China bleibt der wichtigste Wachstumsmarkt der Weltwirtschaft. Der bessere Umgang mit der Pandemie hat dem Aufstieg Chinas noch einmal einen Schub gegeben: 2020 lag das Land auch bei den internationalen Investitionen zum ersten Mal vor den USA. Die Hälfte der EU-Investitionen in China tätigen dabei Industriekonzerne, davon mehr als die Hälfte aus der Automobilindustrie. So überrascht es nicht, dass die deutsche Regierung die treibende Kraft hinter dem über viele Jahre ausgehandelten Investitionsabkommen war, auf das sich die EU am vorletzten Tag des Jahres 2020 mit China geeinigt hat.
Das Investitionsabkommen verbessert den Zugang europäischer Firmen zum chinesischen Markt, öffnet neue Sektoren der staatlich regulierten chinesischen Wirtschaft und soll Mechanismen einführen, mit denen die EU die Interessen ihrer Firmen gegenüber dem chinesischen Staat durchsetzen kann. China sei für europäische Konzerne jetzt offener als für die Unternehmen jedes anderen Landes, konnte die EU-Kommission stolz verkünden.
Doch das Abkommen ist umstritten. Nicht nur beklagten einige EU-Staaten, dass ihre Bedenken von Deutschland, das auf einen schnellen Abschluss drängte, übergangen worden seien. Auch das Timing wurde kritisiert: Es wirke wie ein Signal an die neue US-Regierung, dass man auch in Zukunft einen eigenen, weniger konfrontativen Kurs gegenüber China verfolgen werde. Andere wiederum bemängelten, die Vereinbarung gehe nicht weit genug: Nach wie vor kann der chinesische Staat steuernd in die eigene Wirtschaft eingreifen und die Aktivitäten westlicher Firmen begrenzen, um die Entwicklung eigener Unternehmen zu fördern.
China will weiter von der Globalisierung profitieren, aber weder Trumps aggressive Strafzölle noch die langjährigen Verhandlungen mit der EU konnten es dazu bringen, sein staatskapitalistisches Entwicklungsmodell aufzugeben. Im Mittelpunkt der europäischen Debatte stehen unterdessen andere Fragen: Hongkong, die Repressionskampagne gegen die Uiguren, die Berichte über Zwangsarbeit. Das Abkommen muss noch vom Europa-Parlament ratifiziert werden, das zuletzt scharfe Kritik an der repressiven chinesischen Politik geäußert hat. Rückendeckung erhalten die China-Kritiker in der EU von einer sich international formierenden Anti-China-Bewegung. „Die G7 müssen gemeinsam gegen China vorgehen“, forderten kürzlich Norbert Röttgen (CDU) und der republikanische US-Kongressabgeordnete Anthony Gonzalez in einem offenen Brief, der von fast 70 Parlamentariern aus den USA, der EU und Japan mitunterzeichnet wurde.
Doch der Brief zeigt symptomatisch, was gegenüber China durcheinandergeht: Angeprangert wird nicht nur die Repression in Hongkong und Xinjiang, sondern auch, dass China bei digitalen „Zukunftsindustrien“ wie dem 5G-Ausbau und der Entwicklung eines Quantencomputers die Führung übernommen habe. Die „freie Welt“ aber müsse „die Abhängigkeit von einem Land verhindern, das marktwirtschaftliche Grundsätze und demokratische Werte ablehnt“. In dieser Logik fällt die Verteidigung der westlichen Werte mit der Verteidigung der westlichen Dominanz in der Welt zusammen: China müsse man mit einem mächtigen staatlichen Bündnis und natürlich auch militärisch Grenzen aufzeigen.
Doch eine solche Konfrontation spielt den Nationalisten in die Arme. In China kann die Regierung ihre Politik der Stärke als Antwort auf aggressive westliche Politik darstellen, in den USA werfen die Republikaner Joe Biden jetzt schon den Verrat amerikanischer Interessen vor, sollte er sich gegenüber China zu kompromissbereit zeigen. Auch in Deutschland scheint man sich China nur noch als Bedrohung vorstellen zu können. „Lässt sich Pekings Durchmarsch noch aufhalten?“, fragte kürzlich der Spiegel und füllte sein Titelblatt mit einem bedrohlichen roten Drachen, dessen aufgerissenes Maul den verunsicherten deutschen Leser zu verschlingen drohte.
