Seit einem Jahr nun besetzen Claus von Wagner und Max Uthoff die zuvor von Urban Priol, Georg Schramm und Frank-Markus Barwasser bespielte "Anstalt" im ZDF. Die Verjüngung des Personals brachte dem Kabarett-Format nicht nur den obligatorischen frischen Wind, sondern auch eine erstaunliche thematische Fokussierung und Schärfe. Uthoff und von Wagner setzen weiterhin auf Gastsoloauftritte, jedoch werden die Gäste weit mehr in ein gesamtthematisches Konzept eingearbeitet. Heraus kommt eine monatliche kabarettistische Ensembleleistung die seinesgleichen sucht.
Völlig verdient wurde der Sendung jüngst der prestigeträchtige Grimme-Preis verliehen, besonders für ihre Flüchtlings-Folge im vergangenen November, in der sie einen syrischen Flüchtlingschor auftreten ließen. Anders als ihre Vorgänger setzen die neuen Anstaltsbesetzer auf ein großes, oft emotionales Finale, und immer häufiger wird dieses Finale nicht mit einer kabarettistischen Pointe beendet, sondern mit einem todernsten Ausrufezeichen. Was anderen Satiresendungen oft völlig fehlt - ganz besonders der oft fragwürdigen und viel klamaukigeren Heute-Show - ist Haltung. "Die Anstalt" hingegen ist durchtränkt von Haltung, sie bezieht klar Stellung. Ob zur europäischen Flüchtlingspolitik, zur Presse, zur Rentenpolitik ... oder nun zu Griechenland.
Die aktuelle Sendung, die schon am 24. März live im ZDF laufen hätte sollen aber wegen des Flugzeugabsturzes nur aufgezeichnet wurde und nun am kommenden Dienstag ausgestrahlt wird, nimmt sich 50 Minuten Zeit, um viele Aspekte und unbequeme Realitäten der Situation in und um Griechenland aufzugreifen und in spitze, pointierte Szenen und Kommentare zu formen, die der weit verbreiteten, von BILD und Konsorten unterfütterten oder direkt eingeflößten öffentlichen Meinung fundamental widersprechen. Bis auf ein etwas unscharfes und unbeholfenes Solo von Serdar Somuncu funktioniert hier alles: Eine Kneipenszene in der "die Troika" dem verzweifelten "Herrn Somunculos" ihr Spardiktat erklärt, ein sensationelles Frühlings-Solo von Max Uthoff und das wiederum hochemotionale Ende, das die jüngste Reparationsforderung der neuen griechischen Regierung untersucht und mit einer sehr persönlichen Note abschließt.
Diese Sendung ist Pflichtstoff für die von Uthoff so trefflich benannten "Schmierfinken und Schnapsdrosseln" und doch droht das große politische Kabarett an seiner eigenen Intelligenz zu scheitern. Die Zeitungen ignorieren "Die Anstalt", die wahrscheinlich beste Stunde Fernsehen im öffentlich-rechtlichen TV, ebenso wie diejenigen die sich nur berieseln lassen wollen und aus der BILD, den RTL-News und den sowohl physischen als auch virtuellen Stammtischen ihre Meinung beziehen. Wo die Heute-Show vermutlich politisch kaum interessierte Menschen quasi als Einstiegsdroge einfangen kann, funktioniert die Anstalt nur bei Fortgeschrittenen. Die Gefahr besteht dass so nur Menschen diese Sendung sehen, die ohnehin schon open-minded sind. Und doch besteht die Hoffnung, dass YouTube-Ausschnitte wie die vom syrischen Flüchtlingschor oder der von der ZEIT einstweilig durch Unterlassungsklage verbotenen Passage über Verstrickungen der deutschen Journaille mit der Rüstungslobby über die sozialen Netzwerke mehr Menschen erreichen. Es wäre dieser Sendung so sehr zu wünschen, es wäre den Menschen im deutschsprachigen Raum so sehr zu wünschen. Und, wie im Fall dieser aktuellen Sendung, es wäre Griechenland so sehr zu wünschen.
καλησπέρα
Kommentare 17
Klasse Blog. Spricht mir voll aus der Seele.
Ein kleiner Einwurf nur: und doch droht das große politische Kabarett an seiner eigenen Intelligenz zu scheitern.
Danach haben Sie ja die Gründe aufgezeigt, die dazu führen könnten.
Die eigene Intelligenz ist es nun aber wirklich nicht.
