Helmut Schmidt und der Werteexport.

Menschenrechte. Bei Beckmann waren Helmut Schmidt und Professor Yu-Chien Kuan zu Gast und sprachen über Konfuzius, religiös gestützte Hochkulturen und den Werteexport des Westens.

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http://www.ardmediathek.de/das-erste/beckmann/weltmaechte-der-zukunft-welche-rolle-wird-china-spielen?documentId=14425980

So umstritten er auch bei "Linken" sein mag, ich höre Helmut Schmidt gerne zu. Auch und gerade weil er selten etwas sagt, das irgendeiner unserer aktuellen Volkvertreter aussprechen würde. Nun ging es beim Zuhöronkel Beckmann (der immerhin in seiner Studienzeit ein Kumpel von Helge Schneider war) um China. Und da sagte Helmut Schmidt ein paar diskussionswerte Dinge.

China, sagte er, ist ein diesseitiges Land, eine Hochkultur die sich im Gegensatz zu anderen, vergangenen wie präsenten, Hochkulturen nicht auf eine Religion stützt.

"Sie alle hatten religiöse Vorstellungen, die im Zentrum ihrer Ideologie, ihrer Philosophie standen. Und die Chinesen sind nicht religiös, sie sind diesseits."

An den Konfuzianern ist Schmidt sympathisch, "dass sie anders als die anderen Religionen von Weltbedeutung keine Missionsbefehle erteilen. Die typischen Vertreter der Mission sind die Amerikaner." Die USA würden "am liebsten aus allen Christen machen, aber mit amerikanischem Vorzeichen."

Und die in China stets als dauerverletzt bemängelten Menschenrechte seien keine universellen Werte, so Schmidt. Sie "sind ein Erzeugnis der Ära der Aufklärung im Westen. [...] Warum sollten sie [universell] sein? [...] Dieser Drang nach Belehrung und nach Mission ist eine sehr westliche Art."

In diesem Zusammenhang bezeichnete er Amnesty International auch als nicht überflüssig, aber übertreibend und "in der Gefahr der Arroganz und der Anmaßung": "Ich bin dagegen dass die westliche Kultur sich zum Fürsprecher macht [...] für die ganze Menschheit, und in Wirklichkeit reden sie nur für einen Bruchteil der Menschheit."

Dabei stellt er selbst klar dass er jedes Jahr Amnesty International Geld zukommen ließe, aber er würde den Respekt für andere Kulturen im Westen vermissen. Veränderungen dürften nicht erdrängt werden, sondern ihnen muss Zeit gelassen werden.

Ich bin hier durchaus einverstanden mit der Sichtweise Schmidts. Polemisch gesagt, wir mögen es auch nicht wenn uns jemand sagt wie wir unsere Kinder zu erziehen haben. Der Versuch v.a. Amerikas, dem Nahen Osten "die Demokratie zu schenken", innerhalb ein paar Jahren Krieges, ist spektakulär fehlgeschlagen, auch der arabische Frühling ist nicht so verlaufen wie "der Westen" es sich gewünscht hat.

Und wenn man noch ein wenig weiter zurückgeht, sagen wir mal in die Zeit der Entdeckung neuer Kontinente, sehen wir auch was "unser" Überlegenheitsgefühl was Werte und Religion und Kultur betrifft, angerichtet hat. Hier kommt auch wieder die Religion ins Spiel. Schmidt hat keine Angst vor einer Vormachtstellung Chinas, denn China wird nicht im Zentrum von einer religiösen Ideologie getrieben und ist damit längst nicht so gefährlich und so arrogant wie andere Hochkulturen es waren und sind. Die Angst des Westens vor den Chinesen ist womöglich irrationaler als uns glauben gemacht wird.

Was für mich wieder bestärkt wurde durch diese Sendung ist, dass seine eigenen Werte für universell zu halten, vor allem durch Religion gestützt, eine katastrophale Fehleinschätzung sein kann und man auch sein eigenes Weltbild immer wieder hinterfragen sollte, nicht relativieren, aber hinterfragen, mit Erlebtem vergleichen, gegebenenfalls korrigieren. Das Zusammenleben hier auf unserem Planet ist näher und enger geworden. Da sind absolute Standpunkte viel schneller Konfliktherde als das wohl früher war.

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Geschrieben von

Ernstchen

Wortbürger. Musikmann. Mitmensch.

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