Gelbe Säcke im Wind

Plastikmüll Ein bisschen Wind macht unseren Traum von der sauberen Mülltrennung und dem reinen Gewissen zunichte. Diese verflixte Natur!

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Ach, wir guten Bürger. Während im Pazifik sich ganze Inseln aus Plastikmüll zusammengefunden haben und Meeresvögel in Scharen an verschluckten Plastikteilen verenden, begehen wir voller heimlichen Stolzes auf unsere Nachhaltigkeit alle zwei Wochen ein selbstreinigendes Ritual: Am Vorabend der Plastikmüllsammlung tragen wir in trauter Einigkeit brav unsere gesammelten Plastikreste in den so wohlklingend benannten Gelben Säcken hinaus auf die Straße und lehnen sie an die Hauswände - oft gern einen Teil zu Nachbars Haufen, damit wir missbilligende Blicke mit anderen Passanten austauschen können, wieviel Müll doch diese zugereiste Yuppiefamilie alle zwei Wochen fabriziert.

Und doch wird uns immer ein bisschen warm ums Herz wenn wir abends all diese gesammelten Zeugnisse gelebter Mülltrennung überall im Stadtviertel antreffen: Wir tun es, wir retten den Planeten. So schwer ist es ja gar nicht. (Hoffentlich kommt die Müllabfuhr morgen früh bevor wir aus dem Haus gehen, damit wir den ganzen gelben Müll nicht auch bei Tageslicht sehen müssen.) Ja, natürlich landet auch ab und an etwas Plastik im Restmüll, warum auch nicht, schließlich befindet sich dieser ja ohnehin in lauter Plastiktüten. Aber im Großen und Ganzen funktioniert doch das System. Wir haben die Warnsignale ernstgenommen. Wir haben sogar mal auf die Grünen gehört. Hat ein paar Gesetzesinitiativen gebraucht um uns vom Sinn der Mülltrennung zu überred...überzeugen, aber Hauptsache wir haben es geschafft.

Bei den Griechen zum Beispiel, da ist es ja ganz schlimm. Die werfen ja ihren Müll einfach über ihre kleinen schneeweißen Mäuerchen den Hang hinunter. Hab ich selbst gesehen im Urlaub auf Santorini. Und denen geben wir Geld? Und was ist eigentlich mit den Italienern los, in Neapel und so? Da war doch irgendwann mal was mit Müllbergen in der Stadt und völlig vermüllten Straßen. Diese Südländer. Die müssen noch einiges von uns lernen.

Bei uns läuft das reibungslos. Sonntag abend kommen die Gelben Säcke raus, da läuft ohnehin kaum jemand herum, Montag morgen ist das Zeug weg. Eine saubere Angelegenheit. Sauberer Müll.

Nur ab und zu erlaubt sich die Natur einen Anflug von schwarzem Humor und beschließt, des Nachts böigen Wind durch die gelbsackverzierten Straßen zu pfeifen. Plastikmüll ist leicht und die Säcke oft nicht besonders akkurat zugeschnürt. Und so läuft man nach Hause zum hübschen Rascheln der herumfliegenden Plastiktüten und im Wind zappelnden Müllsäcke und beobachtet all die Plastikteile die der Wind aus den Gelben Säcken herausgekitzelt hat und die nun überall auf den Straßen verteilt herumliegen oder vorbeihuschen und uns ein Bild bieten, wie es sonst wohl nur Neapel oder die Weltmeere zu bieten haben.

Anders als auf den Weltmeeren kommen bei uns morgen die Jungs von der Städtereinigung und kümmern sich darum. Manche werden sicher auf den Wind fluchen. Diese verdammte Natur hat ihnen wieder den ganzen Tag versaut. Und man könnte es ihnen nicht mal verdenken. Die machen ja auch nur ihren Job.

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Geschrieben von

Ernstchen

Wortbürger. Musikmann. Mitmensch.

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