Menno, da bekomme ich direkt ein schlechtes Gewissen nicht alle Sendungen gesehen zu haben. Aber ich werde es nachholen, bevor alles wieder depubliziert wird, versprochen. Die Folge zu den Verflechtungen zwischen Presse und Wirtschaft, die kenne ich beispielsweise. Fand ich großartig! Manchmal ist das irgendwie nicht so mein Humor, muss ich gestehen. Ich arbeite da regelrecht, um die Witze lustig zu finden, hahaha. Ich glaube Kararett und ich passen nicht so zusammen. Meins ist eher so derber Humor, so slap stick, aua, so Monty Python ... Aber ich ziehe es mir rein, über Ostern, alle Folgen Anstalt, yeah. Ernstchen, ich tue es für Dich. Hihi. Grüße, und wieder ein schöner Blog übrigens, gern gelesen. :-]=
Ohne Zweifel hat das, was die "Anstalt" leistet, ein Alleinstellungsmerkmal im deutschen TV. Insbesondere was die von Ihnen als "Haltung" bezeichnete Eigenschaft betrifft; linker ist wohl derzeit nicht drin. Damit changiert diese Sendung allerdings weit über den Bereich der künstlerischen Unterhaltung hinaus. Sie übernimmt Positionen und Attitüden, die eigentlich einer Opposition in der parlamentarischen Demokratie obliegen (was nicht unbedingt ein "Fehler" der Sendung ist, sondern eher auf das streckenweise Versagen der berufspolitischen, linken Opposition verweist). Wahrscheinlich auch aufgrund der - an solcher Aufgabe gemessenen - schmalen Produktionsumstände der Sendung (3 Autoren, von denen 2 auch noch auf der Bühne agieren) fühle ich mich beim Zuschauen manchmal auch etwas unangenehm indoktriniert, so, als sähe ich so etwas, wie etwa eine best-of-Verfilmung der NachDenkSeiten des abgelaufenen Monats. Kabarett kann und sollte doch eigentlich mehr können, oder?
Dass in der Sendung wiederholt authentische Personen neben Kunstfiguren/Kabarettisten auftreten, verfehlt sicherlich nicht seine unmittelbare Wirkung. Ich halte das allerdings insofern für problematisch, als dass diese Wirkung nicht nachhaltig zu sein scheint. Der Ausspruch: "Glotzt nicht so romantisch" (bb) appellierte auch an die emanzipatorische Kraft, welche Künstler, die eine simulierte (künstlerisch geschaffene) Geschichte (Parabel) zu erzählen in der Lage sind, bei einem Publikum erzeugen können. Das erfordert eine künstlerische Qualität und Sorgfalt, die weit über politische Agitation, Propaganda und Versatzstücke des kommerziellen Musicals oder der reality-Talkshows hinausgehen. Der von Volker Pispers beschriebene "Ablasshandel Kabarett" wird m.E. auf diese Weise und ungewollt konterkariert und auf eine stumpfe Spitze getrieben: BILD und Konsorten bekämpft man schlecht, wenn man sich derer Mittel auch nur im Ansatz und kaum reflektiert bedient.
In Ihrer Hymne auf die "Anstalt" und deren Hauptmacher bemerken Sie zwar zu Recht, dass Gast Serdar Somuncu blass blieb (wahrscheinlich ist das ein zu zahlender Preis für einen Kabarettisten, wenn er zu oft und aus reinen Karrieregründen TV-Präsenz mit allen Mitteln anstrebt). Sie erwähnten die tatsächlich nicht schlechte Singvogel-Nummer Max Uthoffs. Sie haben jedoch vergessen zu erwähnen, wie sehr die Qualität der Sendung von den eingeladenen Gästen mitbestimmt wird. Der Österreicher Kaus Eckel und der alte, deutsche & viel zu wenig beachtete Kabarett-Barde Arnulf Rating lieferten Beiträge, ohne welche diese Sendung ziemlich und buchstäblich alt ausgesehen hätte.
Trotzdem habe ich mich über Ihren Beitrag sehr gefreut, denn insgesamt ist die "Anstalt" natürlich - trotz Volkshochschul-, Frontal-, und Nachhilfeunterrichtcharakter, trotz künstlerisch-konzeptioneller Unzulänglichkeiten immerhin der einzig sehende Kyklop unter den Blinden.
MfG - mcmac
Korr.:
..Der Ausspruch: "Glotzt nicht so romantisch" (bb) appellierte auch an die emanzipatorische Kraft, welche Künstler, die eine simulierte (künstlerisch geschaffene) Geschichte (Parabel) zu erzählen in der Lage sind, bei einem Publikum erzeugen können. kann. ..
sorry
Nee, können stimmt schon, doch. Sie können somit sämtliche Korrektur-Kommentare meinerseits bis hierhin (also auch diesen Revidierenden) wegklappen. .. so was aber auch, ts-ts-ts...
