Wem gehört das Mittelmeer? Würde man diese Frage an Überfahrtsrechte für Handelsschiffe koppeln, gäbe es wohl ein Hauen und Stechen. Diese Woche fragte jedoch das Rettungsschiff Aquarius nach der Zuständigkeit für 141 gerettete Flüchtlinge. Und niemand wollte zuständig sein: Sucht woanders einen sicheren Hafen, sagte Libyen. Das sagten zunächst auch Italien, Malta und Spanien: woanders.
Eigentlich hatte Italien eine Lösung gefunden: Libyen! Sollen doch die Libyer die Flüchtlinge auf dem Meer einkassieren und in ihre Folterlager stecken, die zwar schlimm sind, aber außerhalb Europas Zuständigkeit – oder? Nein, sagt das Seerecht: Menschen in Seenot müssen nicht nur aus dem Meer gerettet, sondern an einen sicheren Ort gebracht werden. Ihr Schutz, ihr Recht auf Asyl und ihre Weiterreise müssen gewährleistet sein. All dies erfüllt Libyen nicht. Hinzu kommt, dass auch die libysche Küstenwache ihren Pflichten nicht nachkommt. Ihr Schiff ließ erst kürzlich eine lebende Frau im Meer zurück und SOS Méditerranée berichtet, dass sie die Aquarius nicht über Boote in Seenot verständigte, von denen sie Kenntnis hatte.
Mit anderen Worten: Die italienische Lösung ist keine. Die libysche Rettungsleitstelle rettet nicht. Die Schließung der Häfen Italiens und Maltas führte zudem dazu, dass auch Handelsschiffe nicht mehr retten: Fünf Schiffe ignorierten die Flüchtlinge auf dem Holzboot, bis die Aquarius kam. Nach internationalem Seerecht ist jedes Schiff und der nächste sichere Hafen, also Italien oder Malta, zuständig für die in Seenot Geratenen. Doch sie verweigerten sich – und andere Staaten sehen nicht ein, die Verantwortung zu übernehmen. Erst nach tagelangem Warten erklärten sich unter anderem Spanien, Frankreich und Deutschland bereit, Gerettete aufzunehmen, und Malta öffnete den Hafen. Solange die Leerstelle der Zuständigkeit nicht grundsätzlich besetzt wird, so lange herrscht auf dem Mittelmeer die Barbarei.
Noch ist unklar, ob die Aquarius ohne Probleme wieder auslaufen können wird: Ihr Flaggenstaat Gibraltar kündigte an, die Flagge zu entziehen, da sie als Forschungsschiff registriert sei. Laut Reederei ist dies jedoch falsch, seit zwei Jahren sei die Aquarius als Seenotrettungsschiff registriert. Ob sie deshalb wie die Lifeline und die Seat Watch auf Malta festgehalten wird, wird sich zeigen - SOS Méditerranée kündigte an, sonst unter deutscher Flagge fahren zu wollen. Wie auch immer dieser Flaggenstreit ausgeht: Es wird bald wieder ein Rettungsboot im Mittelmeer herumirren. Und auch diese Irrfahrt wird etwas deutlich machen: Selbst eine ernsthafte Bekämpfung von Fluchtursachen klärt die Frage der politischen Zuständigkeit nicht. Die Aquarius konnte eine Woche auf dem Meer ausharren, eine weitere wäre noch möglich gewesen. Aber keine Jahrzehnte.
Kommentare 11
" Nein, sagt das Seerecht: Menschen in Seenot müssen nicht nur aus dem Meer gerettet, sondern an einen sicheren Ort gebracht werden. "
Ob das Seerecht so ohne weiteres auf systematische Fluchtbewegungen anzuwenden ist, vermag ich nicht zu beurteilen.
Sowohl das zynische Taktieren der Mittelmeerländer als auch das scheinheilige Herumeiern der übrigen EU-Länder ist ein politischer Skandal und kein gutes Zeichen für unsere Zukunft.
solange die praxis der -->baby-klappe*
nicht zum vorherrschenden weg der kinder-aufzucht wird,
wird wohl kaum ein protest die öffentlichkeit vergiften können.
und die beispiel-gebende erzählung vom--->barmherzigen samariter*
gibt keine anleitung zur hilfe bei völker-wanderungen her.
