Madam President

Hillary Clinton hat ihre erneute Präsidentschaftskandidatur erklärt. Die erste Frau im Weißen Haus? Die Chancen stehen besser denn je. Doch ist sie auch die Richtige?

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Madam President

Bild: Yana Paskova/Getty Images

Am Ende könnte es auf ein Rennen zwischen Hillary Clinton und Jeb Bush hinauslaufen. Familiendynastie gegen Familiendynastie, beide milliardenschwer gemästet von big business und big money. Es ist ein trauriges Bild, das das politische Amerika abgibt. Seit dem berüchtigten Urteil von 2010 vor dem Obersten Gerichtshof, bei dem der konservativen Lobby Citizens United Recht gegeben und damit der Weg frei gemacht wurde für SuperPacs und damit den unbegrenzten Geldfluss aus Interessensgruppen an die Wahlkampagnen der Kandidaten, sind die USA sogar offiziell eine Lobbykratie. Zwar gibt es auf Landesebene (z.B. WolfPac) und bei einigen Kongressabgeordneten (z.B. Sen. Elizabeth Warren) durchaus Bewegungen, diesen tragischen Zustand einer ehemals stolzen Demokratie (ob verdient stolz oder nicht) zu beenden und die offene, legale Korruption in der US-Politik zu beenden. Doch das derzeitige Establishment, sowohl in Wirtschaft als auch Politik, wird sich „bis zur letzten Patrone“ dagegen stemmen, um den Status Quo aufrecht zu erhalten bzw. noch auszuweiten.

Nun versucht es Hillary Rodham Clinton also noch einmal. Bush. Clinton. Bush. (Obama) Bush/Clinton. So läse sich die Ahnentafel der US-Präsidenten über einen theoretischen Zeitraum von 36 Jahren, bei einer gleichzeitigen Begrenzung einer Präsidentschaft auf maximal 8 Jahre. Aber die US-Bevölkerung stört sich kaum an einem solchen Ausblick. Es gibt Kongressabgeordnete, die bis zu 40 Jahre lang immer wiedergewählt wurden, obwohl sie bereits Jahrzehnte lang ihre Position nur noch aussaßen. Kontinuität und Wiedererkennungswert, so wurde im Jahr 2000 der Ex-Alkoholiker und Tollpatsch George W. Bush ins Weiße Haus „gewählt“. Hillary Clinton war 8 Jahre lang First Lady, danach 8 Jahre lang Senatorin, danach 4 Jahre lang Außenministerin. Sie könnte nun die erste Frau im Weißen Haus werden. Direkt nach dem ersten Schwarzen. Was wie Meilensteine wirkt, ist im Grunde für eine aufgeklärte westliche Industrienation eher peinlich. Aber diesen Schuh können sich viele Länder dieser Kategorie anziehen, mehr vermutlich als die Länder, die nicht in diese Kategorie fallen. Dass ein offen schwuler Mann ein Präsidentschaftsamt bekleidet ist in den USA noch genauso undenkbar wie im Rest der Welt. Dass ein Atheist das Weiße Haus beerbt, das erscheint derzeit völlig ausgeschlossen.

Eine Frau also wenigstens. Ist sie alternativlos? Diejenige die das Los schon vor Jahrzehnten gezogen hat, die erste US-Präsidentin zu werden? Die Auserwählte? Die Politik von Barack Obama, ob nun massiv vom republikanischen Kongress behindert und sabotiert oder nicht, hat viele in Europa wie auch die meisten Anhänger Obamas schwer enttäuscht. Er wirkt eher wie ein moderate Republican als ein Demokrat. Hillary Clinton wäre da kaum anders, wahrscheinlich stünde sie noch weiter rechts als Obama. Ihr Verhältnis zur Wall Street ist weit enger und freundschaftlicher als das des amtierenden Präsidenten. Zwar hat sie sich just dafür ausgesprochen, den immensen Einfluss des großen Geldes auf die Politik eindämmen, gar abschaffen zu wollen, sehr glaubwürdig ist das jedoch nicht, zumal sie dieses Thema zuvor nie prominent zur Sprache gebracht hat und sie außerdem tief und fest im Geldbeutel von big money sitzt.

Im linken Spektrum der USA herrscht offene Skepsis über Hillary Clinton. Deren Wunschkandidatin wäre Senatorin Elizabeth Warren, eine true progressive, die tatsächlich das Herz am rechten Fleck zu haben scheint, und unter Intellektuellen und Liberalen eine richtige Fangemeinschaft hinter sich hat. Offenen Aufrufen zum Trotz lehnt Warren jedoch kategorisch ab, anzutreten, nicht zuletzt wohl weil sie sich aufgrund der milliardenschweren Unterstützung Clintons durch die Wirtschaft kaum in der Lage sähe, sich durchzusetzen, geschweige denn sich überhaupt Gehör zu verschaffen.