Demokratie klappt so nicht
Inzwischen kämpft China trotz aller Erfolge selbst mit Problemen: der wachsenden Ungleichheit etwa oder der Notwendigkeit, Hunderten Millionen von Wanderarbeiten und Landbewohnern einen Aufstieg zu ermöglichen, weil man sonst fürchtet, dass mit der Verlangsamung des schnellen Wachstums die gesellschaftliche Instabilität zunehmen könnte. Dass angesichts dessen eine westliche Politik, die Chinas Aufstieg als Bedrohung definiert, demokratische Entwicklungen in China anstoßen könnte, ist kaum vorstellbar.
Dabei wäre nichts angebrachter als Solidarität mit chinesischen Arbeitern, deren Ausbeutung die Grundlage für das chinesische Wirtschaftswunder ebenso wie für das blendende China-Geschäft westlicher Konzerne und unsere Versorgung mit preiswerten Konsumgütern bildet. Im Investitionsabkommen verpflichtet sich China, einige Arbeiterrechtskonventionen der International Labour Organization (ILO) zu ratifizieren, und gab ein vages Versprechen, in Zukunft auch die Konvention zur Abschaffung von Zwangsarbeit anzunehmen. Das sind Versprechen, anhand derer China unter Druck gesetzt werden könnte. Glaubwürdiger – und erfolgversprechender – wäre es allerdings, wenn dies als Teil eines globalen Kampfes für Arbeiterrechte, Demokratie und eine egalitäre wirtschaftliche Entwicklung geschehen würde – und nicht im Kontext westlicher Anti-China-Politik.
Kommentare 13
nun ja,
es zeigt sich wieder die nicht so neue schere
zwischen menschenrechtlich-orientierter wunsch-politik
und real-praktischer ökonomischer vorteils-suche.
Wer sich nicht an Guantanamo, Angriffskriegen und co. stört wenn Freihandelsabkommen mit den U.S.A verhandelt werden, braucht sich auch nicht wegen der Behandlung der Uiguren oder Hongkong aufzuregen. Bei den Post-Brexit Vehandlungen der E.U scheint es auch keine Rolle zu spielen das im U.K. Journalisten trotz Freispruch in Hochsicherheits-Gefängnissen festgehalten werden. (2 von 100 möglichen Beispielen)
Bei Menschenrechten sitzt der Westen selbstverschuldet mitlerweile in einem sehr engen Glashaus. Ich kann das Argument nicht mehr hören.
Weiterhin passt es uns nicht, dass der chinesische Staat die eigenen Unternehmen unterstützt? So wie es der imperialistische Westen seit 100 Jahren tut?! Wer sich die NSA Selektoren in Deutschland anschaut, findet eine lustige Fixierung auf Wirtschaft und Finanzstandorte. Auch bei der 5G-Angst vor China geht es nicht um das mögliche Abschnorcheln der Chinesen von 5G Daten sondern dem wohl fehlenden Zugang des "freien" Westens, die Kommunikation weiterhin abzuhören!
Das China bei uns mehr als Bedrohung wahrgenommen wird, liegt am Imperium welches seine Globale Hegemonie gefährdet sieht (wie auch gerade wieder bei Russland.. bekommt China auch bald einen Guaidó?)....deshalb mobilisiert es seine "Einflussagenten" in Politik und Medien z.B. beim Spiegel gegen das Land.
"Inzwischen kämpft China trotz aller Erfolge selbst mit Problemen: der wachsenden Ungleichheit..." Ach wirklich?! Der Satz passt doch 1:1 auch auf Deutschland. Nur kämpft bei uns auser den LINKEN niemand dagegen.
Danke für diese unaufgeregte Information.
China-Hetze und Russland-Hetze ist die Lieblingsbeschäftigung wertewestlicher Indoktrination durch Politiker wie Norbert Röttgen & Co ständig auf Konfliktmaximierung kaprizieren, natürlich unterstützt von den einschlagigen Exemplaren der Medien, die sich selbst für den Nabel der Welt halten.
Ja, Danke nochmals: Ihre Diktion und der Inhalt tun gut.
Norbert und Anthony denken laut, und viele schreiben mit ...
Die jüngste Präsenz und das ‚grandstanding‘ der von der CDU geführten deutschen Regierungsvertretung im UN-Sicherheitsrat wurde von vielen Beobachtern als politischer Flop angesehen, der an ungerechtfertigtes Selbstvertrauen und fast schon an Überheblichkeit grenzte.
