In Ungarn wird die Presse geknebelt, in Polen die Justiz an die Leine gelegt, in Bulgarien grassiert die Korruption. Und in Westeuropa fragen sich die Menschen, welche Rechte ihnen im fortgesetzten Corona-Lockdown bleiben mögen. Keine Sorge, heißt es in Brüssel, wir kümmern uns um Recht und Gesetz. Gerade wurde ein neuer Rechtsstaatsmechanismus verabschiedet, alle 27 EU-Staaten werden einem „Rechtsstaats-Screening“ unterworfen, sogar Coronahilfen an die Rechtsstaatlichkeit gekoppelt. Eine Revolution sei das, sagt der deutsche Ratsvorsitz. Erstmals werde die Auszahlung von EU-Geldern an Rechtstreue gekoppelt. Dass der ungarische Premier Viktor Orbán nun Sturm läuft und mit einem Veto gegen das neue EU-Budget droht, scheint diese Aussage nur zu bestätigen.
Doch die Brüsseler Regeln sind nicht geeignet, die Probleme zu lösen. Sie schützen nur die EU-Finanzen, aber weder Journalisten noch Richter. Die EU kann zwar künftig nach dem Portemonnaie greifen und Hilfsgelder kürzen, wenn Recht und Gesetz nicht gewahrt werden. Der Mechanismus kommt aber nur dann zum Einsatz, wenn durch Verstöße das EU-Budget gefährdet wird – und die EU-Kommission einschreitet.
Bisher hat die EU eher die Hände in den Schoß gelegt. Kommissionschefin Ursula von der Leyen und ihr Team sahen seelenruhig zu, wie die Rechtspopulisten in Ungarn und Polen ihre Macht festigten. Man beobachte das genau, sagt Brüssel – geschehen ist nichts. Und nichts spricht dafür, dass sich dies im Januar ändert, wenn der Rechtsstaatsmechanismus in Kraft treten soll. Denn von der Leyen ist mit den Stimmen Orbáns gewählt worden. Die CDU-Politikerin genießt den zweifelhaften Ruf, nichts gegen den Willen der Staats- und Regierungschefs zu tun. Warum sollte sie sich mit Orbán anlegen?
Selbst wenn von der Leyen endlich aktiv werden sollte, braucht es immer noch eine qualifizierte Mehrheit der 27 EU-Staaten, damit Sanktionen greifen. Diese Hürde ist hoch, womöglich zu hoch. Ob sie übersprungen werden kann, muss sich erst noch zeigen.
Ohne Deutschland wird es, so viel steht fest, nicht gehen. Auch Kanzlerin Merkel ist nicht dafür bekannt, dass sie sich mit Ungarn anlegen würde. Warum sollte sich das ausgerechnet im Wahljahr 2021 ändern?
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.