Der müde Gang zur Bürgerpflicht

Bayern So, nun habe ich gewählt. Aber so richtig glücklich bin ich nicht damit. Die Bundespolitik steht wie eine Wand vor der Landespolitik. Ich kenne hier niemanden

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Mit einer absoluten Mehrheit ist Seehofer der strahlende Sieger
Mit einer absoluten Mehrheit ist Seehofer der strahlende Sieger

Foto: Christof Stache/AFP/Getty Images

So stand ich also in dem großen Schulgebäude in der Schlange vor dem Raum in dem mein Stimmkreis die Stimmzetter abgibt. Dort hingen schon einmal die Wahlzettel als Muster aus, ebenso die viel ausführlicher als auf dem Wahlzettel dokumentierten fünf Volksentscheide. Der Wahlzettel ringt mir ein Achselzucken ab, ich kenne niemanden. Gerade mal der Name des SPD-Wahlkreiskandidaten ist mir von ein paar Plakaten bekannt. ("Den kann man wählen." - Wahnsinn.) In meiner kleinen Heimatstadt kenne ich mehrere Kandidaten sogar persönlich, aus fast allen antretenden Parteien. Aber hier in Nürnberg, wo ich seit 2007 lebe: Schall und Rauch. Die SPD-Landtagsabgeordnete für die eine Freundin von mir arbeitet ist für einen anderen Nürnberger Wahlkreis nominiert, also könnte ich nicht einmal die wählen, wenn ich wollte.

So bleibt mir nur, stets die von mir favorisierte Partei (also das geringste Übel ... DGÜ, wäre auch mal ein Name für eine Partei), anzukreuzen, jeweils den obersten Namen auf der Liste für Land- und Bezirkstag. Erst- und Zweitstimme. Hilft ja nichts. In Bayern gewinnt traditionell die CSU quasi alle Erststimmen-Direktmandate, so macht es auch kaum Sinn, auf Verdacht taktisch einen SPD-Namen anzukreuzen. Außerdem ist mir Christian Ude zu sehr Münchener, als Franke habe ich von ihm kaum etwas zu erwarten, da ist es, so pervers das auch klingt, schon hilfreicher dass mit Markus Söder ein Nürnberger bayerischer Finanzminister ist und seit seiner Amtsübernahme plötzlich die staatlichen Gelder wesentlich fairer in Bayern verteilt als seine Vorgänger, die sich stets auf München und Oberbayern konzentriert hatten. Wie gesagt, es klingt pervers, das gebe ich gerne zu.

Über die Volksentscheide habe ich mich sogar informiert, wohl als einer von ganz ganz wenigen, die hier zur Wahl gehen. Die allermeisten sind überrascht und, tja, genervt. "Was, noch mehr Zettel?" Die Volksentscheide sind minimal formuliert auf dem Wahlzettel, es ist schlicht nicht ersichtlich worum es geht. Dazu blumig-schwammige Formulierungen wie "je nach Finanzlage angemessen" oder "soll gefördert werden". Nichts konkretes das zwingend wäre, pro forma Geschwafel per Volksentscheid, damit der mündige Bürger das Gefühl bekommt, etwas mitentscheiden zu dürfen, ein Gefühl dem der informierte Bürger misstraut.

Und der uninformierte, uninteressierte Bürger ist genervt von so viel Papierkram und wird noch politikverdrossener. Die Rechnung geht auf. Mindestens für die CSU.

An der Tafel steht "16:00 - 29,93%" ... Es ist die Wahlbeteiligung bis 16 Uhr. Verdammt wenig. Die Rechnung geht auf. Mindestens für die CSU.

Es wird sich auch diesmal nichts in Bayern ändern. Die Rechnung geht auf. Zumindest für die CSU.

Na denn, noch eine Woche und dann passieren vielleicht wenigstens etwas spannendere, unterhaltsame Dinge. Vielleicht fliegt die FDP raus. Vielleicht muss sich Merkel einen neuen Koalitionspartner suchen unter all den anderen Parteien, die alle eine Koalition mit der Union nicht wollen. Irgendwer wird wieder umfallen. Und dann ganz viel Prozentpunkte in den Umfragen verlieren. Die Rechnung geht auf. Zumindest für Angela Merkel.

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Geschrieben von

Ernstchen

Wortbürger. Musikmann. Mitmensch.

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