Bon, bon? EUkalypse now.

Hurropa!! Europa hat gewählt. Also etwa 40%. Der Wahlberechtigten. In der EU. Das macht aber nichts. Es kommt eh alles anders. Demokrapitalismus am Ende, Teil 3.

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Es ist eine Katastrophe.

Es ist ein guter Tag für die Demokratie.
Es ist ein guter Tag für die SPD.
Es ist ein guter Tag für den Front National.
Es ist ein guter Tag für die AfD.
Es ist ein schlechter Tag für die FDP.
Es ist ein schlechter Tag für Angela Merkel.
Es ist ein guter Tag für Martin Sonneborn.
Es ist ein schlechter Tag für die Demokratie.
Es ist ein guter Tag für das TTIP.
Es ist ein guter Tag für Angela Merkel.
Es ist ein guter Tag für Jean-Claude Juncker.
Es ist ein guter Tag für David Cameron.
Es ist ein schlechter Tag für Jean-Claude Juncker.
Es ist ein guter Tag für Rolf-Dieter Krause.

Europa hat gewählt und das Volk hatte vorher keine Ahnung worum es geht. Danach hat das Volk keine Ahnung was passiert ist und was das bedeutet. Angela Merkel und David Cameron geben uns einen kleinen Hinweis. Es ging um nichts. Nein, das ist zu hart, es ging um alles. Und die Wahlbeteiligung ging nach oben. Oder auch doch nicht. 43,1% sagt die WELT. Davon die absolute Mehrheit wird „Europa regieren“ in irgendeiner Koalition, mindestens von 22% der EU-Wahlberechtigten gewählt. Wow. Mit Juncker als Kommisionspräsident, weil der war ja Spitzenkandidat der Parteifamilie, die die meisten Stimmen hatte. Oder auch nicht. Weil David Cameron zwar keine Lust auf die EU hat, aber wenn schon dann will er die Extrawurst. Und Frau Merkel versteht das natürlich.

Und es war natürlich auch eine Abstimmung über das Freihandelsabkommen. Die Grünen, die ÖDP, die Piraten und die Linke waren in Deutschland dagegen. Zusammen etwa 20% der gültigen abgegebenen Stimmen in Deutschland. Das heißt, 80% waren für das TTIP. Heißt es das? Natürlich nicht. Da geht es doch um viel mehr als nur dieses eine Thema. Ja. Was denn so? Zählen Sie mal auf, zufälliger Bürger auf der Straße vor dem Fernsehmikrofon. Na die Merkel will ein starkes Deutschland in einem gemeinsamen Europa, hat sie gesagt. Und der Seehofer ein starkes Bayern in einem bayrischen Europa. Oder so. Und die SPD sieht das auch so. Und die AfD ist dagegen. Und die Linken auch. Ist doch alles das selbe. Bis auf den Gysi, der sagt immer so kluges Zeug. Wen haben Sie gewählt? Na die Merkel. Die macht das doch gut. Was meinen Sie mit „das“?

Da gibt es viele die sagen, Demokratie, das funktioniere am besten in kleinerem Rahmen, in kleineren Regelkreisen, im kommunalen, vielleicht noch im Länderbereich. Darüber hinaus scheitere sie sowohl an der Machtfülle die die gewählten Vertreter blind für die Belange des Volkes werden lässt, die dann nur noch sich selbst und die Küngeleien mit Lobbys im Kopf haben, als auch an der Unfähigkeit der Wählermasse, noch so großgestrickte Zusammenhänge zu verstehen und zu beurteilen, und dabei zwischen Information und Propaganda unterscheiden zu können.

Und dann gibt es die, die sich Alternative für Deutschland nennen, oder Front National oder Ukip oder Dansk Folkeparti oder Wahre Finnen, die sind rechtspopulistische Arschgeigen die aus ganz anderen Gründen Europa sagen wir mal skeptisch gegenüberstehen. Weil sie nationalistische, fremdenfeindliche Rassisten sind, im Großen und Ganzen, und mit „Leuten die anders sind als wir“ nichts zu tun haben wollen, geschweige denn von ihnen regiert werden wollen. Beim Fußball feuern sie sie noch an, die Fremden, solange sie für den eigenen Verein spielen, aber das ist ja auch nur Spaß.

Und dann klatscht Spiegel-Online ein Banner über die Europawahlberichterstattung bei dem man auswählen kann zwischen „Deutschland“, „Feinde der EU“ und „Alle Länder“. Und dem Verfasser dieser Zeilen wird schlecht. Die „Achse des Bösen“-Rhetorik hat SPON erreicht. Hurra! Gemeint sind natürlich diese rechtspopulistischen Arschgeigen wie Le Pen, Wilders und Lucke, und dennoch wird damit eine Linie im Sand gezogen. Und plötzlich stehen diejenigen, die ihre Zweifel an der Wirksamkeit, Fairness und Verhältnismäßigkeit „europäischer Demokratie“ haben, auf der gleichen Seite wie die Arschgeigen, Und auf der anderen Seite die „Guten“. Die Alternativlosen. Die, die einem immer das Gefühl geben, man müsste nur besser verstehen wie alles funktioniert und dann wüsste man auch dass das alles so wie es ist, perfekt ist und nicht anders geht. Und die aufgeblasenen Populisten, die sich mit der NPD eine Ausstellung über rechtsmanipulative Wahlplakatierung teilen könnten, nennen sich „die Alternative“. Natürlich. Zu Merkels alternativloser Politik. Und Merkel und die ihren denken in den Hinterzimmern schon über Zusammenarbeit nach. Die Alternativlosen mit "der" Alternative. Laut wird diese natürlich ausgeschlossen von ganz oben, aber die Hinterbänkler plärren schon vorlaut.

Und der Satiriker Martin Sonneborn zieht ins EU-Parlament ein und plant, Europa zu melken für einmonatige bezahlte Urlaube für 60 seiner Parteimitglieder. Schön absurd. Man möchte sich ganz arg einreden dass der „seriöse Teil“ nicht so absurd ist, aber …

Ich stehe nach der Europawahl, mit ihren Myriarden verschiedenen Ergebnissen (Wikipedia hat sowohl „Linksruck“ als auch „Rechtsruck“ als Unterpunkte), verschiedenen Wahlbeteiligungen (Slowakei 13%, Luxemburg 90%), ratlos da. Weiß nicht was ich da gemacht hab und was da passiert ist und was da passieren wird. Das einzige das ich wirklich weiß, ist dass das TTIP kommen wird. Denn es war eben nicht Thema dieser Wahl. Und es wird unter Ausschluss der gewählten Volksvertreter (ein immer obszöner anmutender Begriff) von Wirtschaftsbossen ausgeklüngelt. Und wir werden dann vor vollendete Tatsachen gestellt. Das ist sie also, die Macht der demokratischen Bürger Europas. Ein sonntagnachmittägliches Wimmern aus der Ferne.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ernstchen

Wortbürger. Musikmann. Mitmensch.

Ernstchen

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