Die Insel auch eine Insel des Anti-Europas ?

Großbritannien Die Briten waren noch nie die größten Verfechter der Europäischen Union, doch in den letzten Jahren werden die Töne deutlicher. Nun fordern sie erneut Veränderungen...

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

http://p5.focus.de/img/fotos/origs3572/3958511010-w630-h472-o-q75-p5/EU-Innerhalb-der-Europaeischen-Union-hat-Grossbritannien-schon-mehrfach-Sonderwuensche-formuliert.jpgDavid Cameron hat großes vor - 2015 möchte er als Premierminister wiedergewählt werden. Da es allerdings schlecht aussah, die wirtschaftliche Lage nicht grade fantastic (very british gesagt) war und die Tory-Party in den Umfragen nicht berauschend dastand, kam der Regierungsführer vor gut einem Jahr auf die Idee neue Wähler zu fischen, indem er ankündigte nach der nächsten Wahl eine Abstimmung über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union durchzuführen. An den Umfragewerten änderte diese Aktion jedoch recht wenig und so wies er seine Minister und Parteifreunde an den europakritischen Kurs zu verstärken, da er keinen anderen Ausweg sah. Doch obwohl die Partei Camerons nun schon lange versucht ihren europakritischen Kurs den Briten klarzumachen, damit die ihnen die Wahlstimmen schenken, zeigt sich immer noch keine Aufschwung bei den Demoskopen.

Konkurrenz von Rechtsaußen

Ganz im Gegenteil, denn die recht junge, aber schon etablierte Alternativpartei UKIP (United Kingdom Independence Party) erfreut sich weiterhin hoher Wählerbeliebtheit. Gegen die UKIP kann die Tory-Partei allerdings auch nur sehr schwer ankommen, denn die meisten Wähler wählen diese Partei einzig und allein, weil sie aus dem Euro austreten möchte. Viele Briten lachen mittlerweile über den Kurs Camerons und beschimpfen ihn als Weichei und Schlafmütze, da er die Schande die die Europäische Union über das Vereinigte Königreich bringt zu spät erkannt hätte und nun verzweifelt versuche sich mit allen Mitteln an der Macht zu halten.

Auch ein Premier ist nicht geschützt vor Populismus

Camerons Kurs erweist sich immer mehr als Mittelweg zwischen den Europagegnern und den weniger lauten Europabefürwortern in England. Wenn man Camerons Aussagen in den letzten Monaten an sich vorbeiziehen lässt, steht man am Ende verdutzt da, denn eine einheitliche Meinung ist aus seinen Aussagen kaum zu fassen. Auf diplomatischen Auslandsreisen gibt er meist den guten alten Staatsvater, der das gute alte Königreich vertritt und die gute alte Europäische Union erhalten möchte, aber eben mit einigen kleinen oder auch größeren Reformen. Dieses nette Bild von ihm ändert sich aber recht schnell, wenn mal wieder Unstimmung im Volk herrscht. So schickte er vergangenen Mittwoch zum Beispiel den Schatzkanzler George Osborne vor die Presse, der der, in anderen Aussagen von Cameron lieb genannten Union, aufs Übelste drohte. Wenn nicht bald weit reichende Reformen eintreten würde, müsse das Vereinigte Königreich über den Verbleib in der Europäischen Union ernsthaft nachdenken. An und für sich ist es richtig auf Reformen zu drängen, besonders in der Form in der die heutige Union sich befindet. Bürokratisierung, Lobbyismus und fehlgesteuerte Regelungen die für Ungleichheiten und fehlende Gerechtigkeit sorgen, verhindern immer noch die freie und friedliche Lebensentfaltung, die durch die Bildung der Europäischen Union erreicht werden sollte, doch wie Osborne seine Kritik vorträgt ist unerträglich und erinnert an die konservativsten, patriotischsten und sozialkritischsten Amerikaner. „Osborne kritisierte vor allem, die seiner Ansicht nach, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Europas und dessen hohe Sozialausgaben. Europa stelle nur sieben Prozent der Weltbevölkerung, aber 50 Prozent der weltweiten Wohlfahrtsausgaben. " Das größte ökonomische Risiko, dem sich Europa gegenübersieht, kommt nicht von denjenigen, die Reformen und neue Verhandlungen fordern", sagte er laut einem Redemanuskript, "sondern vom Mangel an Reformen und neuen Verhandlungen." Die Sätze zu den Reformen und der Wettbewerbsfähigkeit erscheinen durchaus als sinnvoll, allerdings kann diese Kritik nicht ernst genommen werden, wenn man anschließend den Sozialstaat angreift, der garantiert, dass nicht ein großer Teil der Mittelschicht an der Grenze der Armut steht und selbst die Ärmsten noch ein Leben am Rande des Existenzminimums ermöglicht bekommen. Zugegeben man kann auch über Veränderungen der Sozialpolitik sprechen, sicherlich gibt es bei diesem Thema einiges zu optimieren, die Auflösung des komfortablen Sozialstaats zu fordern und diesen mit den möglichem Austritt aus der EU zu verbinden ist aber reiner Populismus und sollte im öffentlichen Regierungsaussagen keinen Platz finden.

Premierminister – gekränkt vom eigenen Land und von seinen Nachbarn

Schockierend ist für Cameron wahrscheinlich, dass die anderen Ländern auf seine Kritik recht kalt reagieren, denn niemand bettelt auf Knien um den Verbleib der Briten in der EU. Unbestritten sind die Briten eine wirtschaftlich starke Macht, aber bei den Argumentationen eines drohenden Austritts des Vereinigten Königreichs vergessen Cameron und seine Kollegen meisten, wie stark die Briten auch von der EU profitieren. Eine Frau Merkel, ein Herr Hollande oder ein Herr Letta übersehen dies allerdings nicht und können sich mit kaltem Kalkül darüber sicher sein, dass die britischen Drohungen nur zum reinen Druckaufbau dienen.

Die EU spielt wohl oder übel die entscheidende Rolle

Niemand außer die Europäische Union kann den Konflikt lösen. Die verschiedenen Organe der Institution sollten nicht versuchen England weiter zu isolieren, sondern auf die Briten zugehen und auch die geäußerte Kritik ansprechen – gleichzeitig aber auch darauf hinweisen, dass populistische Töne und Drohungen zur Weiterentwicklung der EU nicht beitragen. Das Vereinigte Königreich hat eine große Geschichte und ihr Nationalstolz ist ihnen auch zuzugestehen, kleine Ausnahmen für die Briten sind einzusehen, allerdings geht dies nur soweit, bis die Ausnahmen und Forderungen Großbritanniens nicht zu Nachteilen und Behinderungen der Europäischen Union werden. Beide Seiten müssen lernen und weiterhin versuchen ihren Umgang miteinander zu verbessern. Nur dadurch kann das System verbessert werden und nur dadurch ist Wohlstand für alle in Sicht.

Teilweise wurden Informationen und Zitate aus dem folgenden Artikel übernommen: http://www.spiegel.de/politik/ausland/osborne-warnt-eu-vor-wirtschaftlichem-abstieg-a-943632.html

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

enfantteRRible

Zu frühe Urteile sind Vorurteile, aus denen der Irrtum emporsteigt wie der Nebel aus dem Meere.

enfantteRRible

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden