Eine Schulhofprügelei namens Weltpolitik

#47traitors Das Verhalten gewählter Volksvertreter und mächtiger Spitzenpolitiker auf der Welt gleicht oft einem pubertären Kinderstreit. Das war und ist brandgefährlich.

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Im Jahr 2007, ein Jahr bevor er als Präsidentschaftskandidat antrat, „zitierte“ der republikanische US-Senator John McCain den Song „Barbara Ann“ der Beach Boys folgendermaßen: „Bomb bomb bomb, bomb bomb Iran“. Acht Jahre später findet sich seine Unterschrift auf dem kontroversen Brief, den 47 republikanische Senatoren unter der Leitung von Senats-Erstling Tom Cotton an den Iran geschickt haben. In diesem Brief konstatieren die #47traitors, wie sie mittlerweile auf Twitter genannt werden, dass jegliche Vereinbarungen die die iranische Regierung mit US-Präsident Obama eingehen könnte, null und nichtig wären und nach Obamas Amtsende von einer neuen Regierung wieder zurückgenommen werden könnten. In einer langen Reihe von Blockadepolitik gegenüber dem verhassten Barack Obama erreicht der republikanisch geführte Kongress mit diesem Brief einen weiteren Tiefpunkt. Landesverrat lautet der Vorwurf sowohl vieler Politiker der Gegenseite und einiger Medien, als auch einer Menge aufgebrachter Bürger in den sozialen Netzwerken.

Während also in Russland und Ukraine die Situation sich weiter verkompliziert und die afrikanischen Boko Haram nunmehr auch noch dem IS, der im Irak und Syrien weiter brandschatzt und mordet, die Treue geschworen haben, lässt die republikanische Mehrheits-Opposition in den USA also die Muskeln spielen und schwört ihre Anhänger, sowie den Iran selbst, auf einen weiteren Krieg ein. Dass dieser Brief nur wenige Tage nach Benjamin Netanyahus geradezu kriegshetzerischer Rede vor dem US-Kongress verfasst wurde, ist sicher kein Zufall. Die mehr als 50 Standing Ovations, die der Israelische Ministerpräsident von den begeisterten Kongressabgeordneten erhielt, erweckten bisweilen den Eindruck, die Abgeordneten würden sich einen US-Präsident Benjamin Netanyahu wünschen. Mit vernünftiger, abwägender Weltpolitik haben diese Episoden nichts zu tun. Der Klassenstreber Obama hat in den Bullies seines Landes und den Bullies anderer Länder ewige Erzfeinde gefunden.

Als 2003 der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder dem Kriegspräsidenten George W. Bush seine Beteiligung beim Irak-Krieg verweigerte, reiste Oppositionschefin Angela Merkel in die USA und flüsterte Bush ins Ohr dass das ein Alleingang Schröders sei und dass unter ihr als Kanzlerin er auf Deutschlands volle Unterstützung bauen könnte. Ein vergleichbares Manöver. Unverantwortungsvoll. Unverschämt.

Nun ist durchaus davon auszugehen, dass hinter den Kulissen öffentlich kindischem Weltpolitik-Gezeters eine andere Form von Dimplomatie stattfindet, eine ernsthaftere, eine vernünftigere, eine bodenständigere. Allerdings auch eine, die vermutlich zum überwiegenden Teil von materiellen Verhandlungen geprägt ist: Ich höre auf, dich zu schlagen wenn du mir dein Lieblings-Sammelbild schenkst. Auch das ist Schulhof-Niveau. Das Schlimme ist, dass es hier nicht um ein blaues Auge oder ein schmerzendes Schienbein geht. Es geht hier um die Zukunft, um Leben und Tod, um Krieg und Frieden, letztlich – wenn, wie bei Israel und Iran, Atomwaffen im Spiel sind – auch um the end of the world as we know it.

Die atomare Wettrüstung im kalten Krieg bescherte uns die bisher gefährlichste, unverantwortlichste Schulhofprügelei auf der globalen Bühne: Die Aufstockung der Arsenale bis zu einer Zahl Atomwaffen, die die gesamte Biosphäre des Planeten 40(vierzig!)mal zerstören könnte, war und ist absoluter Wahnsinn, wahrscheinlich der größte Wahnsinn den dieser Planet je gesehen hat. Und er entstand aus einer Art Wettkampf heraus, in dessen Verlauf der Gedanke „Der da kann den Planet viermal ausradieren, dann muss ich so viele Atombomben haben dass ich ihn achtmal ausradieren kann“ offenbar in vielen Köpfen total Sinn gemacht haben muss. Solche Köpfe dürfen nicht in die Position kommen, Entscheidungen für Millionen zu treffen, solche Köpfe gehören in Therapie oder ins Gefängnis!

Und wenn heute wieder Menschen, wie diese 47 Senatoren, aus reinem Antagonismus gegenüber einem Präsidenten, den sie wohl kaum wegen seiner politischen Maßnahmen aus tiefstem Herzen hassen, den Versuch eines friedlichen Abkommens mit einem der wenigen halbwegs stabil gebliebenen Staaten in der massiv instabilen Region Naher Osten, dermaßen sabotieren und zu einem weiteren Krieg dort blasen wollen, nach jahrzehntelanger Erfahrung dass die Kriege in Nahost zu noch mehr Chaos, Tod und Zerstörung in der Region geführt haben, dann wäre ihnen ein Direktoratsverweis zu wünschen, wenn nicht gar ein Rausschmiss aus der Schule namens Macht und Politik. Sie sind weiß Gott nicht die einzigen oder die schlimmsten Schulhofbullies dieser Weltpolitik, aber sie sind zumindest Mitarbeiter des Monats.

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Geschrieben von

Ernstchen

Wortbürger. Musikmann. Mitmensch.

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