Eine globale Bewegung

Frauenstreik Am 8. März wollen Frauen und Queerpersonen mit einem Streik ihren Forderungen Nachdruck verleihen. Das Potential für eine queerfeministische Bewegung ist da
Der „Women’s March“ war die größte Oppositionsbewegung gegen Trump
Der „Women’s March“ war die größte Oppositionsbewegung gegen Trump

Foto: Mario Tama/Getty Images

„Keine Kompromisse“ – das violette Banner im Münzsaal der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin hat für das Wochenende die Richtung vorgegeben. Über 250 Aktivistinnen aus dem ganzen Land haben sich hier versammelt. Während sich solidarische Männer um Essen und Kinderbetreuung kümmerten, berieten sie den geplanten feministischen Aufstand. Am 8. März, dem internationalen Frauenkampftag, wollen sie zum Streik aufrufen.

Ein Frauenstreik ist keine neue Idee. 1994 gab es in Deutschland einen, an dem sich eine Million Frauen beteiligten – was heute fast vergessen scheint. Bestreikt werden sollte damals schon nicht nur die Lohnarbeit, sondern auch die unbezahlten Arbeiten in Haushalt, Pflege und sozialen Beziehungen, die noch immer überwiegend Frauen jeden Tag verrichten. So soll es auch in diesem Jahr geschehen: statt am 8. März für den Feminismus nur zu demonstrieren, wollen Frauen und Queerpersonen mit einem Streik Druck machen.

Die Forderungen von damals sind aktuell: gleiche Löhne, Ende von Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Queerpersonen – und die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, die bis heute nicht erreicht ist. Auch für die Rechte von Asylsuchenden und Migrant*innen will sich der Frauen*streik 2019 einsetzen, und dabei – das Sternchen, welches es 1994 noch nicht gegeben hat, zeigt es an – auch trans-, inter- und nicht-binäre Menschen mit einschließen. Vor allem um die Stellung von Arbeiter*innen in typisch unterbezahlten ‚weiblichen’ Berufen wie der Pflege und Erziehung geht es.

Rechtsruck bringt den Feminismus auf die Straße

In den letzten Jahren sind Frauenstreiks zu einer globalen Bewegung geworden. In Lateinamerika begann sie Argentinien, wo „Ni Una Menos“ („Nicht eine weniger“) gegen Femizide und Gewalt an Frauen in den Massenstreik trat. In Polen hat 2016 ein landesweiter Frauenstreik eine Verschärfung des Abtreibungsrechts verhindert. Und am spanischen Streik vergangenes Jahr nahmen fünf Millionen Frauen* teil.

In vielen Ländern war es der Rechtsruck, der den Feminismus wieder auf die Straße trieb. Der „Women’s March“ war die größte Oppositionsbewegung gegen Trump. Der „Women’s Strike“ stellte den Versuch dar, diese Opposition in eine radikalere, linkere, klassenkämpferische Richtung zu bewegen. Die Bewegung ist also international – mittlerweile gibt es Frauenstreiks in ca. 50 Ländern – und will den feministischen Kampf mit zahlreichen anderen Kämpfen verknüpfen.

„Ich war lange nicht mehr in einem politischen Raum unterwegs, der so divers war“, sagt Theresa, die in der Berliner Ortsgruppe das bundesweite Vernetzungstreffen mitorganisierte. „Hier kommen so viele Leute zusammen, die nicht deutsch sind und nicht weiß und nicht in der linken Szene sozialisiert. Es ist viel heterogener.“

Trotzdem bleibt es vor allem die linke Szene, die in Deutschland den Frauenstreik vorbereitet. Mit allem, was dazugehört. So kam es etwa vor dem Vernetzungstreffen in Berlin zu massiver Kritik am „Antisemitismus im Frauen*streik-Bündnis.“ Es sei „unübersehbar, dass für einige Gruppen innerhalb des Frauenstreik-Bündnisses der Nahost-Konflikt eine zentrale Rolle für den Feminismus spielt“, schrieb die Ortsgruppe aus Osnabrück kurz vor dem Berliner Treffen. „Dabei sind aus Sicht der Organisator*innen selbstverständlich stets Israelis Täter*innen und Hauptschuldige des Konflikts, während die Palästinenser*innen als Opfer wahrgenommen, ja fast schon als Märtyrer im Kampf gegen Imperialismus, Kolonialismus und Zionismus stilisiert werden.“ Doch das Bündnis konnte diesen Konflikt mehr oder weniger beilegen: jedoch nur, indem man appellierte, ihn bloß nicht offen auszutragen.

Keine Bewegung der organisierten Arbeiterschaft

Die großen Gewerkschaften rufen nicht zum Frauenstreik auf – das dürfen sie auch gar nicht: in der deutschen, als streikfeindlich bekannten Gesetzgebung sind politische Streiks verboten. Das Bündnis erhofft sich aber zumindest Solidaritätserklärungen von Gewerkschaftsseite, wie es das auch 1994 vereinzelt gegeben hat. Doch auch damals blieb, trotz der landesweiten Proteste, die massenhafte Arbeitsverweigerung aus. Der Grund liegt auch in der Idee des Frauenstreiks selbst. Er bietet zwar die Chance, eine populäre Bewegung zu schaffen, die feministische Anliegen mit anderen Kämpfen verbindet. Aber es ist keine Bewegung der organisierten Arbeiterschaft.

Unter solchen Gesichtspunkten wurde zumindest der relativ geräuschlos verklungene amerikanische „Women’s Strike“ des letzten Jahres kritisiert. „Streiks funktionieren, weil sie jemandem den Tag ruinieren. Aber wessen Tag wird von den Teilnehmern des Frauenstreiks ruiniert?“, schrieb Amber A’Lee Frost im Magazin The Baffler. Die mit den Democratic Socialists of America assoziierte marxistische Feministin hatte aus einer Art fatalistischer Prinzipientreue am Frauenstreik teilgenommen – stand ihm aber sehr skeptisch gegenüber. Schon an der Planung seien mehr Universitätsarbeiter und Schriftsteller beteiligt gewesen als tatsächliche labor organizer. Schon im Vorfeld hatte Frost deshalb befürchtet, es werde vor allem ein Streik „der Uni-Dozenten und freelance-Grafikdesigner.“ Und wenn die streiken, sei das kaum mehr als „eine wirkungslose Performance,“ gibt sie unumwunden zu.

Yanira Wolf, Gewerkschaftssekretärin bei Verdi, nahm an den Vorbereitungstreffen des deutschen Frauenstreiks teil und entwickelte eine ähnliche Kritik. Die meisten der Mitglieder der deutschen Frauen*streikkomittees seien augenscheinlich junge Studentinnen. Man könne aber nicht einfach darauf bauen, eine kritische Masse zu erreichen und hoffen, dass die Gewerkschaften nachfolgen und mitziehen, wie es etwa in Spanien geschehen sei, schrieb Wolf in der Zeitschrift „express.“ Wer Streiks will, der müsse schon vorher in den Gewerkschaften die Strukturen dafür schaffen. Dafür bräuchte man aber „eine langfristig angelegte organisierende Kampagne, die nicht aus den eigenen feministischen Reihen von dem ausgeht, was da ist, sondern aktiv versucht, Mehrheiten zu gewinnen.“ Die Gewerkschaften ruft sie dazu auf, sich der queerfeministischen Bewegung nicht zu verschließen.

Auch wenn am 8. März also die Räder nicht stillstehen werden, gibt es Potential für eine linke feministische Bewegung: durch die wachsende Bedeutung von Sorgearbeit, die Feminisierung vieler Arbeitsbereiche und die aktuellen Auseinandersetzungen um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Aber auch durch den Konflikt zwischen einer jungen Generation, die immer selbstverständlicher queerfeministisch denkt, und einer Welt, die meint, alle Ungleichheiten überwunden zu haben, aber in Wirklichkeit faule Kompromisse geschlossen hat.

Etwas mehr als ein Drittel aller Deutschen bezeichnet sich laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey als feministisch – bei den 18 bis 29-jährigen ist es über die Hälfte. Feministinnen kann das noch nicht reichen. Sie greifen weiter an: „keine Kompromisse.“

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