Der gemeine Verbraucher trägt den Namen, der ihm zugeteilt wurde, mit Fassung. Es ist ein schäbiger Name, wenngleich natürlich eine ziemlich niederschmetternde Wahrheit darin steckt. Der Verbraucher gebraucht nicht, er verbraucht. Er erwirbt etwas und macht es leer. Oder kaputt. Zu Zeiten in denen noch Waren hergestellt wurden, die 100 Jahre hielten und von Generation zu Generation weitervererbt wurden, fand der Begriff wahrscheinlich noch kaum Verwendung. Konsument, die Fremdwortvariante davon, dient wie bei so vielen Themen sicher ab und zu als Euphemismus, auch wenn "Verbraucher" die wörtliche Übersetzung des lateinischstämmigen "Konsumenten" ist, aber das wissen ja dank unseres sehr fragwürdigen Bildungssystems nur wenige.
Eine spezielle Variante des Verbrauchers ist der Endverbraucher. Er steht quasi am Ende der Nahrungskette, bei ihm finden die Waren/Produkte ihr Ende. Das stimmt natürlich ganz und gar nicht. 40% der Lebensmittel, die wir erwerben, finden ihr Ende „unverbraucht“ im Müll, wie auch Berge von sogenanntem Elektronikschrott, von dem vermutlich weit mehr als 90% wiederverwendbar wäre, wenn der „technologische Fortschritt“ (oder besser: die Werbung) uns nicht dazu anhalten würde, immer das neueste iPhone zu kaufen, den neuesten Flachbildschirm, ja auch das neueste Auto.
In den Morgenstunden des Internet of Things und der Industrie 4.0 schlägt uns derzeit Amazon Prime ein neues Gimmick vor: Den Dash Button. Man klebt sich den per W-Lan mit dem Internet verbundenen Button für das entsprechende Produkt (Klopapier, Rasierklingen, Frühstücksmüsli etc.) an den Kühlschrank, den Badspiegel oder wo auch immer hin, und wenn man merkt dass der Vorrat zur Neige geht, drückt man einfach nur auf den Knopf und Amazon liefert am nächsten Tag Nachschub. Abgesehen davon dass so irgendwann die Straßen mit Amazon-Lieferautos verstopft sein werden (es sei denn Amazon erstreitet sich die Genehmigung für Drohnenlieferungen), hat diese neue Spielart der Faulheitsförderung auch noch einen anderen Effekt. Wir verbrauchen womöglich noch weniger „zu Ende“ als bisher schon, weil wir keine Engpässe mehr bekommen.
Dabei könnten wir* dem zynischen und unwahren Begriff Endverbraucher eine neue, positivere Bedeutung geben: Wir könnten wahre Endverbraucher sein. Die ihre Zahnpastatube so lange ausquetschen bis wirklich nichts mehr drin ist, notfalls auch aufschneiden um die letzten Reste heraus zu kratzen. Und erst dann neue Zahnpasta zu kaufen. Wir wissen doch wie es ist: Sobald die neue Tube da ist, machen wir uns nicht mehr die Mühe, aus der alten noch die Reste herauszukitzeln.
Zwar macht die Tatsache, dass ein neuer Tintenstrahldrucker teilweise billiger ist, als sich neue Farbpatronen zu kaufen, es uns schwer, nicht alles sofort wegzuwerfen. Zwar manipuliert uns die Modeindustrie soweit dass wir permanent neue Klamotten kaufen müssen um auch stets die richtigen „Farben der Saison“ zu tragen. Zwar kaufen wir uns das neue iPhone 6S nur ein halbes Jahr nach dem iPhone 6, obwohl es für den Otto-Normal-User (ein neutraleres Wort als Verbraucher) keine relevant spürbaren Verbesserungen bietet und das iPhone 6 noch lange nicht "kaputt" bzw. verbraucht ist. Wir könnten es anders machen. Mit ein bisschen Geistesgegenwart und – wenn wir mal ehrlich sind – kaum spürbarer Beeinträchtigung des geliebten Lebensstandards könnten wir viel für die Nachhaltigkeit tun. Wir könnten Endverbraucher sein – im besten Sinne des Wortes.
* Erneut verwende ich hier im ganzen Text das bei mir bereits bei anderen Texten massiv kritisierte verallgemeinernde "wir". Mir ist klar, dass es jede Menge Menschen gibt, die bereits versuchen das zu tun was ich im Beitrag vorschlage. Mir ist auch klar dass es Millionen, ja wohl Milliarden Menschen auf der Welt gibt, die gar keine Wahl haben als wahre Endverbraucher zu sein, da sie in tiefster Armut und Hunger leben. Ich nutze "wir" (im Sinne von "die Menschen") nach wie vor zur sprachlichen Vereinfachung, ich denke jeder weiß - spätestens nach diesem Disclaimer - wie es gemeint ist. Vielen Dank.
Kommentare 7
Ich bin Anwender.
Der Endverbraucher ist die Endlösung der Warenfrage
Tatsächlich klingt hier das deutsche Wort positiver als das englische User. ;)
Ja, verdienen "wir" denn alle zu viel Geld, wenn "wir" die Tuben nicht bis zur Neige ausdrücken, um "unseren" Konsum auf eine höhere Frequenz zu treiben? Ich will Arbeitsplätze schaffen, indem ich häufiger ein Smartphone kaufe, Hemden nach dem ersten Fadenschein wegwerfe und Strümpfe nicht stopfe, sondern neue erwerbe. Sogar mit dem Klopapier gehe ich großzügig um. Ohne Warenkreislauf, der läuft und läuft..., schade ich eventuell meinem Nachbarn, der seinen Job verlieren könnte. Das will ich nicht. Ich will ein guter Endverbraucher sein.
Unsere kapitalistische Verwertungsgesellschaft lässt grundlegende Änderungen hier nicht zu, wir sind keine Endverbraucher, nur Turboverbraucher mit einer großen Portion Abfall und Müll. Natürlich kann jeder hier und da sein eigenes Verwertungsidyll schaffen. So lassen sich aber keine grundlegende Veränderungen herbeiführen.
Früher... haben wir alte Batterien immer noch mal auf den Ofen gestellt, um mit der Wärme die letzten Prozente an Energie aus dem Zylinder zu holen.
Ich halte es so: Es gibt zwei Möglichkeiten, etwas zu verändern. Entweder Revolution, oder jeder trägt seinen Beitrag dazu bei, bisschen klüger zu handeln und damit dem Turbokapitalismus langsam und leise den Saft abzudrehen. Was davon funktionieren wird, weiß niemand. Kann man aber nun ja trotzdem machen, sich klüger verhalten. Tut niemandem weg oder?
Hallo Ernstchen,
das Reparieren (lassen) von Dingen, "die's noch tun" hat auch noch ganz andere Vorteile, etwas dass wir ( ich bleib mal im Sprachduktus) beim Aufschrauben mitunter erstaunliche Dinge entdecken oder -was ich jetzt auch nicht unterschätzen würde - dass so mancher vermeintlich kleiner Handwerker doch überlebt z.B. ein Schuhmacher, der mehr kann als Absätze kleben.
Ich finde das durchaus erstrebenswert
Liebe Grüße
Ismene