Die Engländer hatten nach dem Ersten Weltkrieg alle Hände voll zu tun, ihr Imperium zusammenzuhalten. In Indien und im Irak wollten die Aufsässigen bombardiert sein, um sie into submission zu bringen. Ging nicht so gut, war aber als vermeintliche Erfahrung stilprägend für das, mit dem man später NS-Deutschland beikommen wollte: moral (oder morale) bombing. Was Martin Böhm etwa über die selbstgewisse Experimentiersituation im Irak, in einer völkerrechtlichen Grauzone, zusammengetragen hat, liest man nicht ohne Beklemmung. Bomber Harris – das bleibt trotz aller Differenzierungen – hat das bis zum Ende der Zweiten Weltkriegs als Ultima Ratio betrieben.
Und heute? Gilt der alliierte Luftangriff am 13. Februar 1945 gegen Dresden als besond
ierte Luftangriff am 13. Februar 1945 gegen Dresden als besonders aberwitziges Beispiel des grausamen Bombardements. Die verheerendsten Folgen rührten zwar von den Brandbomben der Briten, das hinderte den SED-Staat aber nicht, von US-imperialistischen Verbrechen zu sprechen. Der englische Historiker Frederick Taylor hatte 2004 einen Wälzer über den alliierten Feuersturm vorgelegt, der unter anderem mit der Legende aufräumte, der Luftangriff sei eine militärisch sinnlose Aktion gewesen. Nun hat Taylor ein Buch zum Luftangriff auf Coventry am 14. November 1940 vorgelegt. Im Ersten Weltkrieg wurde Coventry zu einem der größten englischen Rüstungszentren, woran die 30er Jahre anknüpften. So mochte es sich also zunächst einmal nicht um Terrorbombing zur Demoralisierung, sondern um einen Schlag gegen die Rüstung des Gegners handeln, als 500 deutsche Bomber über die Stadt herfielen. Doch in Coventry waren Fabrikanlagen und Wohngebiete eng verzahnt. Eine zusätzliche Brisanz: Die immerhin eine Viertelmillion Einwohner, so hieß es, seien von Churchill wissentlich preisgegeben worden, um die britische Fähigkeit zur Entschlüsselung deutscher Funksprüche nicht vorzeitig zu enthüllen. Tatsächlich hatte man, allerdings auf üblichem Spionageweg, Warnungen erhalten und nicht an die Stadt weitergegeben – um keine Panik ausbrechen zu lassen, denn die eigene Luftabwehr lag damals noch im Argen. Der deutsche Angriff erfolgte nicht nur gegen industrielle Ziele, sondern sollte explizit die Moral der Industriearbeiter zersetzen – ein Argument, das in der Folgezeit die britische Seite zur Doktrin erhob. Mit der Großaktion war die Luftwaffe zum systematischen Flächeneinsatz übergegangen, was denn die britische Presse zunächst mehr interessierte als die Opferzahlen. Das änderte sich allmählich, und so wurde Coventry zum „Argument“ dafür, Deutschland ebenso gnadenlos in Trümmer zu legen. Ein beeindruckendes Buch.Als der von den Nazis angezettelte Krieg längst vom Himmel auf die zuvor himmelhochjauchzenden Jubler und -innen heftig zurückgefallen war, ermunterte Goebbels die Bevölkerung, den englischen und amerikanischen Piloten, die in ihre Hände fielen, „Gleiches mit Gleichem“ zu vergelten. Alfred Hoffmann, Gauleiter von Westfalen Süd, gab das gar als Befehl aus. Gern berichteten die NS-Medien über den „gerechten Volkszorn“, das Lynchen von amerikanischen und englischen Piloten, deren Behandlung als Kriegsgefangene eigentlich klar geregelt war. Die Zahl der tatsächlich vom Mob Getöteten ist unklar, zumal solche Vorfälle regional stark verteilt vorkamen. So richtig gekümmert hat sich die Geschichtswissenschaft um dieses Phänomen bisher nicht. Ausgangspunkt dieser 400 eng bedruckten Seiten zur „Fliegerlynchjustiz“ – wobei einen „justiz“ doch sehr stört – waren Akte und Akten in Österreich. Diese „ostmärkischen“ Fallstudien sind aufschlussreich. Da die Dunkelziffer hoch ist, kommt der Autor durch plausible Hochrechnungen auf mindestens 1.000 Lynchfälle. Das bei aller Akribie eher ratlose Fazit, dass jede oder jeder innerhalb solcher Szenarien zum Mörder werden konnte, rät zu dem ebenfalls eher ratlosen Fazit: Wehret den Möglichkeiten!Placeholder authorbio-1Eine persönliche Vorbemerkung: Mein Vornamensgeber verreckte 16-jährig zum Kriegsende als Waffen-SSler am Plattensee; mein Vater, 19-jähriger Kriegsinvalide, bekam Ostern 1945 den Befehl, mit zehn zwölf- bis vierzehnjährigen „Landdienstjungs“ und einem Handwagen voller Panzerfäuste die „Festung Harz“ zu verteidigen. Ein besonnener Offizier schickte sie von dort wieder nach Hause. Zwei Seiten desselben Irrsinns im Irrsinn: Krieg mit Kindersoldaten. Mich hat das nie losgelassen. Der Aufruf des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge und der Deutschen Gesellschaft in der Bild-Zeitung an damals Betroffene, darüber zu schreiben, ist mir entgangen. Jetzt ist eine Auswahl von 20 Texten aus Hunderten von Einsendungen erschienen. Sie umfasst mehrheitlich Männer mit respektablen Karrieren in der DDR wie in der Bundesrepublik, Selbstständige, Akademiker, Ingenieure. Ihre Sprache ist gleichwohl nicht selten geprägt vom damaligen Vokabular. Da gibt es Fremdarbeiter, Iwans, Russen. Die Herausgeber haben das als authentische Äußerungen belassen. Wieweit die einzelnen Episoden durchs hohe Alter der Zeitzeugen überformt sind, lässt sich auch nicht ausmachen. Es sind jedenfalls alle beeindruckend genug, sie dem Nachwuchs in die Hand zu drücken: Was einmal möglich war, könnte es wieder werden.Eine der grausigsten Erinnerungen des Bands ist die eines Manns, der als gefangener Kindersoldat nach Auschwitz kam und ausgerechnet dort Leichen deutscher Soldaten verscharren musste.Nicht nur dazu bilden die Berichte, die der 1927 geborene Journalist Conrad Taler 1963 bis 1965 über den Frankfurter Auschwitz-Prozess für eine Wiener Zeitung schrieb, ein notwendiges Gegengift. Er lässt die Diskrepanz sichtbar werden zwischen den kaum sagbaren Leidenszeugnissen der Überlebenden und den unsäglich feigen, kaltschnäuzigen oder weinerlichen Einlassungen und Leugnungen der Angeklagten.Placeholder infobox-1