Tschuldigung & Danke.
Hallo Ernstchen,
vielen Dank für den Hinweis, hatte auch von der Verschiebung im TV gelesen, freue und wundere mich etwas, dass die Sendung jetzt bereits im Netz steht. Mein Beitrag, zum gleichen Thema, ist vielleicht auch von Interesse.
Die eigene Intelligenz ist es nun aber wirklich nicht.
Naja, Intelligenz ist vielleicht missverständlich. Ich meine wohl eher Komplexität, Doppelbödigkeit, Cleverness ... die Heute-Show macht alles viel offensichtlicher und haudraufmäßig, damit werden die Politikanfänger eher erwischt. Das ändert nichts daran dass sie eine zweifelhafte Politklamauksendung ist, die kein Risiko eingeht. Aber sie spricht mehr Menschen an, for better or worse.
Der "Frontalunterricht" ist vielleicht eine notwendige Antwort auf die Ver-Show-Businessierung der Medien. Wenn die Medien, z.-B. "Jauch"(e) & "Hart, aber (un) fair" u.ä. sich mit Mitteln der manipulativen Verballhornung als "völkische" Beobachter gerieren (Stinke-Jauch z.B.), scheint es mir logisch, dass die "Anstalt" zur Ausnüchterungs-Anstalt werden muss. Dem "humorigen" (sprich: lächerlich machenden) Soft-Porno-Talk kann Kabarett nur mit Humorlosigkeit/ Humor-Verweigerung beikommen, oder ....? Sonst ist es nur eine Variante von Unterhaltung unter vielen.
Kritik habe ich an der Sendung dennoch: das wieder einmal gehäuft aufztretende Klischee der "schwäbischen Hausfrau" ist in meinen Augen so langsam schlicht und einfach Rassismus.
Von einer Sendung mit aufklärerischem Anspruch erwarte ich, dass sie solche Klischees nicht einsetzt, sondern entlarvt. Die "schwäbische Hausfrau" hat nämlich einen Namen (Margaret Thatcher) und eine Nationalität (englisch). Wenn deren Brutal-Neoliberalimus in der hiesigen Umsetzung verniedlichend schwäbisiert und als "Kehrwoche"n-Philosophie absurdisiert wird, dann kann man vielleicht schon mal fragen, was solche Verniedlichung denn wohl bezwecken soll......
Ich würde mal vermuten: Wie bereits beim Antisemitismus der Nazis soll die wachsende Wut über den Kapitalismus kapitalschonend in rassistische Bahnen umgeleitet werden. Kabarett sollte da nicht mitspielen & überhaupt von jeglichem Rassismus absehen....
Ergänzung:
Jetzt habe ich doch glatt was vergessen....
Das Format der "Anstalt" hat einen langjährigen Vorläufer, der in dem ständigen "schwäbische Hausfrau"-Gedöhns leider ständig untergeht: Peter Grohmann und die "AnStifter".
http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Grohmann
Auch für die aktuelle Sendung lieferten die AnStifter sozusagen den Präzedenzfall:
http://www.die-anstifter.de/schlagwort/santanna-di-stazzema/
@mcmac
"fühle ich mich beim Zuschauen manchmal auch etwas unangenehm indoktriniert, so, als sähe ich so etwas, wie etwa eine best-of-Verfilmung der NachDenkSeiten des abgelaufenen Monats."
Das klingt ziemlich blasiert, so gebildet und über den Dingen schwebend, also von oben herab. Kurz, ich könnte mit der Kritik mehr anfangen, wenn sie konkret bezeichnete, was falsch ist, was die Wirklichkeit so entstellt, dass es Ihrer Meinung nicht zutrifft, oder wo für die falsche Seite Partei ergriffen oder eine Seite ungerecht behandelt wurde und warum.
Ihre oben zititierte Formulierung erinnert stark an die frühere inhaltsleere Spöttelei über "Birkenstockträger", wenn man dem Umweltschutz etwas die Luft rauslassen wollte.
Werter Ernstchen,
wenn politisches Kabarett an seiner eigenen Intelligenz zu scheitern drohen sollte, sind, glaube ich, die Messen eh gelesen.
Das würde für mich bedeuten, dass es wirklich nur noch "unmündige Bürger" gäbe, die sich diese Unmündigkeit aber auch noch selbst gewählt haben. Der "mündige Bürger" muß schon etwas für seine "Mündigkeit" tun. Das ihm das Gegenteil sehr oft schmackhaft dargereicht wird, entschuldigt nichts.
