Eigentlich, dachte ich, könnte nun langsam über allen Wipfeln der Wälder Ruhe walten. Aber gefehlt. Der Waldbademeister des Wohlfühllebens hat nun auch noch eine eigene Zeitschrift. Wohl bekomm’s. Gegen derlei Rundumverkitschung ist knappe Nüchternheit ein Antidot, zudem, wenn sie von einem wirklichen Kenner ausgeht. Der Pflanzenökologe Hansjörg Küster hat eine Schlankversion und zugleich ein – nachhaltiges – Update zu seinem großen Waldbuch von 1998 geliefert. Gleich eingangs wendet er sich gegen die angeblich prästabilisierte Harmonie von Ökosystemen. „Das sind Ideen, keine Tatsachen.“ Wald, das durchzieht als Argument das gesamte Büchlein, verändert sich, weil er Natur ist, die eine Geschichte hat. Selbst wenn Menschen nicht eingriffen. Was er knapp aber anschaulich beschreibt, sind Evolutionsprozesse der Wälder. Unter dem Stichwort Wald als Ökosystem wendet er sich gegen Versprechen eines „Superorganismus“: Wald ist für ihn schlicht Lebensgemeinschaft in wechselnden Verbindungen, in der neben dem Leben/Sterben vor allem die Sukzession für Veränderungen sorgt. Naturgesetze, zufällige oder übergreifende Veränderungen wie Klimawandel sorgen für sich wandelnde Abfolgen. Ausführlich geht er dann auf die menschlichen Waldnutzungen und -eingriffe ein. Schließlich diskutiert er Schutzkonzepte, die in sich aber widersprüchliche Ansprüche austarieren und entscheiden müssen: Holzbevorratung, Biodiversität, Freizeitvergnügen. Auch er weiß: „Insgesamt brauchen Wälder mehr Beachtung und Pflege, um auch unter den Bedingungen eines sich wandelnden Klimas ‚bestehen zu können.“
Und noch etwas Handfesteres zur Bienchenifizierung der Flugwelt. Karl von Frisch hat sein Aus dem Leben der Bienen erstmals 1927 veröffentlicht, aus der Reihe Verständliche Wissenschaft. Die neunte, aktualisierte und letzte Ausgabe zu seinen Lebzeiten erschien 1977. Ein halbes Jahrhundert Tanz der Bienen, ständig aktualisiert nach dem Stand seiner Forschung. Einiges blieb auch beim Alten. So haben die Bienen auch am Ende immer noch „Kameraden“. Der Hirnforscher Gerhard Roth nennt ihn im Vorwort der jetzigen Neuauflage einen „genialen und poetischen Naturwissenschaftler“ mit der Kombinationsgabe eines Sherlock Holmes. Zurecht. Und so ist dies hier auch keine Kurzkritik, sondern eine Verbeugung vor der Energie und der Zähigkeit, mit der von Frisch sich seinem Lebensthema widmete. Niemand sollte noch Bienenbüchlein summen, der nicht zuvor dies Buch studiert hat. Denn erst dann, nicht durch die allfällige Honigseimerei, wird einem so recht klar, welch Wunderwerk der Natur hier zu verschwinden droht. Immerhin würde ihr Schwänzeltanz überleben, in der Robotersimulation. Jedenfalls meldet das die Freie Universität aus ihrer Informatik.
Und schließlich zu den Wiesen. „Wie sind unsere bunten Blumenwiesen entstanden? Darüber habe ich schon oft gegrübelt.“ Jan Haft, Naturfilmer, der einen schönen Wiesenfilm gemacht hat, sieht sein Buch als „Lockruf in eine geheimnisvolle Welt“. Seit Hermann Löns hat man’s wahrscheinlich nicht mehr gelesen: „Myriaden von Tautropfen“. Kommen noch Pflanzennamen dazu, die für sich schon poetisch klingen, Klappertopf, Mädesüß, Wiesen-Pippau oder Rotschwingel, ist das schon die halbe Miete. Viechlein wie die Sumpfschrecke oder der Ameisenbläuling, dazu Kleingetier, das man noch beim Namen kennt, aber seit der Kindheit nicht mehr zu Gesicht bekommen hat, machen die andere Hälfte aus. Und garniert wird das mit autobiografischer, mal eher fluffiger, mal mild erhellender Plauderei. Eine erkleckliche Zahl schöner Fotos obendrein, das Ganze „gedruckt auf höchstem ökologischem Niveau“.
Ein genuiner Großstädter. Auch wenn er schrieb: „Gärten und Nächte, trunken von Tau und alter Flut“, war er doch ein Metropolencooler: „Gute Regie ist besser als Treue.“, renommierte er 1950 gegenüber seinem schwulen Briefpartner Oelze. Ilse, seine dritte Frau, war Gottfried Benns „Stecken und Stab“; seinen Stab steckte er aber gern anderweitig. Die von ihm belagerte Astrid Claes, die eine Dissertation über ihn geschrieben hatte, verwehrte es. Ursula Ziebarth war entgegenkommender. Von Gerda Pfau weiß man es nicht. Die junge Journalistin des Tagesspiegel ist ihm im April 1955 untergekommen, als Fräulein Pfau. Im September ist sie schon sein Gerdachen oder auch mal Kindchen. Sie war offenbar noch diskreter als er. Sie hat ihm nie schriftlich, immer nur telefonisch oder mündlich geantwortet. Schließlich aber wollte sie doch etwas mehr als nur chevalereske Säuselworte hören – da machte er dicht. Ilse blieb es vorbehalten, dem „lieben Pfauchen“ die letzten Karten zu schreiben. Zuletzt am 26. Juni 1956. Am 7. Juli starb er. Sehr spät erst hat Gerda Pfau 17 schriftliche Zeugnisse dem Anwalt und CDU-Kulturpolitiker Uwe Lehmann-Brauns zur Veröffentlichung übergeben. Lehmann-Brauns hat das nun getan und sie mit begleitenden Kapiteln versehen, die trotz ihrer Schlankheit etwas redundant geraten sind. Macht nichts, hin und wieder liest man auch solches von dem Alten gern…
Info
Der Wald. Natur und Geschichte Hansjörg Küster München: C. H. Beck, 128 S., 9,95 €
Aus dem Leben der Bienen Karl von Frisch Wien: Czernin 2019, 280 S., 24 € Die Wiese.
Lockruf in eine geheimnisvolle Welt Jan Haft Penguin 2019, 253 S., 20 €
Benns letzte Lieben. Mit Originalbriefen von Gottfried Benn Uwe Lehmann-Brauns Verbrecher 2019, 111 S., 24 €
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