Das Problem ist nicht (nur) Donald Trump

USA Donald Trump ist kein kurioser Einzelfall, er ist die Symbolfigur der Pervertierung von Politik und Gesellschaft. Ein Beitrag am Rande der Sachlichkeit

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Trollt gerne und ausgiebig: Donald Trump
Trollt gerne und ausgiebig: Donald Trump

Foto: Steve Pope/AFP/Getty Images

Donald Trump, verzogener kleiner Junge und leidenschaftlicher Twitter-Troll, möchte gern Präsident werden. Oder zumindest bei dem Zirkus mitmachen. So oft wie möglich sagen wie wahnsinnig toll er ist und wie sehr alle anderen doch Loser seien. Und er hat festgestellt, dass es da draußen in den weiten Prärien der Vereinigten Staaten von Amerika ein Menge Menschen gibt, die irgendwie mögen was er von sich gibt. Er redet frei von der Leber weg, verwendet keine der üblichen Phrasen der professionellen Washingtoner Phrasendrescherschmiede, er findet Ausländer doof und die Lügenpresse auch. Und hetzt gegen mexikanische und syrische Einwanderer, Schwarzafrikaner und zuletzt dann einfach mal gegen alle Muslime. Weil er es sich erlauben kann. Unter den verbliebenen 87 republikanischen Präsidentschaftskandidaten führt der kleine Donald derzeit landesweit mit etwa 35% unter republikanischen Wählern in einer Umfrage von CBS und der New York Times.

Dass er gewählt wird, daran glaubt man ja nicht. Trumps Kandidatur ist eine Show, das ist Klimbim, Schabernack, ein Streich der den US-Bürgern gespielt wird unter fleißiger Mitarbeit der dortigen (und sogar auch hiesigen) Medien.

Doch ist der das? Seit Trump ins Rennen eingestiegen ist, hält er sich hartnäckig auf Platz 1. Zwischenzeitig schlurfte mal der bibeltreue Schlafwandler Ben Carson an ihm vorbei, doch mittlerweile dümpelt selbst der wieder bei etwa 13%. Derzeitiger Aufholjäger ist der Tea Party Radikalpolemiker Ted Cruz, Trumps persönlicher Schoßhund, der stets darauf verzichtet, seinem Herrchen zu widersprechen, selbst als der den kompletten Einreisestopp für alle Muslime ins Land proklamierte. Cruz' Kommentar dazu war nur: „I like Donald Trump.“

Trump, Carson und Cruz unterscheiden sich kaum in den Inhalten, alle drei sind radikale Rechtsaußen, die sich permanent in ihrer Xenophobie paradoxerweise auf die Bibel berufen. Im Duktus unterscheiden sie sich: Trump ist der Polterer, Carson der Flüsterer und Cruz der Prediger. Gemeinsam kommt der Block der Wahnsinnigen derzeit auf deutlich über 50% in den nationalen Umfragen (durchschnittlich derzeit 59,7%). Zwei der bisher aussichtsreichsten Kandidaten des halbwegs moderaten republikanischen Establishments, Scott Walker und Jeb Bush, sind in der Bedeutungslosigkeit verschwunden, Walker gar ganz aus dem Rennen ausgeschieden. Der einzige Moderate unter den fünftausend Kandidaten, der noch bisweilen zweistellige Werte in den Polls einfährt, ist Marco Rubio, auf Platz drei oder vier, je nach Umfrage.

Die Trump/Carson/Cruz-Combo also stellt somit den Mainstream der republikanischen Wählerschaft dar: Rassistische, mit der Bibel wedelnde Hardliner – im Falle von Trump und Carson gar Quereinsteiger ohne Erfahrung im politischen Tagesgeschäft. Dass einer von ihnen zum Kandidaten gekürt wird, ist nicht nur sehr wahrscheinlich, es macht auch der Parteiführung der GOP sichtlich Angst. Dabei haben sie es selbst zu verschulden: Die Integrierung der Tea Party, die fürchterliche Blockadepolitik im Kongress, die Positionierung als Verhinderungspartei jeglicher Versuche Obamas, tatsächliche Politik zu machen und die Anbiederung an die rechtesten Ecken der Bevölkerung und deren Hass gegenüber allem "fremden" (=nicht-weißen) haben die einstige konservative Partei zu einem Auffangbecken für radikale Hetzprediger werden lassen und gleichzeitig den Hass in der Bevölkerung auf das politische Establishment so in die Höhe getrieben (der Kongress hat wiederholt einen Zustimmungswert in der Bevölkerung um etwa 15%), dass Außenstehende wie Trump und Carson als Wohltat empfunden werden.

Dass der „republikanische“ Kandidatenfindungsprozess so viel mehr Medienecho findet wie der demokratische, mag beinahe darüber hinwegtäuschen dass die USA durchaus auch eine andere Seite haben. Als die Times diese Woche Angela Merkel als person of the year auf ihr Titelbild setzte und Donald Trump gleich auf Twitter losätzte, dass es ja klar war dass die Times ihn links liegen lassen würden und lieber jemandem die „Auszeichnung“ geben würden der Deutschland ruiniere, führte die Bevölkerungsumfrage zur Times person of the year mit großem Abstand Bernie Sanders an. Der nette Sozialistenonkel, der der einzige in diesem Wahlkampf zu sein scheint, der über vernünftige Politik redet, keine Konzernspenden annimmt, keine politischen Gegner hart attackiert, sondern lieber über Inhalte spricht und damit auch der einzige ist, der auch nur den Hauch einer Chance gegen die beinahe unvermeidliche Wall-Street-Wachsfigur Hillary Clinton hat.

Die US-amerikanischen Medien strafen Bernie Sanders mit Ignoranz, da dieser den Wahlspendenwahnsinn der käuflichen Politiker in den USA beenden will, und diese Milliarden natürlich hauptsächlich in Werbekampagnen gesteckt werden, von denen besonders die großen Medienkonzerne profitieren. Der Präsident des Medienkonzerns CBS, Les Moonves, äußerte sich kürzlich zu dem Milliardengeschäft mit den Kandidatensponsoren: „Super PACs may be bad for America, but they're very good for CBS“ und feuerte unter anderem Donald Trump – der zwar ohne Super PAC arbeitet weil er reich genug ist, aber stets hohe Einschaltquoten garantiert – an, weiter Futter für die Berichterstattung zu liefern.

Donald Trump, der kleine Junge, der aufmüpfige Bully, der Milliardär, der Hardliner, der Showman, der unterhaltsame, gefährliche Spinner ist nicht das Problem. Er ist nur das glitzernde, leuchtende Symptom, die vereinfachte Personifizierung einer völlig ins Absurde verkehrten vorgeblichen Demokratie, deren Institutionen bis hin zur vierten Macht im Staat, längst alle „Moral“ und „Werte“ und verfassungsgemäße Pflichten abgelegt haben und um das goldene Kalb tanzen als gäbe es kein Morgen mehr. Und wenn sie so weitermachen, dann gibt es auch kein Morgen mehr. Daran kann dann selbst Bernie Sanders nichts mehr ändern.

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Geschrieben von

Ernstchen

Wortbürger. Musikmann. Mitmensch.

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