Politisches Kabarett braucht intelligente Zuhörer, sonst wird es Comedy.
Aber auch Comedy kann politisch sein, wie gerade die Heute-Show zeigt.
Und auch dort ist eine Richtung festzustellen, die aber anders ist, als bei der Anstalt.
Das eine würde ich als Bespaßung bezeichnen, das andere als Aufklärung.
Was aber auch wieder tiefe Einblicke in die Struktur der ÖR zuläßt, ist die Tatsache, das der Sendetermin der Anstalt immer weiter nach hinten verlegt wird.
Und da möchte ich Einschaltquoten nicht gelten lassen.
Für Jauch und Konsorten sind immer Gelder da.
Werter Seriousguy,
dass die Erwähnung der "schwäbischen Hausfrau" in Zusammenhang mit Schuldenpolitik und Griechenland und Europa nichts mit Rassismus zu tun hat, wissen Sie doch eigentlich auch.
Es geht darum, zu zeigen, dass etwas, was im privaten ökonomischen Bereich sinnvoll ist, nicht notwendigerweise auch im größerem Rahmen sinnvoll sein muß. Und für meine Begriffe zielt es auch nicht auf die schwäbische Hausfrau, sondern auf Frau Merkel, die des öfteren mit dieser Begrifflichkeit hantierte.
Ihren Lokalpatriotismus in allen Ehren, aber man sollte es auch nicht übertreiben.
Danke, Sie haben es noch sehr höflich ausgedrückt. Vielleicht kann die Anstalt aus Befindlichkeitsgründen mal die NRW-Hausfrau nehmen, müsste dann aber erklären, wen sie vertritt: als Symbol halt, dass ein Staatshaushalt eben andere Funktionen hat, als das Familienmodell. Wobei selbst da kreditfianzierte Anschaffungen üblich sind. :-)
Werter Pleifel,
Wobei selbst da kreditfianzierte Anschaffungen üblich sind.
Genau, und wenn ich mich da übernommen habe, kann ich immer noch Privatinsolvenz anmelden.
Schulden müssen zwar in einem gewissen Rahmen beglichen werden, das Haus ist auch weg, es ist für den Betroffenen alles andere als leicht, aber man kommt aus dem Teufelskreis raus. Ich selbst kenne jemand, der es getan hat.
Man hat aber immer noch ein nicht pfändbares Mindesteinkommen und eine Krankenversicherung.
Ähnliches sagte ja Varoufakis damals beim Subversive Festival 2013 in Zagreb, als er den "Finger" zeigte.
Das traurige ist, daß das, was inzwischen als Highlight gepriesen vor einigen Jahren noch der Standard war unter politischen Kabarettisten.
Kann mich noch gut erinnern an das Geschwafel diverser Comedians und Claqueure, politisches Kabarett wäre nicht mehr zeitgemäß und von säuerlich oberlehrerhafter Art. Ganz vergessen wurde dabei, daß deren "politisch" von Kabarettisten immer ein gesamtgesellschaftlich zu Basis hatte. Mindestens. Das ist auch der Unterschied zur Comedy und zu Comedians. Die wollen gar nicht erst übers mindestens hinaus und am Ende reicht der Lacher im Publikum und die Kasse. Danach ist ja schliesslich auch Feierabend.
Übrigens hatte schon Gremliza das Thema Distomo, St. Anna di Stazzema in einer Kolumne thematisiert
"Das Ekel von Bellevue"
Ihre Idee, Schuld von Schulden zu trennen, ist grundsätzlich zu begrüßen - wenn Schuld nicht vererbar sein soll, sollten es Schulden auch nicht sein, weder individuell noch strukturell. Allerdings ist, wer frei von Schuld und Schulden ist, nicht automatisch frei von Verantwortung. Und ganz besonders in diesen historischen Zusammenhängen nicht: Zwar hat Italien zunächst Griechenland überfallen. Allerdings wurden die italienischen Aggressoren umgehend und vernichtend geschlagen. In diesem Punkt griff Hitlerdeutschland ein und okkupierte Griechenland - mit allen bekannten Folgen.
Da wir aber immer noch in einer Welt leben müssen, in der Ihre o.g., zutiefst kommunistische Idee nicht verwirklicht ist, ergibt sich aus dem bestialischen Wüten der sadistischen Deutsch-Nazis - unserer Väter, unserer Mütter gewissermaßen - in Griechenland auch eine vererbare Schuld samt Schulden und Zinsen.
