Frieden ist das Wichtigste. 1945 wusste das jeder. Auch während der friedensgefährdeten Zeit des Kalten Krieges. Ohne dieses breite Bewusstsein wäre der Kalte Krieg vermutlich zum Weltenbrand ausgeartet. Nach 1990 waren wir alle erst mal unendlich erleichtert: Der Kalte Krieg ist zu Ende. Die Militärbudgets können drastisch gekürzt werden. Hunderte Milliarden an „Friedensdividenden“ wurden erwartet. Mit denen sollte auch die „Agenda 21“ für nachhaltige Entwicklung finanziert werden, die beim Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992 beschlossen wurde.
Doch das Ende des Kalten Krieges hatte zwei unerwartete Folgen: Erstens verwandelte sich die bis dahin vorherrschende soziale Marktwirtschaft in einen gnadenlosen Finanzkapitalismus. Die sozial
Die soziale Komponente war ja aus Sicht des Kapitals politisch nicht mehr nötig. Sie hatte sich ja bloß im Kalten Krieg durch-gesetzt als Antwort auf den Kommunismus, um dessen böse Behauptung zu entkräften, in der Marktwirtschaft würden die Armen immer ärmer.Placeholder authorbio-1Nun konnte „das Kapital“, konnten die Investoren den Staaten Vorgaben machen, wie viel Sozialstaat, wie viel Steuerlast allenfalls tolerierbar wäre, um die Kapitalrendite nicht zu gefährden. Ein internationales Abwärtskarussell setzte ein bei Steuern auf Unternehmen, Vermögen und Spitzenverdiener. Und die Armen wurden immer ärmer, außer in China und Teilen Indiens. Zweitens löste sich langsam das Bewusstsein in Luft auf, dass Frieden das Wichtigste ist. Regionalkonflikte flammten auf. In ehemaligen Jugoslawien, in der ehemaligen Sowjetunion. Und dann vor allem die unterschiedlichsten Konflikte in islamisch geprägten Ländern und Regionen der Welt.Von Friedensdividenden redet niemand mehr. Die Hass-Sprache dringt weltweit vor und bedient sich des Mittels der „sozialen Medien“ (idiotischer Begriff!). Der „Islamische Staat“ verrät auf mörderische Weise sämtliche ethischen Grundsätze seiner eigenen Religion. In den USA fragt der republikanische Präsidentschaftskandidat in einer Beraterrunde: Wenn wir Atomwaffen haben, warum setzen wir die eigentlich nicht ein? Und die Atomwaffenarsenale der Welt werden mit riesigem technischem Aufwand „modernisiert“.Frieden und AbrüstungBei den Vereinten Nationen hat man sich in der Tradition von Rio 1992 dem Thema der Nachhaltigen Entwicklung zugewandt. Bei der VN-Konferenz „Rio+20“ hat man die 2030 Agenda für Nachhaltige Entwicklung beschlossen, mit ihren 17 Nachhaltigen Entwicklungszielen, Sustainable Development Goals, abgekürzt SDGs.Da kommt zwar als Ziel 16 Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen vor. Aber in der Langfassung wird das spezifiziert als: friedliche und inklusive Gesellschaften im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung fördern, allen Menschen Zugang zur Justiz ermöglichen und effektive, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen. Von Abrüstung und der Vermeidung militärischer Kriege hören wir nicht viel.Was vielleicht noch brisanter ist an der wohlgemeinten 2030 Agenda ist ihre innere Widersprüchlichkeit. Würden Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit für 7,4 Milliarden Menschen nach heutigem Muster überwunden, würde das so etwas wie eine Verdoppelung des Welt-Bruttoinhaltsproduktes bedeuten, und damit fast unvermeidlich eine Verdoppelung der klimaschädigenden Emissionen, der Überfischung der Weltmeere und der landwirtschaftlichen Produktion zulasten der Böden und der Biodiversität. Die SDGs 13, 14 und 15 würden krachend verfehlt. Mit der Folge von möglicherweise verheerenden Kriegen insbesondere in den Ländern, in welchen die Bevölkerung noch rasend zunimmt und die Böden besonders trocken und verletzlich sind, also in weiten Teilen Afrikas und des arabischen Kulturraumes.Glücklicherweise ist das heutige ressourcenintensive Muster von Technologien und Konsum keineswegs unausweichlich. Eine Verfünffachung der Ressourcenproduktivität ist technisch möglich. Man kann also aus einer Einheit Energie, Wasser oder Mineralien mindestens fünfmal so viel Wohlstand gewinnen, als das mit den heutigen plumpen Technologien geschieht.Die hier angedeutete Effizienzrevolution wird aber nicht stattfinden, solange die betreffenden Ressourcen zu Schleuderpreisen auf den Markt kommen und dabei auch noch in Milliardenhöhe subventioniert werden. Hier wäre also die Politik gefragt, die Preise für den Naturverbrauch künstlich anzuheben, um so die Effizienz immer rentabler zu machen.Was lernen wir aus dem Gesagten? Vielleicht sind die folgenden vier Aussagen von Nutzen:1. Das Ende des Kalten Krieges war zwar ein großer Segen für die Menschheit, aber es war nicht das Ende der Besorgnis vor Kriegen und gefährlicher Rüstung.2. Die zweifellos als friedensstiftend konzipierte 2030 Agenda der Vereinten Nationen enthält ihrerseits Konfliktpotenziale, die leider weitgehend ignoriert werden.3. Die Verwirklichung der 2030 Agenda ist darauf angewiesen, dass Technologien und Verhaltensmuster entwickelt werden, die die sozio-ökonomischen Ziele mit den drei ökologischen Zielen versöhnen.4. Die Nachhaltigkeit ist eine wichtige Komponente der weltweiten Friedensarbeit, aber sie darf nicht als Ersatz für die klassische Friedensforschung und Friedensarbeit aufgefasst werden.