*= wikipedia.
Ob internationales Recht auch auf die Staaten der vielgepriesenen EU-Staaten angewendet werden kann, die seit 1999 an der Zerstörung von fünf muslimische Staaten beteiligt waren, diese kurz und klein geschlagen haben?
Der Hinweis auf Seerecht & Co bleibt so lange ein hilfloser Versuch wie unser vorgeblich integer handelndes politisches Personal wie selbsternannte Götter auftritt. Sie können jede Schweinerei begehen, niemand stellt sie vor Gericht.
Z. B. José Manuel Durão Barroso:
Er ist ein portugiesischer Unternehmensberater mit einem Pöstchen ohne Geschäftsbereich bei Goldman Sachs. Von 2002 bis 2004 war er Ministerpräsident Portugals. Von 2004 bis 2014 war er für zwei Amtszeiten Präsident der Europäischen Kommission.
Er wurde am 29. Juni 2004 vom Europäischen Rat als Kandidat für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten nominiert und vom Europäischen Parlament am 22. Juli 2004 bestätigt.
Als es darum ging, den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Coalition Of The Willing von 2003 gegen den Irak zu organisieren, stand der Portugiese in der ersten Reihe neben George W. Bush und Tony Blair. Genau wie die beiden anderen müsste er eigentlich vor das Haager Kriegsverbrechertribunal gestellt werden – stattdessen leitete er bis 2014 die EU-Kommission in Brüssel.
Der Europäischen Union wurde im Jahr 2012 der Friedensnobelpreis „für über sechs Jahrzehnte Beitrag zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa“ zuerkannt.
Der Friedensnobelpreis prämierte eine Organisation und seinen EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso mit erheblicher völkerrechtswidriger und krimineller Vorgeschichte zum Zeitpunkt der Preisverleihung.
Über ihn ist auf SPIEGEL ONLINE zu lesen: »Als das Schiff mit 500 Flüchtlingen an Bord kenterte, als immer mehr Leichen aus dem Mittelmeer gezogen wurden, war Europa schockiert. Der Chef der EU-Kommission flog nach Lampedusa, hielt eine Schweigeminute vor den aufgereihten Särgen ab und versprach, so etwas werde sich nicht wiederholen. 'Wir akzeptieren nicht, dass Tausende an Europas Grenzen sterben', sagte José Manuel Barroso. Das war im Jahr 2013, nach der Katastrophe von Lampedusa.« – Dabei trifft ihn durch seine Mittäterschaft beim völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak Mitschuld an der Zerstörung des Nahen Osten mit Hunderttausenden Toten und Millionen Flüchtlingen.
So geht das!
europa auf barbarischer irr-fahrt.
verantwortungs-vergessen auf kurs: barbarei.
statt sicherheit zu bieten: abwehr von menschen in not.
so gestaltet man mit -->framing* ein szene,
in der schuld-zu-weisung und die rollen der barbaren
zugeteilt sind.
betrieben vor jeder verhandlung.
geht das hier noch als journalismus (mit fraglichem "Q-") durch ?
(damit will ich E.K. nicht auf die stufe eines propagandisten
vom schlage ulrich heydens stellen).
Was soll man dazu sagen? Ich frage mich, wieweit wir noch von einer Zivilisationskrise entfernt sind.
Ach so: ein profilierter Reichtumsforscher sagte einmal, daß die Reichsten der Reichen darüber nachdenken bzw. nachdenken lassen, wie man die Erdbevölkerung auf 4 Milliarden Menschen "stabilisieren" kann.