So wirkt auch die sogenannte ‚G7 Petition‘, die in diesem Artikel genannt wird.
Die G7 als "international formierende Anti-China-Bewegung" ist in der Realität lediglich noch ein ‚dead man walking‘.
Die weitaus aussagekräftigere G20 würde eine solche anmassende Positionierung des Westens wahrscheinlich nicht unterstützen.
Die erwähnte ‚Petition‘ (u.a. an Herrn Biden und Frau Merkel) erscheint als ein künstlich geschaffener Anlass für die übliche US-Propagandamischung, und kann in der VR China kaum Gegenstand ernsthafter Betrachtung werden.
https://anthonygonzalez.house.gov/news/documentsingle.aspx?DocumentID=313
Diese oberflächliche Petition wurde von einem US-republikanischen Kongressabgeordneten und einem CDU-Vorsitzenden im Deutschen Bundestage initiiert.
Sie wurde von den Vertretern der Grünen und der Links-Partei unterstützt ...
... ach, du meine Güte.
Schlag' nach bei Twitter unter Hashtag ‚G7letter‘, oder unter
@n_roettgen, 25. Januar, hier ein Zitat:
„#China eskaliert weiterhin die Spannungen im #IndoPacific. Dies wird durch die jüngsten Aktionen gegen #HongKong, Grenzkonflikte mit Indien und die anhaltende Aggression in der #SouthChinaSea belegt. Dies muss Konsequenzen haben, um ein ähnliches Verhalten in Bezug auf #Taiwan zu verhindern.“
Wow. German strongman, eh?
Wie der Autor dieses Freitag-Artikels, Paul Simon, schreibt: „Glaubwürdiger – und erfolgversprechender – wäre es allerdings, wenn dies als Teil eines globalen Kampfes für Arbeiterrechte, Demokratie, >Őkologie und Klimaschutz< (meine Einfügung) und eine egalitäre wirtschaftliche Entwicklung geschehen würde – und nicht im Kontext westlicher Anti-China-Politik.“
Als kurzer Einstieg für europäische Intellektuelle kann auch dienen:
https://en.wikipedia.org/wiki/Chinese_New_Left
https://www.youtube.com/watch?v=YlhZ6Tbga24
Die neue Linke in China.
Stimmt. Leider wirkt Wiederholung. Über Russland wird auch nicht mehr ohne "Nawalny" berichtet...so ist das halt im "Qualitätsjournalismus".
Ja ich kenne Shenzhen gut. Scheint das neue "Silicon Valley" zu werden.
Ich habe gerade mein zweites Elektro-Skateboard von einem kleinen Startup in Shenzen direkt-importiert. (Im Land des heiligen Diesel natürlich verboten aber was solls. Darauf dass die CSU umdenkt warte ich nicht)
Bei Elektrifizierung des ÖPNV ist die Shenzhen auch Vorreiter. Alle ca. 16000 Busse fahren dort elektrisch und das schon seit 2017 (!).
Die Chinesen sind dabei uns so was von abzuhängen. Auch was den Klimawandel angeht sind wir bald hinter denen...da hilft wohl nur verzweifelt medial schlecht machen.
Sehr interessante Ausführungen zur Uigurenfrage! Die klingen für mich absolut glaubwürdig, weil wir auf den Philippinen ein ähnliches Problem im Süden, genauer: von Mindanao bis weit in den Sulu-Archipel hinein haben. Nach dem Ende des IS im Nahen Osten sind dort ebenfalls ehemalige Kämpfer eingedrungen und haben zusammen mit lokalen Islamisten versucht, einen Gottesstaat samt Scharia aufzuziehen. Vor allem das Gebiet um den Sulu-Archipel, aber auch grosse Teile Mindanaos, sind mausarm und unterentwickelt- ideale Bedingungen also für den IS, seine perverse, menschenfeindliche Ideologie zu verbreiten. Den Höhepunkt fand diese Entwicklung in der Belagerung der Stadt Marawi durch IS-treue, lokale Islamisten. Genau genommen fand dort 2017 ein lokal begrenzter Bürgerkrieg statt. Die Stadt Marawi wurde dabei fast vollkommen zerstört.
吴明 老师
Vielen Dank für Ihren Kommentar.
