Feigheit vor dem Freund

Nahostpolitik Deutscher Einfluss hindert die EU daran, sich klar gegenüber Donald Trump zu positionieren
Ausgabe 07/2020
Der neue Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik in der Kommission von der Leyen: Josep Borrell
Der neue Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik in der Kommission von der Leyen: Josep Borrell

Foto: Kenzo Tribouillard/AFP/Getty Images

Deutsche Europapolitiker haben große Pläne. Sie wollen die „Sprache der Macht“ lernen, um die EU vor allem außenpolitisch „fit für das 21. Jahrhundert“ zu machen, wie es Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen formuliert hat. Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, hat kurz vor dem diesjährigen Treffen im Bayerischen Hof wissen lassen, an welchem Hebel man ansetzen muss. Es sei höchste Zeit, das Einstimmigkeitsprinzip im EU-Ministerrat aufzugeben. Nur so könne die EU „schneller, klarer und mutiger“ agieren.

Allerdings steht Deutschland bei einem der wichtigsten Themen der europäischen Außenpolitik selbst auf der Bremse. Wenn es um den Frieden im Nahen Osten und eine Zweistaatenlösung für Israel und Palästina geht, übt Berlin größte Zurückhaltung. Zuletzt hat sich das erneut nach dem umstrittenen Nahost-Plan von US-Präsident Donald Trump gezeigt. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell veröffentlichte nach tagelangem Zögern ein Statement, in dem er sich scharf von den Offerten aus dem Weißen Haus distanzierte. Diese stimmten nicht mit internationalen Vereinbarungen überein, so Borrell. Die EU befürworte die Existenz von zwei Staaten in der Konfliktregion. Sie sollten sich an die Grenzen von 1967 – also denen vor dem damaligen Sechs-Tage-Krieg – halten. Ein gleichwertiger Landtausch sei nicht ausgeschlossen. Demgegenüber hat Trump den größten Teil der besetzten Gebiete Israel zugesprochen. Besonders besorgt scheint die EU darüber zu sein, dass Teile des Westjordanlands, besonders das Jordantal, annektiert werden sollen. Dies könne, falls es umgesetzt werde, nicht unangefochten bleiben, gab Borrell zu verstehen.

Deutschland machte sich diese Erklärung nicht zu eigen. Der Spanier habe als EU-Außenbeauftragter gesprochen, nicht im Namen aller 27 EU-Staaten, heißt es in Brüssel. Deutschland und einige andere Mitgliedsländer befürchten offenkundig, es sich mit Israel und den USA zu verderben. Borrells Statement blieb prompt ohne praktische Folgen. Es landete in der Schublade, wie so viele EU-Erklärungen zur Nahostpolitik der vergangenen Jahre.

Einfach so laufen lassen?

Ohne die großen Mitgliedsstaaten und ohne politischen Willen – das zeigt diese Episode – kann die EU nichts bewegen. Man lässt die USA gewähren, was nicht zuletzt Jean Asselborn als den dienstältesten EU-Außenminister besorgt. „Wenn die USA und Israel im Westjordanland Fakten schaffen, sind wir Europäer nicht vorbereitet“, warnte der Luxemburger Ende Januar. Zuvor hatte Deutschland einen Vorstoß Asselborns zur Anerkennung Palästinas abgeschmettert. Ein solcher Schritt setze eine Zweistaatenlösung voraus, begründet Außenminister Heiko Maas sein Nein. Er dürfte wissen, dass eine solche Lösung durch nichts anderes als die Politik Israels verhindert wird.

„Die Kolonisierung, die Zwangsumsiedlungen und die gezielte Zerstörung palästinensischer Infrastruktur gehen weiter“, klagt Asselborn und fragt: „Wollen wir das einfach so laufen lassen?“ Eine rhetorische Frage, denn die EU hat es bisher stets laufen lassen. Weder die nationalistische Politik von Premier Benjamin Netanjahu noch die zynische Strategie der Hamas haben das vereinte Europa zum Umdenken bewogen. Dabei gäbe es durchaus Alternativen. Die Anerkennung eines Palästinenserstaats unter dem gemäßigten Präsidenten Mahmud Abbas wäre eine mögliche Option. Nicht nur Luxemburg, auch Schweden und andere EU-Mitglieder befürworten diesen Schritt. Ein umfassender Friedensplan nach dem Vorbild des einstigen Helsinki-Prozesses der KSZE für den gesamten Nahen Osten wäre ebenso denkbar. Mit einem solchen Projekt könnte die EU nicht nur das Nuklearabkommen mit dem Iran retten. Es ließe sich zugleich dessen regionaler Einfluss eindämmen – und so den Sicherheitsbedürfnissen Israels entgegenkommen.

Umsetzen ließe sich das freilich nur, wenn Deutschland und Frankreich an einem Strang ziehen, obwohl sich Trump und Netanjahu widersetzen. Danach sieht es nicht aus, im Gegenteil. Die deutschen Außenpolitiker bleiben in Deckung. Statt über Alternativen zu Trumps verheerender Politik diskutieren sie über die Abschaffung des Vetorechts im EU-Ministerrat. Dagegen sind vorrangig kleine EU-Länder wie Luxemburg. Nicht grundlos fürchten sie, künftig noch weniger Einfluss zu haben – auch in der Nahostpolitik.

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