»Was soll man dazu sagen? Ich frage mich, wieweit wir noch von einer Zivilisationskrise entfernt sind.«
So eine Antwort ist mir zu wenig angesichts der Zerstörung von fünf muslimische Staaten seit 1999 durch uns, die wir im Merkel’schen Sprachgebrauch eine „westliche Wertegemeinschaft“ genannt werden. Reicht Ihnen die Verkommenheit westlicher Politik noch immer nicht aus? Ich selbst jedenfalls habe sie zum Anlass genommen, eine persönliche Homepage aufzulegen, um meinen Zorn in die Welt hinauszuschreien. Mehr kann ich als 75-Jähriger nicht tun.
Die „westliche Wertegemeinschaft“ ist ein supranationales Angriffsbündnis.
" ... um meinen Zorn in die Welt hinauszuschreien. "
Das kann ich gut nachvollziehen. Es macht mich oft sehr unruhig, zu sehen, wie gelassen oder bewußt ignorant Menschen in meiner Umgebung in die Welt schauen.
Es ist schon etwas dran am "Deutschen Michel"
Vielen Dank für den Link.
Einst war Libyen, sicher kein idealer, aber der höchstentwickelte Staat Nordafrikas. Für ein islamischeres Land gab es dort relativ viele Frauenrechte. Diese konnten gleichberechtigt studieren,mußten keinen Schleier tragen und waren Elitesoldatinnen in Gaddafis Leibgarde. Die Flüchtlinge aus den Elendszonen Südafrikas fanden dort Arbeit und Auskommen, wenn auch nicht ohne Diskriminierung. Dann hat die NATO und der verrückte Sarko Libyen ins Chaos gebombt. Die wertewestlichen „Libyenbefreier“ lassen jetzt die Flüchtlinge im Meer ersaufen. Warum wird niemand der Verantwortlichen dieser Massaker endlich vor ein Kriegsberbrevhertrubunal gestellt, so wie man es einst mit serbischen Politikern tat? Man könnte auch in die Luxuxwohnungen dieser Werteeliten zwangsweise Afrikaflüchtlinge einquartieren, so wie man dies nach Ende des WK 2 auch tat...
Da oben von Barbarei die Rede ist: Riskante Fluchten sind ein Symptom der Barbarei. Ihre Urspünge sind leicht zu erkennen: Menschen fliehen vor den Folgen militärischer und ökonomischer Gewalt und zunehmend auch vor den Folgen der Klimaveränderung. Wir sollten uns im Klaren darüber sein, dass eine Symptomlinderung, so sinnvoll sie auch im Akutfalle ist, auf längere Dauer nicht funktionieren kann wenn gleichzeitig die krankheitsverursachenden Parasiten gemästet werden.
"Nein, sagt das Seerecht: Menschen in Seenot müssen nicht nur aus dem Meer gerettet, sondern an einen sicheren Ort gebracht werden. Ihr Schutz, ihr Recht auf Asyl und ihre Weiterreise müssen gewährleistet sein." Da war bei der Autorin wohl 'der Wunsch Vater des Gedanken'. Der ' sichere Ort' ist das aufnehmende Schiff, da es Sicherheit vor dem Ertrinken bietet. Verbringung an einen anderen 'sicheren Ort' ist nicht Teil des Seerechts, hier gilt nur die Verbringung in den nächsten Hafen. Ob der 'Sicher' für den Geretteten ist/sein muss, ist nicht geregelt, da es nicht zu beurteilen ist. Aber er muss sicher für das Schiff und Mannschaft sein.
Das Seerecht beinhaltet auch nicht das Recht auf Asyl, noch das auf Weiterreise. Wäre ja auch noch schöner... Zu konstatieren das Lybien nicht 'Sicher' sei, da dort 'möglicherweise' Folter, Versklavung und Missbrauch drohen könnte, hilft auch nicht, da mit dem 'Landgang' die Sicherheit vor dem Ertrinken gewährleistet ist. Hier endet das Seerecht und andere Regel gewinnen an Gültigkeit. Der Anspruch alle Geretteten nach Europa zu bringen, überdehnt den Interpretationsspielraum des Seerechts mächtig. Der 'nächste' Hafen ist das Maß, nicht der Wunsch der Geretteten und nicht der Anspruch des Eigners oder Kapitäns.