Es hitlert wohin man liest.

Naziunterstellungen. Derzeit wird scheinbar in jedweder Formulierung nach dem kleinen Hitler in uns allen gefahndet. Soll das etwa zu einer freundlicheren, toleranteren Gesellschaft führen?

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Der Söder muss das aushalten können. Jetzt hat doch tatsächlich die SPD in seinem Satz "Seit heute morgen um 9 Uhr wird geklagt" (es geht um den Länderfinanzausgleich) ein Hitlerzitat entdeckt: "Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen" wäre dann das Original.

Hm.

Unlängst, hier in einem Blog, echauffierte sich der Mit-Community-ist Sönke Paulsen über die momentane Sau-durchs-Dorf-Treiberei der Sorte "Steinbrück hat 'Clown' gesagt! Skandal!", die alle tatsächlichen Themen übertüncht mit ihrem Skandalgeschrei über - wie Herr Paulsen es nannte - verbale Fürze. Er schrieb mit so manch farbiger Metapher und einer insgesamt recht aufgebrachten Wortwahl. Dafür bekam er postwendend diese Reaktion: "so lesen sich sonst neonazi-affine Beiträge".

Hm.

Ich verwendete (verwandt?) neulich in einem Kommentar das Wort "ranwanzen". Daraufhin wurde mir klargemacht dass ich einen Begriff aus dem sogenannten Wörterbuch des Unmenschen gebraucht hatte. Mir war erstens neu dass es so ein Buch gibt - mein Fehler, zugegeben - und zweitens dass "ranwanzen" quasi auf dem Index steht, ich hab bisher auch noch nicht herausgefunden warum es in diesem Buch ist. Es war für mich einfach nur ein Wort. Eines, das ich selten verwende, aber das sich in dem Zusammenhang als passend angeboten hat.

Hm.

Jakob Augstein, der Herausgeber des Freitag und Kolumnist beim Spiegel ist laut dem Simon Wiesenthal Center und Henryk M. Broder von der Welt ein lupenreiner Antisemit.

Hm.

Der von mir hochgeschätzte Mitforist Wolfram Heinrich hatte sich in einem - durchaus auch streitbaren - Beitrag mit dem Aussterben des Wortes "Neger" beschäftigt. Er wurde in den Kommentaren als Rassist beschimpft und ihm wurden unlautere Kommentarsitten (Mehrfachanmeldung mit verschiedenen Nicks) unterstellt, offenbar just for the hell of it.

Hm. Was ich mich nur frage, bei alldem, ist: Was soll das? Was macht es für einen Sinn, wild in der Gegend herumzufuchteln mit dem ausgestreckten Zeigefinger und "Nazi!" zu brüllen? Ich habe für mich da noch keine Antwort gefunden. Es erschüttert mich einfach mit welcher Selbstverständlichkeit hier und anderswo Menschen die man überhaupt nicht kennt eine Sympathie für die schlimmstmögliche Verbrecherideologie untergejubelt wird.

Vielleicht geht es ja darum dass sich durch Worte und Formulierungen auch in "unschuldigen" die Ideologie weiterverpflanzen kann und dann eben unwillkürlich zu Tage tritt, hier und da. Das wäre zu diskutieren. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur dass ich als Musiker, da ich quasi den ganzen Tag und auch in der Freizeit mit Musik zu tun habe, überall Musik höre, in jedem Geräusch könnte ein Rhythmus stecken, in jedem Pfeifton der Beginn einer Melodie. Wenn jemand sich den ganzen Tag mit der "Jagd" auf Nazis beschäftigt, beispielsweise weil er/sie sich in der Antifa oder ähnlichem engagiert, kann es da nicht passieren, dass man plötzlich überall Anzeichen sieht? Und ist das nicht ungesund?

Ich bin froh dass es Menschen gibt, die stark sensibilisiert sind auf Neonazi-Tendenzen, Rassismus und dergleichen. Ohne sie käme vieles nicht ans Licht und könnte sich unbemerkt weiterverbreiten bis es zu einer nicht mehr kontrollierbaren Gefahr für uns alle wird. Aber dabei kann es eben auch passieren dass man über das Ziel hinausschießt. Wenn die Jagd auf Nazis und Rassisten das ganze Leben bestimmt, dann sieht man sie vielleicht auch dort wo sie gar nicht sind.

Lasst uns doch gerne streiten, schimpfen, herumalbern und einander Bälle zuspielen hier in der dFC und auch sonstwo. Aber sparen wir uns doch die Feindseligkeiten!

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Geschrieben von

Ernstchen

Wortbürger. Musikmann. Mitmensch.

Ernstchen

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