Türken unerwünscht

NSU-Prozess Türkische und internationale Medien müssen vor der Tür des Gerichtssaals warten

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Türken unerwünscht

Foto: Christof Stache/AFP/Getty

Die Thematik um die NSU-Mordserie hat einen neuen, traurigen Höhepunkt erreicht. Nach dem fragwürdigen Handeln des Innenministeriums, der Skandale um den Verfassungsschutz und des oberflächlichen Verhaltens politischer Würdenträger wurden nun türkische Journalisten vom Gerichtsverfahren ausgeschlossen.

Den Nationalsozialistischen Untergrund kann man mit gutem Recht zu den schlimmsten Verbrecherbanden in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zählen. Umso schlimmer sind die zahlreichen Pannen, die sich der deutsche Rechtsstaat diesbezüglich geleistet hat. Von den anfänglichen Ermittlungspannen bis hin zu den Verstrickungen des Verfassungsschutzes und den Datenvernichtungen, die unter Innenminister Friedrich stattfanden.

Gerade erst vor Kurzem wurden diese Tatsachen vom oberflächlichen Verhalten des Bundespräsidenten überschattet. Dieser lud die Angehörigen der Opfer ins Schloss Bellevue ein, um seine Trauer öffentlich zur Schau zu stellen. Dass dieses „politische Mitleid“ eine Farce sei, brachte eine der Angehörigen in einem Brief an Joachim Gauck zum Ausdruck, in dem sie auch dessen Einladung ablehnte.

Dieses Ereignis wird nun von einem neuen Skandal – anders kann man es gar nicht nennen – überschattet. Das Oberlandesgericht München hat entschieden, dass während des kommenden NSU-Verfahrens gegen Beate Zschäpe türkische Medienvertreter keinen festen Platz bekommen werden. Das Gericht sorgte schon vor einigen Wochen für Schlagzeilen, indem es dem türkischen Botschafter keinen Sitzplatz garantieren wollte.

Das Verhalten des Münchner Gerichts ist sehr fragwürdig. Acht der zehn NSU-Opfer hatten türkische Wurzeln. Nicht umsonst erhielt die Mordserie den geschmacklosen Namen „Döner-Morde“. Es ist verständlich, dass gerade türkische Medien an diesem Prozess teilhaben und darüber berichten wollen. Währenddessen behauptet das Oberlandesgericht, dass sich die genannten Medien einfach zu spät gemeldet hätten.

Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, ist da anderer Meinung. Er behauptet, dass die Zeitung Hürriyet sich schon am ersten Tag diesbezüglich gemeldet und auf die Anmeldeliste eingetragen habe. Kolat findet die Aussage des Gerichts nicht glaubhaft und verlangt im Zweifelsfall eine Offenlegung der Liste.

Allerdings wurden nicht nur türkische Medien ausgeschlossen. Unter anderem müssen auch BBC, Al Jazeera und The New York Times gemeinsam mit ihren türkischen Kollegen vor der Tür bleiben. Umso fragwürdiger ist es, warum Radio Arabella und viele namenlose Medien einen Platz ergattern konnten.

Es ist offensichtlich, dass sich die deutsche Justiz schämt. Sie schämt sich, dass Rechtsradikale jahrelang türkische Migranten ermorden konnten, ohne dass jemand ihnen auf die Fährte kam. Sie schämt sich, dass es während der Ermittlungen zahlreiche Pannen gegeben haben, deren Spuren in hohe Organe wie Verfassungsschutz und Innenministerium zurückzuführen sind. Nun will sie ihren „guten Ruf“ bewahren, indem sie die Medien dieser Welt vor der Tür des Gerichtssaales warten lässt. Dass davon auch alle türkischen Medien ohne Ausnahme betroffen sind, ist ein Armutszeugnis und gleicht einer Ohrfeige für alle türkischen Migranten in Deutschland. Damit hat die NSU-Affäre in Sachen Skandale vorerst ihren Zenit erreicht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden