Die Mistgabeln kommen

Donald Trump Trump lässt Kinder in Käfige sperren, Vertreterinnen seiner Administration werden aus Restaurants geworfen. Die politischen Seiten in den USA rüsten auf

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Donald Trump spaltet das Land
Donald Trump spaltet das Land

Foto: Al Drago-Pool/Getty Images

Die USA waren schon immer ein gespaltenes Land: zwischen Siedlern und Ureinwohnern. Zwischen Sklaven und Sklavenhaltern. Zwischen Arm und Reich. Zwischen Inland und Küste. Zwischen Republikanern und Demokraten. Selten war das Land so gespalten wie unter Präsident Donald J. Trump.

Es braucht an sich kein Wort mehr verloren werden über Trumps beispiellose Arroganz, Ignoranz und Dummdreistigkeit. All das ist dokumentiert auf seinem Twitter-Account, den er dafür nutzt, Gegner mit albernen Spottnamen zu versehen („lyin' Ted“, „crooked Hillary“, „failing New York Times“), Menschen wie Kongressabgeordnete Maxine Waters als „extraordinarily low IQ person“ zu verunglimpfen und sich auch sonst nur wie ein A****loch aufzuführen. Währenddessen hat sich der ultrarechte Flügel der GOP, der sich spätestens seit dem Aufkeimen der Tea Party in den Vordergrund der Republikanischen Partei gedrängt hat, immer mehr davon entfernt, den eigenen Rassismus, Seximus und weißen Nationalismus hinter politisch korrekter Sprache zu verstecken.

GOP-Politiker und konservative TV- und Radiomoderatoren retweeten Neo-Nazis, verteidigen überführte Kinderschänder, bezeichnen mexikanische Einwanderer als Seuche, Schwarze als Affen und Hillary Clinton und Barack Obama als Dämonen.

In 16 Monaten Amtszeit hat die Trump-Administration Obamas Gesundheitsreform sabotiert, die Klima-Übereinkunft von Paris und das Atomabkommen mit Iran aufgekündigt, die Steuern für die Reichen noch weiter gesenkt, diverse soziale Programme gestrichen, das Wort Klimawandel aus dem offiziellen Regierungsvokabular gestrichen, Bohr- und Bauverbote für Pipelines auf Indianerterritorien und im Golf von Mexiko aufgehoben, die von mehreren Hurricanes verwüsteten Insel Puerto Rico völlig im Stich gelassen, Nordkorea mit nuklearem Erstschlag gedroht, mehrere konservative Straftäter begnadigt und zuletzt eine Richtlinie eingeführt, Kinder von „illegalen Einwandern“ an der Grenze von ihren Eltern zu trennen und in käfigartige Camps zu stecken.

Die Demokraten, notorisch schwach darin, dem etwas entgegenzusetzen, schossen sich monatelang nur auf Trumps verbale Entgleisungen und die Ermittlungen des Sonderermittlers Robert Mueller zur möglichen Russlandverschwörung ein. Die vormals als relativ progressiv geltende MSNBC-Moderatorin Rachel Maddow machte das Thema „Trump ist Putins Marionette“ monatelang zum Dauerthema ihrer Sendung.

Die tatsächliche Politik des Trump-Kabinetts war eher Randthema, dabei hätten die Demokraten gerade dort punkten können. Doch Trumps Grenzpolitik lockte selbst die zahmsten Demokraten hinter dem Ofen hervor. Ein Shitstorm ergoss sich auf allen Kanälen auf Trump und Justizminister Jeff Sessions wegen der Kinderkäfige an der Grenze zu Mexiko. Trump und seine Gefolgschaft kam erstmals in ernsthafte Bedrängnis. Mit einer gehörigen Portion Whataboutism („Obama hat diese Politik eingeführt“ – stimmt übrigens nicht, auch wenn er eine Rekordzahl illegaler Einwanderer abgeschoben hat, das Trennen der Kinder und Eltern wurde durch Sessions im April 2018 erlassen) und gleichzeitiger Beteuerung, dass diese Einwanderer wirklich die größtmögliche Gefahr für alle Amerikaner darstellten, konterten die meisten Republikaner diese Entrüstungswelle – ohne Erfolg. Es begann sich etwas zu regen.

Ein Twitter-User postete den Aufenthalt der Ministerin für Innere Sicherheit, Nielsen, in einem Restaurant in Washington, D.C., und ein veritabler Mob fand sich in Kürze in dem Restaurant zusammen und vertrieb die Ministerin durch schiere Lautstärke. Und vor einigen Tagen wurde in Lexington, VA, Trumps Pressesprecherin Sarah Huckabee Sanders von der Belegschaft eines weiteren Restaurants durch interne Abstimmung des Ladens verwiesen.

Dass in der Politik, vielleicht mehr als sonst irgendwo, mit zweierlei Maß gemessen wird, ist ein alter Hut. Und so war es auch hier. Republikaner haben sich stets dafür stark gemacht, dass Konditoreien „aus religiöser Überzeugung“ gleichgeschlechtlichen Paaren die Hochzeitstorte verweigern dürfen. Wenn allerdings eine der ihren des Restaurants verwiesen wird aufgrund ihrer Komplizenschaft in einem Regime, das Kinder von ihren Eltern trennt und in Käfige steckt, dann gibt es einen konservativen Aufschrei. Und, völlig schamlos, wird dann aufgrund der Tatsache, dass Ministerin Nielsen und Sprecherin Sanders beides Frauen sind, dann auch noch „Sexismus!“ gerufen. Aus der Partei, deren Präsident zahllose Frauen als fett und hässlich bezeichnet hat, eine Affäre mit einer Sexarbeiterin hatte, während seine Frau Melania mit ihrem Sohn Barron schwanger war, und im Access-Hollywood-Video davon sprach, Frauen ungefragt zu küssen und ihre Genitalien anzufassen.

Die Republikaner und besonders die aktuelle Regierungsriege haben jeglichen Anschein von Anstand hinter sich gelassen, und nun beginnen einige Demokraten, die endgültig genug haben, den Ton zu verschärfen. Das Trennen von Kindern und Eltern an der Grenze war der Tropfen, der das Fass hat endlich überlaufen lassen. Die Kongressabgeordnete Maxine Waters sagte, sie ermutige die Menschen, im Stile der Vorfälle mit Nielsen und Huckabee Sanders Mitglieder der Trump-Administration öffentlich zu stellen: „Wenn ihr irgendjemanden aus diesem Kabinett seht, in einem Restaurant, in einem Laden, in einer Bar, dann sammelt eine Gruppe Leute zusammen. Und dann sagt ihr dieser Person, dass sie hier nicht mehr erwünscht ist. Nirgendwo. Wir müssen die Kinder wieder mit ihren Eltern zusammenführen!“

Die Presse machte daraus „Waters stiftet dazu an, Trump-Kabinettsmitglieder zu belästigen“, was inhaltlich noch halbwegs zutreffend ist. Aber dann kamen Trumps Tweets, in denen er behauptete, Demokraten würden Menschen dazu anstacheln, Trump-Anhänger tätlich anzugreifen. Gleichzeitig drohte er Maxine Waters, die er hier erneut „extraordinarily low IQ“ nannte, leicht kryptisch: „Be careful what you wish for, Max“. Die chronisch unkritischen Trumpanhänger auf Twitter ließen nicht lange auf sich warten und sprachen davon, ihre Waffen zu laden und bereit zu sein. Die Linken seien im Anmarsch, sie zu vertreiben, und sie würden ihnen waffenstarrend entgegentreten.

Das ist nur Twitter, und auf Twitter wüten überall bereits wahre Twitter-Kriege: Zwischen Fans der Marvel-Filme und Fans der DC-Filme. Zwischen Fans die „Star Wars: The Last Jedi“ lieben und die, die den Film hassen, zwischen Anhängern verschiedener Late-Night-Hosts, und natürlich zwischen Demokraten- und Republikaner-Anhängern. Und auch innerhalb der Parteien. Wenn man von Twitter ausgeht, hat der neue Bürgerkrieg Amerikas bereits begonnen.

Doch Trump beruhigt sich nicht mehr. Gerade erst hat Harley Davidson angekündigt, Teile seiner Produktion nach Europa zu verlagern – aufgrund der Strafzölle, die die EU als Reaktion auf Trumps Zölle erlassen hat. Trump wütete auf Twitter los und proklamierte das Ende für Harley Davidson, da sie nicht mehr amerikanisch seien. Erst kurz vorher hatte er das Restaurant das Sarah Huckabee Sanders zum gehen bewegt hat, als schmutziges Etablissement beschimpft. Das amerikanische Volk hinter ihrem Präsident vereinen – das haben bisher die meisten Präsidenten halbwegs hinbekommen, selbst George W. Bush war eine Zeitlang zwar ein bisschen peinlich (und ein Kriegsverbrecher), aber trotzdem der Präsident für alle US-Bürger. Trump kann nicht anders, als das Land zu spalten, und diesen Spalt immer tiefer und tiefer zu reißen.

Und jetzt, wo sich endlich etwas regt bei den Demokraten, wo sie endlich laut werden, wo sie endlich nicht mehr beschwichtigen und um Kompromisse flehend einen Kotau vor den schamlosen Republikanern machen, sondern – im Rahmen ihrer Fähigkeiten – etwas drauflospoltern, kommt die ewige Nancy Pelosi um die Ecke und beklagt das Fehlen von Höflichkeit im politischen Diskurs. Und damit meint die notorische Großspender-Geldsammlerin der demokratischen Führungsriege zwar natürlich auch die GOP, aber eben besonders auch Leute aus ihren eigenen Reihen, wie Maxine Waters oder die Protestierenden in dem Restaurant, aus dem Ministerin Nielsen vertrieben wurde.

„When they go low, we go high“ ist ein beliebter Ansatz der Demokraten im politischen Diskurs, und es scheint ein ehrbares – wenn auch meist ausgesprochen scheinheiliges – Anliegen zu sein, sich nicht in den Morast verbaler Schlammschlachten ziehen zu lassen. Und nun wird diskutiert. Zivil oder aggressiv, Kompromiss oder Revolte … und schon haben es Trump und seine Schergen – anders kann man sie nun wirklich nicht nennen – geschafft, die ohnehin brüchige andere Seite des politischen Spektrums in eine potentielle Selbstzerfleischung zu manövrieren. Ob zwischen der aggressiveren Linken und dem beschwichtigenden Establishment oder zwischen Demokraten im allgemeinen und Trumps Weißnational-Republikanern auf der anderen Seite, es scheint, als würden langsam die Mistgabeln gezückt. Ein Tenor auf Twitter ist, von bestürzten Nicht-Trump-Wählern: „Ich erkenne mein Land nicht mehr, wie konnte es so weit kommen?“ Parallelen zu den Nazis in den 1930er Jahren wurden bereits zu Beginn von Trumps Präsidentschaft gezogen, als man noch kaum ahnen konnte, wohin die Reise genau gehen würde. Nun hat Trump davon gesprochen, wie mexikanische Einwander Amerika verseuchen würden und lässt ihre Kinder in käfigartigen Camps wochenlang ohne ihre Eltern wegsperren. Seine Frau Melania besuchte die Grenze und trug auf ihrem Weg vom Flugzeug und wieder dorthin zurück eine Jacke auf der „I really don't care, do u?“ geschrieben stand. Und, als wenn das noch nicht genug wäre, sang (!) Trump kürzlich auf einer Veranstaltung ein Lied von einer Frau, die eine verletzte Schlange findet, diese wieder aufpäppelt und infolge dessen von der Schlange zu Tode gebissen wird. Denn die Schlange kann nicht anders. Er kündigte vor dem Song an: „Das ist Einwanderung“.

Was das alles nicht ist, ist normal. Oder harmlos. Oder egal. Der Supreme Court hat soeben Trumps Einreiseverbot für Menschen aus bestimmten mehrheitlich muslimischen Staaten genehmigt. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn die Republikaner es nicht geschafft hätten, zu Obamas Amtszeit den von Obama nominierten Merrick Garland zu blockieren. Das oberste Gericht der USA ist nun auf Jahrzehnte hin in den Händen der Republikaner, und wenn die Demokraten es schaffen, sich weiter ebenso unbeliebt zu machen wie Trump selbst, dann wird es keine „blaue Welle“ bei den Midterm Elections im November geben, dann werden die Demokraten weiter in der Minderheit bleiben, und Trump und seine Gefolgschaft können die USA in den weiteren Jahren bequem und unangefochten das Land in eine ultrakonservative, weißnationale Autokratie verwandeln und sich dabei auf demokratische Legitimation durch Wahlen berufen. Das hatten wir doch irgendwann schon mal ...

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Geschrieben von

Ernstchen

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