Dass die demokratischen Vorwahlen auf Hillary Clinton hinauslaufen werden, scheint gesetzt zu sein, da im Parteispektrum derzeit weit und breit kein überraschender Charismatiker wie Barack Obama zu finden ist. Die vermutlichen Gegenkandidaten Martin O'Malley, Jim Webb und Lincoln Chafee sind nicht prominent genug und in der Bevölkerung – abgesehen von Jim Webb – kaum bekannt. Bekannter ist da schon der parteilose Bernie Sanders, wie jedoch bei allen bisherigen Independents wird ihm keinerlei Chance eingeräumt, sollte er sich aufstellen lassen. Die Wahrscheinlichkeit dass eine Kandidatur Sanders' eher den Demokraten Stimmen kosten und damit den Republikanern zurück ins Weiße Haus helfen würde ist groß.

Wenn man also davon ausgeht, dass das demokratische Ticket an Hillary Rodham Clinton geht – wer wird ihr Kontrahent sein? Derzeit haben drei Republikaner ihre Nominierung bekannt gegeben: Ted Cruz, Rand Paul und Marco Rubio. Weitere sechs werden erwartet: Jeb Bush, Scott Walker, Chris Christie, Mike Huckabee, Rick Santorum, Rick Perry, und weitere drei denken auch darüber nach: Bobby Jindal, Carly Fiorina und Ben Carson. Das bemerkenswerte ist: Außer Jeb Bush und zu einem geringeren Teil Marco Rubio sind die neun erwarteten Kandidaten der GOP allesamt entweder Radikale (Cruz, Paul, Santorum, etc.), oder sehr eigentümliche Persönlichkeiten (Christie, Perry, etc.). Mit Rand Paul ist ein Libertarian dabei, der im gleichen Fahrwasser wie sein Vater Ron Paul, der 1988, 2008 und 2012 in den republican primaries antrat, für ein Ende aller Kampfeinsätze, für die Legalisierung von Drogen, aber gleichzeitig für die Abschaffung von Sozialprogrammen, Bildungspolitik und dergleichen ist. Seitdem er seine Kandidatur offiziell verkündet hat, hat er viele seiner Positionen naturgemäß stark aufgeweicht – er wäre sonst nur eine Extremfigur am Rand, wie sein mehrfach erfolgloser Vater Ron. Ted Cruz hingegen bleibt seiner beängstigend ultrakonservativen, beinahe religiös fanatischen Linie treu. Dass jemand wie er gegen eine Mainstreamkandidatin wie Hillary Clinton siegen könnte, erscheint selbst im derzeitigen Zustand der USA sehr unwahrscheinlich. Die Grand Old Party der Republikaner muss für sich einen Kandidaten oder eine Kandidatin finden, der/die die Herzen der Amerikaner anspricht. Hillary Clinton hat sicherlich einen großen Teil der weiblichen Wählerschaft auf ihrer Seite, aber sie gilt als kühl, selbstgerecht und empathielos. Das war 2008 ihr Untergang, als dem großen Charismatiker Obama die Herzen zuflogen.

Im Grunde genommen ist es aber vermutlich relativ unerheblich, wer ab 2017 im Weißen Haus regieren wird: Ein Radikaler wird es nicht werden, weder in die eine, noch die andere Richtung, im großen und ganzen wird alles beim Alten bleiben. Jedoch: selbst ein teils Vernunftbegabter wie es Barack Obama trotz allen Unkenrufen ist, der einen offenbar guten (noch nicht unterschriebenen) Deal mit dem Iran erreicht hat, läuft stets Gefahr von einem kriegslüsternen Mob im Kongress, sattgefüttert von der Waffen- und Militärindustrie, erpresst und sabotiert zu werden. Wenn Hillary Clinton ihre Ankündigung, den Einfluss des Geldes auf die Politik einzudämmen, wahrmachen würde, könnte sie eine große Präsidentin sein. Doch noch liest sich eine solche Vorstellung wie ein Märchen.

* Es steht einer potentiellen Präsidentin frei ob sie "Madam President" oder "Mrs. President" genannt werden möchte. President Laura Roslin in der mit einem Peabody Award ausgezeichneten SciFi-Serie "Battlestar Galactica" (2003-2009) nannte sich "Madam President".

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Geschrieben von

Ernstchen

Wortbürger. Musikmann. Mitmensch.

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