Bei allem Respekt, ich sehe ich nicht, was die beiden angegebenen Links „verdächtig“ macht. Ihr Inhalt kann mit einer gewissen Leichtigkeit referenzed und/oder verifiziert werden.
Wahrscheinlich versuchen alle Geheimdienste der Welt, sich in Angelegenheiten Chinas zu engagieren, aber das sollte nicht davon ablenken, ernsthaften, kritischen Stimmen innerhalb und außerhalb der KP zuzuhören.
Wie Sie, bin ich bin sicher, dass Präsident Xi in der Bevölkerung der VR China einen sehr starken Rückhalt hat. Wahrscheinlich ist er einer der produktivsten and angesehensten politischen Führer, die die Welt derzeit hat.
https://www.youtube.com/watch?v=ovAoo4sMK0Y
Xi: Marx's Theorie strahlt immer noch mit Wahrheit
Es gibt jedoch zahlreiche Menschen, die der Meinung sind, dass der derzeitige Weg der „Hypermodernisierung“ Chinas weder innerhalb des Landes noch im globalen Kontext nachhaltig ist und mittelfristig aufrechterhalten werden kann.
Eine Ansicht, die durch Daten von Spitzenwissenschaftlern sowie durch Diskussionen in einigen CPC-Rängen gestützt wird.
Die Belt / Road-Initiative ist der strategischer Versuch, eine solche negative Entwicklung zu verhindern.
Um vernünftig und erfolgreich zu sein, braucht die BRI die kritische Unterstützung von 'ausländischen Freunden' in den betroffenen Ländern weltweit.
‚Modernist bulldozing‘ durch unterschiedliche Meinungen innerhalb der Europäischen Linken wird diesem wichtigen Vorhaben wahrscheinlich nicht helfen.
Auch die übertriebene politische Vermarktung tatsächlicher oder angenommener Errungenschaften im Sinne von „höher, schneller, weiter“, und das Schönreden realer Schwierigkeiten, Engpässe, Barrieren und Hindernisse helfen da nicht viel weiter.
Im Sinne des Original-Artikels von Paul Simon (und angesichts gemeinsamer globaler Herausfordungen durch Umweltzerstörung und Klimawandel) würde ich mir einen kritischeren, substantiellen, besser institutionalisierten Dialog zwischen europäischen und chinesischen Intellektuellen, Akademikern und Fachleuten sehr wünschen.
"Kritische Solidarität" ist das Schlüsselwort.
“关键团结”是关键词。
Der wertefreie Westen hat sich noch nie um Menschenrechte gekümmert es sein denn als Drohmittel gegen lästige Konkurrenz.
F.D. Roosevelt wollte nicht daß Charly Chaplins "Diktator" in die Kinos kommt, den das hätte ja 1940 die Geschäfte mit Hitlerdeutschland beeinträchtigen können.
Wo waren die Werte als in Lateinamerika die Pinochets, Videlas, Strössner etc. die Staatsgewalt inne hatten ?
Wie sieht denn das Schicksal der Indigenen Brasiliens unter dem Maas-Freund Bolsonaro aus.
Denken wir an die guten Geschäfte mit dem Apartheitsregime.
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erweitern Sie ihr feind-bild "wertefreier westen":
über mussolini, franco, idi amin u.a. informiert die ZDF-doku-reihe:
---> "bauplan des bösen".
Auch Ihnen vielen Dank.
Ja, diese Gründe sind sehr gut verständlich.
... viel Glück im Neuen Jahr.
Happy Chinese New Year 2021 - The Year of Ox - Gong Xi Fa Cai
- 恭喜发财
https://www.youtube.com/watch?v=BTWPdDmGHLg
Danke für den Tip
Dann kann ich ja nur hoffen, dass der Freitag noch diesen Beitrag: „Ich lege Zeugnis ab“, die Uigurin Gulbahar Haitiwaji war 32 Monate in Haft in China, bevor sie zurück nach Frankreich durfte".
Das Gespräch führte Romy Straßenburg, daraus:
"Gerade ist ihr Buch Rescapée du goulag chinois (deutsch: Überlebende des chinesischen Gulags) erschienen, welches sie mit Hilfe der französischen Journalistin Rozeen Mogat verfasst hat und das einen seltenen Einblick in das Leben in den von China errichteten Umerziehungslagern für die muslimische Minderheit der Uiguren gewährt."