USApocalypse now?

Trumps Amerika Tillerson, Dowd und jetzt McMaster: Die Ratten verlassen das sinkende Schiff? Oder bereitet sich Trump auf Krieg mit Nordkorea vor?

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Mit wem wird sich Donald Trump wohl als nächstes umgeben? Eines scheint sicher: es wird immer gruseliger
Mit wem wird sich Donald Trump wohl als nächstes umgeben? Eines scheint sicher: es wird immer gruseliger

Foto: Kevin Dietsch-Pool/Getty Images

Seit dem Wahlkampf 2015/16 berichte ich nun regelmäßig über US-amerikanische Politik, gefüttert von einer seltsamen Mischung aus Faszination und Abscheu, Belustigung und Angst. Seit Trump im Amt ist, fällt es mir immer schwerer, punktuell besondere Ereignisse zu kommentieren, so viel passiert jeden Tag in diesem Land das mehr als jedes andere sich als Panoptikum für jegliche menschliche Neigung eignet. Vom absoluten moralischen Bankrott des Politikbusiness, besonders exemplarisch am Beispiel der Republikaner unter Trump verdichtet, bis zu ermutigenden, in Deutschland kaum vorstellbaren Graswurzelbewegungen wie dem Aufkeimen progressiver Politik von unten im Stil eines Bernie Sanders, der Justice Democrats und anderer Gruppierungen, oder der von Schülern aus Parkland initiierten Schusswaffenregulierungs-Bewegung bieten die USA eine Breite an Phänomenen, die derzeit bipolarer nicht sein könnten.

Dass Trump, nun etwas mehr als ein Jahr im Amt, bereits mehr als ein Dutzend seiner Top-Kabinettsmitglieder und -Funktionäre ausgetauscht hat, erinnert auf absurde Weise an den Catchphrase seiner Reality-TV-Show "The Apprentice": You're fired.

Ob nun vorgeblich freiwillig zurückgetreten oder öffentlich - z.B. per Tweet - entlassen, die "ethischen Säuberungen" in Trumps Weißen Haus, resultieren in einer sich immer mehr zum nepotistischen Hardliner-Gruselkabinett entwickelnden Führungsriege, zu der nun mit dem neuen Sicherheitsberater John Bolton der bisher härteste Kriegstreiber gestoßen ist. Bolton war der größte Befürworter des Irak-Krieges 2003, äußerte mehrfach seine Verachtung für die Vereinten Nationen und Internationales Recht und hat sich in letzter Zeit klar für einen - potentiell nuklearen - Erstschlag gegen Nordkorea ausgesprochen.

Gleichzeitig ist der Weggang von Außenminister Tillerson, Sicherheitsberater McMaster und auch Trumps Anwalt Dowd ein Hinweis darauf dass die Ratten das sinkende Schiff verlassen könnten, während Sonderermittler Muellers Schlinge sich fester zuzieht.

Noch traut sich Trump nicht, Mueller zu entlassen und prominente Republikaner wie Lindsay Graham sprechen sich bereits öffentlich dafür aus, über ein Amtsenthebungsverfahren nachzudenken, sollte Trump diesen Schritt tatsächlich wagen. Bei Trump kann man nie wissen, er hat oft genug bewiesen ein impulsiver Dickkopf ohne ausreichendes Verständnis für Konsequenzen zu sein. Und es wäre nicht das erste Mal dass ein Krieg begonnen würde um von einem Skandal abzulenken, daher ist die Nominierung des Kriegstreibers Bolton zu diesem Zeitpunkt wohl kaum Zufall.

Während jedoch die Nicht-Trumpwähler in den USA zusehends lauter ihre Sorgen und Ängste (bis hin zu regelrechter Panik) äußern, bleibt Trumps Basis ihrem Idol treu. 44% Zustimmung in der Bevölkerung hat der Präsident derzeit, das ist wenig verglichen mit den meisten seiner Amtsvorgänger, jedoch kaum höher oder niedriger als zu anderen Zeitpunkten seiner bisher 14 Monate im Amt. TV-Prediger huldigen dem "von Gott selbst erwählten" Messias, der die Diktatur der angeblich linken Medien und des politischen Establishments niederreißen soll, trotz Trumps nicht enden wollender Serie von Skandälchen, zuletzt die Geschichte seiner Affaire mit Pornodarstellerin Stormy Daniels, die bei demokratischen Politikern die Republikaner zu schäumend hasserfüllten Rücktrittsforderungen veranlasst hätten, während bei Trump die selbsternannten Hüter der christlichen Moral konsequent schweigen oder Ausreden erfinden. Dass Trump in der Zwischenzeit ausschließlich Erleichterungen für die reiche Oberschicht durchgeboxt hat und bis auf das Einreiseverbot für Menschen aus muslimischen Ländern und Steuersenkungen (hauptsächlich für Reiche und multinationale Konzerne) quasi keines seiner Wahlversprechen gehalten hat, scheint seine Wählerschaft ebenso nicht zu kümmern. Trumps "fake news"-Rhetorik hat das dreiste Lügen, das von den Republikanern und Fox News, Breitbart, Infowars etc. bereits vorher fleißig geübt wurde, salonfähig gemacht.

Zuletzt warf er Robert Mueller vor, sein Ermittlungs-Team bestünde nur aus Demokraten und wäre daher lediglich eine parteiische "Hexenjagd", wie er wiederholt in Großbuchstaben auf Twitter herauspolterte. Dabei ist Mueller selbst Republikaner, wie auch diverse andere Mitglieder seines Teams. Eine leicht zu falsifizierende Aussage also, doch Trumps Anhänger wurden so dazu erzogen, die Medien und deren Fact-Checking als Lügenpresse und Fake News abzutun, dass Trumps "alternative Fakten" sich in den Gehirnen der Trump-Wähler als "die echte Wahrheit" einbrennen.

All das bringt die Republikaner und all ihre ultrarechten Polterer allerdings auch dazu, Gegenwind wie von den Parkland-Schülern derart unverblümt und unbekümmert abzuwatschen ("Lesben-Skinhead!", "Alles Schauspieler!"), dass diese sich nur noch mehr aufgepeitscht fühlen und noch kompromissloser ihre Forderungen stellen und dabei die Mehrheit in der Bevölkerung hinter sich haben. Morgen findet der von den Schülern organisierte landesweite "March For Our Lives" statt, der gute Chancen hat, zur größten Demonstration in der Geschichte der USA zu werden und mit einem solchen Erfolg es auch zu schaffen, die vor der Waffenlobby durch die Bank stets kuschenden Gesetzgeber tatsächlich einmal unter richtigen Druck zu setzen.

Die Vereinigten Staaten sind polarisiert wie kaum je zuvor. Es ist derzeit alles denkbar: Dass Trumps Hardliner-Regime Kriege mit Nordkorea und dem Iran anzettelt. Dass Robert Muellers Ermittlungen Trump und seine engsten Vertrauten der unerlaubten finanziellen Geschäfte mit russischen (oder auch saudi-arabischen und israelischen) Oligarchen etc. überführt und es zu Neuwahlen kommt. Dass bei den Midterms im Herbst die Demokraten das Repräsentantenhaus oder sogar den Senat zurückerobern, Trumps Team dann zur "sitting duck" wird und Trumps Selbstsucht ihn in die Arme von demokratischen Gesetzgebern treibt. Alles ist möglich. Das ist einerseits erfreulich, andererseits furchteinflößend. Wir hier in Deutschland können kaum mehr als zuschauen und daraus lernen.

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Geschrieben von

Ernstchen

Wortbürger. Musikmann. Mitmensch.

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