Andernfalls können Sie sicherlich auch erklären, wie es ansonsten sein kann, dass - nachdem deutsche Unternehmen in den USA Anfang des Jahrtausends zunehmend unter öffentlichen Druck gerieten und damit deren umfangreiche Exporte in die USA massiv gefährdet wurden und nachdem die Reparationszahlungsfragen bereits 1953 auf der Londoner Schuldenkonferenz aus deutscher Rechtsnachfolgersicht abschließend geklärt wurden - Schuld und Schulden gegenüber den NS-Sklaven (NS-Zwangsarbeitern) von der Bundesregierung 2001 grundsätzlich anerkannt und finanziell beglichen wurden (soweit man so etwas überhaupt finanziell ausgleichen kann - wie würden Sie, dementsprechend, z.B. den Umstand ausgleichen wollen, dass unter der deutschen Nazi-Besatzung Griechenlands die Säuglingssterblichkeit dort auf unglaubliche 80% stieg?) Wobei natürlich wiederum - und nebenbei bemerkt; wir haben bald zum 70. Mal den 8. Mai - interessant ist, dass man solche Schuld (Schulden) gegenüber sowjetischen Kriegsgefangenen, von denen mindestens 3 Millionen in deutscher Gefangenschaft getötet wurden (durch Genickschuss, druch Hängen, durch Erschlagen, durch Vergasen, durch andere, rechtswidrige und grausame Exekutionen, durch Hunger, durch Krankheit, durch Zwangsarbeit, durch Kälte, durch Hitze etc. pp.) bis heute von seiten des Rechtsnachfolgers des Dritten Reiches, also der Bundesrepublik Deutschland, nicht anerkennen will.
Übrigens (und Sie selbst stellen das ja auch fest, dass es sich um ein unseriöses Argument handelt, was die neoliberale Sprechblase Dieter Nuhr so gerne als witzigen Witz verkaufen möchte) ist die Perfidie, die Feldzüge Alexanders des Großen mit den Verbrechen der Deutschen im Zweiten Weltkrieg gleich zu setzen genau der Gourmet-Giftküche entsprungen, in welcher Leute wie Sarrazin Pegida ungetraft und ungestört bekochen oder Arnulf Baring dem gesamtdeutschen Mittelschichts-Reaktionär via TV-Talkshow seine kruden Ansichten kredenzt. Dass Sie trotzdem diese zynische Bemerkung des Alltagsrassisten Nuhr nun an dieser Stelle doch zitieren, lässt mich daran zweifeln, dass Sie sie selbst für gar so unseriös halten wollen. Aber vielleicht - da Sie ja auf die Historie abheben in Ihrem Kommentarbeitrag, den Kategorien von Schuld und Schulden Schuld zollend in Ihren historischen Betrachtungen und Ihren praktischen Schlussfolgerungen für die Gegenwart - noch dieses: Die Perser haben die griechischen Stadtstaaten immerhin als Erste überfallen. Alexander der Große kam erst ein paar Jährchen später. Oder, um Dieter Nuhr zu zitieren: "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten."
"Die Anstalt" ist tatsächlich "für Fortgeschrittene", wenn man sich vorher "Heute show" und/oder "Extra3" regelmäßig reingezogen hat. Was ich an der Griechenland-Banken-Sendung und an manch anderen bewundere, ist die Klarheit und Schlichtheit, wie Tatsachen dargestellt werden - ob Finanzströme oder Gesetzentext-Auszüge. Sowas würde man sich sonst in einer Nachrichtensendung wünschen. Es erinnert mich deshalb an die End-Phase des "Realsozialismus" in Polen in den 70ern und erst recht 80ern: Da waren Kabaretts die beste und ehrlichste Informationsquelle. Einer der Kabarett-Stars von damals, Jan Pietrzak, sagte umunwunden: "Man mußte nur die Partei-Zeitung aufschlagen und Auszüge vor dem Publikum vorlesen" - und der Saal brüllte vor Lachen.
Ich kritisiere immer wieder "Die Anstalt" ob deren Parteiichkeit (fast Demagogie), fehlender Ausgewogenheit, oft Verallgemeinerungen die bis zur falschen Berichten führen (Bsp: daß die Troika den gr. öff-TV geschlossen hat) - doch dann merke ich: Mann, das ist doch keine Nachrichtensendung, kein Uni-Vortrag, oder eine Pressekonferenz der Regierung, das ist eine Bühnen-Show, ein Kabarett, das sind eben deren Stilmittel.