Die deutschen Männer sind zum Arbeiten gekommen, darauf legen sie Wert, sie betonen es immer wieder. Ihre Gesten erzählen aber doch eine andere Geschichte. Pionieren nicht unähnlich, karren sie schwere Maschinen und Werkzeuge an, im Lager, wie sie ihr Bauwagen-Camp nennen, wird eine Deutschland-Flagge gehisst. Gleich bei der ersten Begegnung mit einer einheimischen Gruppe badender Frauen kommt es zum – nicht nur – kulturellen Clash. Der grobe Machismo des unter Druck stehenden Vorarbeiters Vincent (Reinhardt Wetrek) steht dessen aufrichtigem Wunsch nach Kontaktaufnahme entgegen. Sein imperialistisches Gebaren verteidigt er mit einem Argument aus der Entwicklungshilfe: „Wir bringen hier Infrastruktur mit rin.“ Der Bau des Kraftwerks in der bulgarischen
der bulgarischen Provinz kommt indes schleppend voran, mal lässt eine Lieferung Kiesel auf sich warten, mal versiegt das Wasser.Die Landschaft in Bulgarien nahe der griechischen Grenze ist rau und hügelig, zwischen schroffen Felsen öffnen sich weite Perspektiven: eine Westernlandschaft, wie sie im Osten steht. Der „Feinmotoriker“ Meinhard (Meinhard Neumann), ein schweigsamer Ex-Söldner mit sehnigem Körper und souveränen Posen, sieht in dieser Kulisse frappierend gut aus – oder macht erst die Umgebung aus ihm diesen Mann?Valeska Grisebachs Film Western ist mit Ausnahme weniger Szenen ein Outdoor-Film, nicht zuletzt lebt er vom Zusammenspiel von „großer“ Landschaft und deutscher, etwas piefiger Männlichkeit. Das eine macht was mit dem anderen, in so einer Landschaft steht und sitzt man schon mal ganz anders, und so hat Meinhard auf der „Veranda“ – die Beine lang ausgestreckt und über Kreuz – auch ein bisschen was von der Strahlkraft eines Henry Fonda. Meinhard ist es, der als Erster die frontier zum nahe gelegenen Dorf passiert: auf einem Schimmel.Pferde, Waffen, KämpfeIm einzigen Laden bekommt er erst mal keine Kippen. Lässt sich nicht beirren, macht stoisch sein Ding, schüttelt ein paar Hände und versucht über die Sprachbarrieren hinweg mit zwei Männern ins Gespräch zu kommen. Bekommt dann doch noch seine Zigarette. Und sitzt sehr zum Missfallen seiner deutschen Truppe schon bald mit den Einheimischen am Tisch, hilft den Männern beim Mäuerchenbauen und den Frauen beim Tabaktrocknen. Oder unterhält sich mit seinem neuen „Freund“ Adrian (Syuleyman Alilov Letifov) über die Freiheit, den Planeten und die Familie.Die kaum vermittelbare Kollision der Sprachen führt in Western durch die Untertitelung des bulgarischen Dialogs zu einer eigentümlich privilegierten Betrachterposition: Für die Zuschauerin sprechen Deutsche und Bulgaren tatsächlich miteinander – oder genauer: wild aneinander vorbei –, für die Beteiligten ist es ein beständiges Ringen um Vermittlung und Verstehen. Mitunter von anrührender Komik.Grisebach verwebt in Western die beiläufige wie präzise Milieustudie von Arbeits- und Dorfalltag, dramaturgisch vollführt der Film eine beeindruckende Verschränkung von offener Erzählung und fast klassisch gebauten plot points – mit archetypischen Motiven des Genres: Ankunft der Fremden, Begegnung zweier Gruppen, Mittagshitze, Abende am Lagerfeuer, Pferde, Waffen, Faustkämpfe. Und: das Duell. Meinhards Grenzgängertum, die unangestrengte Interaktion mit den „Dorfis“ und das Anbandeln mit der Tochter des Vorstehers, für die sich auch Vincent interessiert, wird von Letzterem misstrauisch beäugt. Doch auch bei den Bulgaren, mit denen Meinhard Freundschaft schließt – das Wort „Legionär“ als Eintrittskarte in die Gemeinschaft –, ist seine Position fragil.Das Kino hat in den letzten Jahren in verschiedenen Kontexten den Western für sich entdeckt, in der abgeschiedenen Bergwelt der Türkei, in den Cevennen, bei Heinrich von Kleist. Grisebachs Aneignung des Genres funktioniert anders: Trotz referentialistischer Ambitionen – die Liebe zum klassischen US-Western ist offensichtlich, an den diversen Sub- und Spätgenres hat sie sichtbar kein Interesse – scheint es der Regisseurin vor allem um die Reaktivierung einer archetypischen Ikonografie im Dienst eines Gegenwartstextes zu gehen.Mit dem, was man Thesenkino nennt, hat das gar nichts zu tun. Western ist ein schön beobachtender Film über Ressentiments und Fremdheitsgefühle, der seine Aktualität aus der Situation heraus entwickelt: ortspezifisches Kino, mit einer Sensibilität für Männerkörper und Sprechweisen. Wie schon in Mein Stern (2001) und Sehnsucht (2006) hat Grisebach nur mit Laiendarstellern gedreht. Die Bulgarinnen und Bulgaren stammen fast alle aus dem Dorf Petrelik, dem Drehort des Films, die deutschen Männer sind im Wesentlichen aus Ostberlin (und teilen mit den „Fremden“ die Erfahrung des Sozialismus).Ziemlich toll berlinert der Cast eine so sperrige wie gewitzte Form der Alltagsprosa zusammen, die man im hiesigen Sozialdrama vergebens sucht – das Arbeitermilieu wird im deutschen Kino ja immer gleichgesetzt mit Spracharmut und Vulgärrhetorik. Grisebach zeigt die Männer in ihrer Ambivalenz: ein wenig derb, ein wenig melancholisch, von Überlegenheitsgefühlen wie von romantischen Sehnsüchten getrieben. Western ist auch ein Film der zärtlichen Gesten.Placeholder infobox-1