Warum man denn überhaupt noch Jünger lesen solle, hat mich die Redakteurin gefragt, als ich ihr im Herbst vergangenen Jahres meine Besprechung der Edition der Strahlungen geschickt hatte, insbesondere als Frau? Darüber hatte ich mir keine sonderlichen Gedanken gemacht, als Mann.
Mich hatte schlichtweg die Edition dieses vertrackten Ziegels interessiert und die Wiederbegegnung mit einem Autor, den mir in den frühen Sechzigern ein stramm deutschnationaler Deutschlehrer der Parallelklasse als Antidot empfahl gegen Thomas Mann, den mein bewunderter Deutschlehrer favorisierte. Ich habe beide gelesen und bin im Abitur bei Heinrich Mann gelandet. Das steht auf einem anderen Blatt.
Keine meiner Freundinnen, die oft gern Thomas Mann lasen, konnte ich damals für Jünger be
ls für Jünger begeistern, nicht einmal für seine Afrikanischen Spiele aus dem Jahr 1944. Die kurze Erzählung handelt von den Schwierigkeiten „Bergers“, Ernst Jüngers Alter Ego, mit der wilhelminischen Schulwirklichkeit. Berger ist ein schlechter Schüler, der 18-jährig ein Jahr vor Ende des Ersten Weltkriegs beschließt, zur französischen Fremdenlegion zu gehen. Dazu thematisiert Jünger eine vielleicht als „ödipal“ zu beschreibende Vaterproblematik.Versöhnung ist kaum möglichAber doch, doch, es gab Frauen, die ihn gelesen haben. Ich denke zum Beispiel an die Schriftstellerin und Lyrikerin Sophie Dorothee Podewils und deren ernstjüngerhaften Roman Die geflügelte Orchidee von 1941. Wissenschaftlich etwa Claudia Gerhards, Barbara Hahn, Eva Könnecker, Gerda Liebchen, Anne Pütz, Isabelle Rozet oder Brigitte Werneburg, heute natürlich Joana van de Löcht und Anja Keith.Nun gut, eine exquisite Minderheit gegenüber den einschlägigen Beiträgen von Männern. Warum speziell Frauen ihn lesen sollen? Ich weiß es nicht. Und wenn ich an den vierzigjährigen Briefwechsel Einer der Spiegel des Anderen mit seiner ersten Ehefrau Gretha denke, in dem sie seine Fremdgeherei ebenso wie sein Selbstmitleid wegstecken musste, ist man wohl kaum wirklich versöhnt von einem seltenen selbstkritischen Satz wie dem, er sei ein schlechter Ehemann und Familienvater. Sich damit entschuldigend, oft sei er „fremd in meiner eigenen Haut und gehe wie ein Träumer neben mir her“.Intensiv wird der Briefwechsel im Zweiten Weltkrieg,als Jünger im Führungsstab der Wehrmacht in Paris tätig war,während seine Ehefrau am Wohnort in Kirchhorst bei Hannover den Bombenkrieg miterlebte. Gretha Jünger wird nun auch zur Chronistin der Ereignisse, Jüngers Tagebücher erscheinen in einem neuen Licht.Aber dass man in ihm das Exemplar eines weichen, verletzlichen Kerns in soldatisch-naturalistischem Mantel studieren könne, keine toxische, aber restringierte Männlichkeit, vielleicht nützlich zur Kontrastierung all der akuten Sanftbeutel mit intransigenter Egohärte – das ist im Ernst doch auch nur Schmonzes. Liebe Redakteurin, ich weiß es nicht.Placeholder infobox-1