Albtraum Europa

Asylpolitik Flüchtlinge in Griechenland

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Amnesty International ist zum Schluss gekommen, dass die Situation von Flüchtlingen in Griechenland alles andere als gut ist. Offiziell hieß es vor einigen Tagen, die Zustände seien „unmenschlich“, „erniedrigend“ und „katastrophal“. Eine Erkenntnis, die viel zu spät kommt und vor die sich auch die Europäische Union stellen muss.

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Alis* Ziel war schon immer Europa. Hauptsache, weit weg vom Krieg in Afghanistan, seiner Heimat. Als sein Bruder von einer örtlichen Verbrecherbande in Ghazni ermordet wurde, sammelten Alis Eltern all ihre Ersparnisse, um ihren Sohn in den Iran zu schicken. Dort arbeitete der Minderjährige einige Jahre lang unter härtesten Bedingungen und wurde wie die Mehrheit der afghanischen Flüchtlinge tagtäglich ausgebeutet. Einen Teil des Hungerlohns sparte Ali, den Rest schickte er seinen Eltern. Als er genug Geld hatte, zog er weiter. Die Türkei war das nächste Ziel. Als Ali in Istanbul war, dachte er sich, dass nun Europa nicht mehr weit sei.

Kurz darauf verschlug es ihn nach Griechenland. Ali dachte, dass ihm nun im „freien Europa“ nichts mehr geschehen könne. Er dachte, dass die Menschenrechte hier das höchste Gut seien. Allerdings wurden seine Erwartungen schnell zunichte gemacht. Auf den Straßen Athens wurde er Zeuge eines Europas, welches man schlichtweg als Albtraum bezeichnen kann. Gemeinsam mit anderen Flüchtlingen aus aller Welt, hauptsächlich aus dem Irak, Afghanistan und Syrien kämpfte Ali erneut tagtäglich um sein Überleben.

Oft wurde Ali auf der Straße von Halbstarken angepöbelt und bespuckt. Als er einmal einen Polizisten bemerkte und sich beschweren wollte, wurde er von diesem mit einem Schlagstock verjagt. Alis Landsleute machten ihm schnell verständlich, dass er sich hier nicht auf die Polizei verlassen dürfe und ihnen einfach aus dem Weg gehen solle. Andernfalls könne es schlimm ausgehen.

Schon 2004 sorgte die griechische Polizei mit ihren Praktiken für Schlagzeilen. So sollen Beamte des Öfteren Foltermethoden aus dem irakischen Abu-Ghuraib-Gefängnis an afghanischen Flüchtlingen „ausprobiert“ haben. Die Afghanen sollen unter falschen Vorwänden ins Revier gebracht worden sein. Anschließend wurden sie geschlagen und erniedrigt. Unter anderem wurden Nacktfotos der Inhaftierten geschossen.

Von derartigen „Verhören“ hatte auch Ali gehört. Eines Tages war er gemeinsam mit einigen Freunden auf der Straße unterwegs. Plötzlich versperrten ihnen mehrere Polizisten den Weg und forderten die Jungen auf, ihre Dokumente vorzuweisen. Einer der Freunde hatte seine Papiere vergessen, daraufhin attackierten ihn zwei Polizisten und schlugen auf ihn ein. Ali und die anderen wollten nicht tatenlos zusehen und griffen ein. Am Ende lagen sie alle am Boden. Die Polizisten gingen lachend weiter.

Mittlerweile lebt Ali in Österreich. An die Zeit in Griechenland erinnert er sich ungern. In Athen hat Ali zerbrochene Menschen gesehen, die zwischen Müllbergen wohnten und sich aufgrund von Armut nur von Kartoffeln und Zwiebeln ernährten. Oft hörte er seine Freunde sagen, dass sie sogar in den schlimmsten Gegenden Afghanistans besseres Essen hatten, als auf den Straßen Athens.

Über diese Zustände berichten nicht nur Afghanen, sondern alle Flüchtlinge, die in Griechenland strandeten. Viele von ihnen ließen sich frustriert in ihre Heimatländer abschieben, denn diese waren ihnen im Endeffekt lieber, als in Griechenland ständig gejagt, diskriminiert und ausgestoßen zu werden. Ihre Hoffnungen auf ein neues, sichereres Leben wurden zerstört.

Die Situation von Flüchtlingen in Griechenland war schon vor der Euro-Krise katastrophal. Nun müssen jedoch die Asylanten erst Recht als Sündenbock für rechtsradikale und populistische Hetzer herhalten. Allerdings kann man nicht das Land alleine dafür verantwortlich machen. Die Griechen sind (noch) Mitglied der Europäischen Union. Demnach hätte der diesjährige Friedensnobelpreisträger viel früher handeln und Maßnahmen ergreifen müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Kein Wunder, denn die Herrschaften in Brüssel sind gegenwärtig mit anderen „griechischen Problemen“ beschäftigt.

*Name geändert

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