Dead Boats River

Songwriting Die kleine Reise eines Urlaubsmoments durch das Hirn eines Songwriters in die Hände (und Füße) einer Band.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

In den Urlaub fahren mit zwei Freunden in einem alten VW-Bus mit Campingausbau, das war schon immer großartig. Und wenn man einen Freund dabei hat, der eine fast schon unheimlich gute Spürnase für besondere Orte hat, kann es zu magischen Momenten kommen. Im Sommer 2011 fuhren wir zu dritt in Richtung Frankreich und Nordspanien. Den ersten Zwischenstopp machten wir bei einer gemeinsamen Freundin in Freiburg, die nächste Nacht mussten wir in Frankreich irgendwo einen Ort zum übernachten suchen. Es war schon dunkel als der Freund mit der Spürnase zu mir (am Steuer) sagte „fahr hier mal links“ und schon waren wir hinter einem schmalen Gebüschstreifen verschwunden, der zwischen der Landstraße und einem Fluss lag. Wild campen ist in Europa kaum erlaubt, deswegen mussten wir immer schauen dass man uns von der Straße aus nicht sehen konnte.

Die Nacht am Flussufer war Terror, da uns eines der heftigsten Gewitter heimsuchte das wir drei je erlebt hatten. Am nächsten Morgen sahen wir dann erst, wo wir gelandet waren: Ein wunderschönes Fleckchen Erde am Ufer des Doubs, wo unter einer Weide mehrere alte Holzboote halb im Fluss versunken waren und langsam verrotteten. Wir planten sofort auf unserer Rückreise zu versuchen diesen Ort wiederzufinden. Zwei Wochen später waren wieder am „Dead Boats River“.

Nach der Fahrt verstreuten sich unsere Wege relativ plötzlich, andere Menschen traten in unsere Leben. Der Songwriter in mir hatte natürlich längst den „Dead Boats River“ zur Inspiration genommen. Ein bisschen Kindheitserinnerungen an einem anderen Flussufer kombiniert mit der Gewitternacht am Doubs, gepaart mit dem melancholischen Refrain „Nobody comes here anymore“, in wenigen, kurzen, eliptischen Zeilen, und der Song war fertig. Ein Lo-Fi-Demo mit wie ein Echo klappernden Beats, verwunschenen Geisterstimmen und einer folkigen Akustikgitarre, so ruhte der Song drei Jahre lang in der Schublade. Als meine Band Your Careless Spark Ende 2014 beschloss, eine EP mit für uns eher ungewöhnlicheren Stücken aufzunehmen, musste ich wieder an diesen Song denken und brachte ihn in einer der nächsten Proben ins Gespräch.

Zuerst waren nur unser Gitarrist und ich im Proberaum. Ich ließ eine Art Klick-Beat laufen im 6/8-Takt und spielte dazu Akustikgitarre, Uwe hörte sich das harmonisch an und stieg langsam dazu ein. Als unser Bassist kam, setzte dieser spontan einen hypnotischen Krautrock-Bass drüber und als unser Drummer kam, griff er den Basslauf auf und bastelte das Schlagzeug um das bisherige herum. Wir jammten eine Weile vor uns hin, dann nahmen wir das Ganze auf. Diese spontane Proberaum-Demoaufnahme überzeugte uns dermaßen, dass wir für die EP den kompletten Song live einspielten inklusive ausuferndem Instrumentalteil am Schluss. Mit dem Lo-Fi-Demo hatte das kaum mehr etwas zu tun, es war vielmehr nun eine akustische Repräsentierung der heftigen Gewitternacht, die wir drei Reisenden am Ufer des Doubs erlebt hatten. Über den Live-Take wurde die Gitarre eines zweiten Live-Takes gelegt, der Gesang nochmal richtig aufgenommen wie auch die Akustikgitarre, mehr musste nicht mehr getan werden.

Solche schnellen Arrangements sind selten im Bandgefüge, es lief einfach wie von allein, es fiel alles an seinen Platz. Das sind die magischen Momente, die man nur erlebt wenn man in einer Band spielt und immenses Glück hat. Hier ist das gute Stück:

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ernstchen

Wortbürger. Musikmann. Mitmensch.

Ernstchen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden