Alle Zeichen stehen auf (Pyrrhus-)Sieg

US-Primaries Bernie Sanders hätte New York gewinnen müssen um eine ernsthafte Chance zu haben, Hillary Clinton zu schlagen. Was folgt nun aus dem Wahlabend in New York?

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Hillary Clinton kann ihrer Kandidatur recht sicher entgegenblicken. Entscheidend wird aber sein, ob sie die Stimmung der Wähler wirklich aufnimmt und Größe zeigt
Hillary Clinton kann ihrer Kandidatur recht sicher entgegenblicken. Entscheidend wird aber sein, ob sie die Stimmung der Wähler wirklich aufnimmt und Größe zeigt

Foto: Justin Sullivan/Getty Images

Hätte Bernie Sanders die Vorwahl in New York gewonnen, man hätte es einen Gezeitenwechsel nennen können. Mit diesem Sieg im Rücken hätte er die restlichen Staaten weiter mobilisieren können und am Ende wäre seine Nominierung nicht mehr unwahrscheinlich gewesen. Nun, da Hillary ihren Wahlheimatstaat klar für sich entscheiden konnte, wird es schwer für Sanders. Dass Trump und Clinton schon vor Wochen in Kandidatenmodus übergegangen waren und dann diese Sicherheit wieder einbüßen mussten, täuscht nicht über die Tatsache hinweg dass Bernie Sanders New York hätte gewinnen müssen um eine realistische Chance zu erhalten, Clinton noch zu überholen.

Die Zeichen stehen also auf einen Hauptwahlkampf Clinton vs. Trump, zwei hochgradig unbeliebte Politiker aus unterschiedlichen Gründen: Trump, weil er ein den Rassisten spielender selbstverliebter Milliardäregomane mit Kindersprache ist, und Clinton, weil sie die Verkörperung des Status Quo, des Establishments, und der Dynastiepolitik ist, ein kalter Politroboter ohne Authentizität. Hillary Clinton kann womöglich einen Erdrutschsieg gegen Trump erreichen, dann aber nicht weil alle FÜR sie sind, sondern lediglich weil alle GEGEN Trump sind.

Doch ist Hillary tatsächlich das geringere Übel? Ihre Linie in der Außenpolitik ist härter als die Obamas, ihre Sozialprogramme sind Makulatur, ihre Motivation, Präsidentin zu werden - abgesehen davon dass sie alle anderen Posten schon innehatte und wohl nun noch das Regal voll machen will - ist nicht zu erkennen. Sanders ist motiviert! Selbst Trump ist irgendwie motiviert, auch wenn das mit dem Wohl des Volkes nichts zu tun hat sondern nur mit dem Triumpf des Trump. Clinton schafft es nicht einmal, die Frauen für eine erste weibliche Präsidentin zu begeistern.

Hillary Clinton hat mächtige Verbündete auf ihrer Seite, ohne die sie keinerlei Chance gegen Bernies Bürgerbewegung gehabt hätte: Die Finanz-, Polit- und Medienelite. Nicht auszumalen, welchen Vorsprung Sanders mittlerweile hätte wenn der DNC und die Medien ihn nicht massiv blockiert hätten!

Doch ist die nun extrem wahrscheinliche Nominierung Clintons wirklich eine gute Nachricht für das Establishment? Die Demokratische Partei, repräsentiert von Clinton, der Parteivorsitzenden Debbie Wassermann-Schultz und dem Gros der amtierenden Kongressabgenordneten steht vor dem Kollaps. Die letzten Zustimmungswerte für den Kongress liegen bei 4%, der absolute Negativrekord in der amerikanischen Geschichte, und das liegt eben auch nur zum Teil an der republikanischen Blockadepolitik. Clinton ist landesweit unbeliebt, von Republikanern regelrecht gehasst. Sanders hat eine Alternative zur herkömmlichen Lobbypolitik der klitzekleinen Schritte bei den Demokraten aufgezeigt und damit beinahe die Hälfte der demokratischen Vorwähler überzeugt, wie auch Unabhänginge und sogar einige Republikaner. Er hat die jungen Menschen mobilisiert und die Nichtwähler. Er hat die größten Menschenmengen zu seinen Rallyes gezogen, selbst mehr als Donald Trump und meilenweit mehr als Hillary.

Die USA stehen vor dem Ende des Zweiparteiensystems. Die "Progressives" bei Demokraten und Independents werden sich abspalten wenn der DNC sich nicht von Sanders und Elizabeth Warren nach links ziehen lässt. Die Bevölkerung hat das Establishment satt, sie hat das durch legale Korruption pervertierte Wahlsystem satt, sie hat es satt, vom System entmündigt zu werden, wie man sowohl an Trumps als auch an Sanders' Erfolg klar sehen kann. Die Demokraten werden in zwei Parteien oder zumindest zwei bitter zerstrittene Lager zerbrechen und die Republikaner wird das gleiche Schicksal ereilen: Dort stehen die religiös-fanatischen Wahnsinnigen wie Ted Cruz, Mike Huckabee oder Rick Santorum auf der einen Seite und die üblichen wirtschafts- und moralkonservativen Realos wie Jeb Bush oder John Kasich auf der anderen.

Egal ob Bernie Sanders noch ein Wunder vollbringt und wider Erwarten noch einen Durchmarsch hinlegt, seine Botschaft hat sich durch das Dickichts medialer Ignoranz und Gegenfeuers durchgekämpft und Hillary Clinton wird diesen Erfolg nicht wegwischen können und weitermachen wie bisher. Vielerorts wird berichtet (und dabei wird häufig übertrieben) dass Bernie-Unterstützer nicht für Hillary stimmen wollen in der Hauptwahl im Herbst. Das kann ein echtes Problem für sie werden, wobei Trump auf der anderen Seite ähnlichen Gegenwind erfahren wird. Hillary hat eine Chance, die demokratischen Wählerinnen und Wähler hinter sich zu vereinen: Sie muss Elizabeth Warren als Vizepräsidentschaftskandidatin präsentieren. Oder Bernie Sanders. Obama hatte damals die Größe, seine Widersacherin zur Außenministerin zu machen. Ob Hillary ebenso zur Größe fähig ist, wird sich zeigen.

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Geschrieben von

Ernstchen

Wortbürger. Musikmann. Mitmensch.

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