Giese
Während der 50er- und 60er-Jahre war Hans Giese (1920–1970) der einflussreichste und renommierteste Sexualforscher in Westdeutschland. Bis zu seinem Tod war er Direktor des Instituts für Sexualforschung an der Universität Hamburg. Dank seiner Bestrebungen gewann die Sexualforschung sowohl innerhalb als auch außerhalb akademischer Kreise an Ansehen. Für viele lag der Schlüssel von Gieses Werk in dessen eigener Homosexualität. Er suchte Wege, um die Homosexualität von ihrer Aura der Immoralität und Kriminalität zu befreien. In seiner Theorie der Homosexualität unterscheidet er schließlich zwischen disziplinierten, partnerorientierten und undisziplinierten, ungebundenen Homosexuellen. Die letzteren blieben Zielpersonen für medizinische Behandlung, rechtliche Sanktionen und moralische Urteile. In diesem Sinne gelang es Giese trotz seiner liberalen Einstellungen und Errungenschaften im Hinblick auf eine Entkriminalisierung der männlichen Homosexualität nicht, das Tabu zu durchbrechen, welches noch immer auf der Homosexualität lastet.
Lieber Kabarettisten ... als Spassbremsen in Kisten.
Übrigens: Ernst und Spaß müssen sich nicht ausschließen. Das tun sie nur bei Schwarz-Weiß-Sehern. Mittlerweile gibt es Farbe.
Von Clowns ist bekannt, dass sie häufig traurige Menschen sind oder waren.
Hope, you'll enjoy!!!
Sehen wir uns Samstag bei der Demo in Hanau? Oder stehen Sie hier für unbezahlte Moderation ohne Auftrag zur Verfügung?
'Gott ist tot'. (Nietzsche)
Die Zeit aktiver Demonstrationen, ob 1957 gegen Bergbauschließungen hier im Ruhrgebiet oder „Wir zahlen nicht für eure Krise“ März 2009 resp. gegen die NATO-Kommando-Zentrale in Kalka 2012, habe ich hinter mir. Aber ich tue, was ich kann – jeder an seinem Platze.
Viel Erfolg in Haunau.
Danke für die Wünsche.
Wenn das mit dem Platz ... vor allem der Klarheit, wo der genau ist, so eindeutig wäre. In diesen wirren Zeiten wird die eigene Gedankenwelt zuweilen auch wirr.
Wir haben den unschätzbaren Vorteil, unserer fortgeschrittenes Alter dafür verantwortlich machen zu können. ;-)
Es wäre durchaus hilfreich, wenn die Menschheit lernen würde, dass Porno genauso wie ein Actionfilm fiktiv ist. Es spiegelt im Allgemeinen keine Realität.
Und genauso wie im non-porno Movie alles mögliche geschehen kann, kann i Porno alles passieren. Es hat jedoch mit der Wirklich keit was Menschen machen oder wollen nur sehr bedingt zu tun. In der Realität gilt es , auszuhandeln, was gegenseitig geil macht.
Und die Bandbreite ist groß. Morgens kann es kuschelig sein, mittags wild, abends hart - oder in beliebig anderer Reihenfolge.
Das 'fortgeschrittene Alter' ist eine Ausrede. Unschätzbarer Vorteil ? Eine krude Behauptung wie: 'Ich war jung und brauchte das Geld.' Entweder, man ist wirr -- dann schreibt man in der Regel keine verständlichen Kommentare mehr. Oder man ist noch gut in der Lage, über seine Verwirrtheit zu parlieren, dann ist man nicht (sonderlich) wirr.
Danke für Ihre spezielle Art des Lobes. Ich war schon kurz davor, den ollen Wehner zu zitieren.
Doch Schurz beiseite: Was das Ausmaß der Verwirrtheit angeht, liegt die Schönheit auch hier im Auge des Betrachters. Irrtum inbegriffen. Zuweilen, nein: häufiger gehen Schreiber und Leser von unterschiedlichen Warten aus. Und kommen deshalb zu unterschiedlichen Resultaten.
Aber nichts für ungut. Das Kokettieren mit dem Alter werde ich beibehalten. :-)
"Doch Schurz beiseite: [...]"
Passt irgendwie zum Thema...
Zu meinen großen Schwächen zähle ich, mich nicht mit fremden Lorbeeren schmücken zu können (wollen).
Auch hier gilt: Es ist alles nur geklaut ... hejo, hejo ...
Doch was heißt schon "nur": das gute, wahre und schöne Klauen will ebenso be-herr-scht sein. Und selbstverständlich auch be-frau-scht.
Hejo, hejo ...
..." Geboren 13. Mai 1938 in Königshain"...
Petting auf der höhe der Zeit !!!