Es muss schlimm sein, schweißgebadet aus einem Traum aufzuwachen, in dem man auf dem Boden liegend zu einem zarten Wesen mit roten Lippen aufblickt, das einem seinen High Heel in die Brust rammt. Furchtbarer noch, wenn die Anzeichen aus dem Traum über den Frühstückstisch kriechen, weil eine Studie in der Zeitung den nächsten vermeintlichen Beweis für eine neue Mädchenelite vermeldet. Vor diesem Szenario scheinen geschlechterpolitische Fragen aus einer dem Feminismus entgegengesetzten Richtung an Relevanz zu gewinnen und zur verführerischen Fluchtperspektive vor überhandnehmender Weiblichkeit zu werden.
Der Maskulismus, die Betrachtung des Geschlechterverhältnisses mit dem Ziel der Beseitigung von männlicher Diskriminierung, ist in den 80er Jahren als Antonym zur Frauenbewegung entstanden. Die zugrunde liegende These ist in erster Linie, dass Männer von Frauen unterdrückt werden. Was nach verkehrter Welt aussieht, meinen die Protagonisten ernst. Dabei treten sie meist unter dem Deckmantel der digitalen Anonymität in Internetforen auf, wo sie sich gegenseitig in ihrer Wut auf starke Frauen bestätigen. Manche kommentieren auf feministischen Blogs, deren Autorinnen sie – die Killerphrase – Frigidität unterstellen.
Verkehrte Welt
Wenn die Debatte nicht schon so voller Vorurteile und von Niveaulosigkeit geprägt wäre, würde man die Männer gern bei der Hand nehmen und einiges klarstellen. Der Mangel an Verständnis der Situation, aus dem sich Maskulismus nährt, setzt dort ein, wo eine Frau mit rotem Kussmund und High Heels als Bedrohung empfunden wird. Sie ist eine mediale Inszenierung, von Werbeagenturen ins Leben gerufen, um Produkte abzusetzen. Nicht mithilfe eines qualifizierten Statements zu Rollenbildern, sondern durch die Darstellung einer Frau als Objekt. Der Mangel an Verständnis gipfelt in der Auffassung von Feminismus, nach der das Weib nur im Sinn hat, grausam die Herrschaft über das männliche Geschlecht an sich zu reißen.
Klingt nach 19. Jahrhundert. Liebe Maskulisten, würde man gerne sagen, habt keine Angst! – Wenn man als Frau nicht selbst in einer Position wäre, die keine generösen Gesten erlaubt. Vor dem Strom von Meldungen in konservativen Medien über benachteiligte Schuljungen und Abiturientinnenquoten treten Aufstiegshindernisse von Frauen in den Hintergrund. Untermalt wird die Geschichte von benachteiligten Jungs durch das spezifische Förderungsprogramm unter Federführung von Kristina Schröder. Dabei ist es noch nicht an der Zeit, dass die Frauenförderung abgelöst werden könnte. Gleichberechtigung ist noch lange nicht erreicht, wenn ein paar Prozent mehr Mädchen für hochschulreif befunden werden und später diejenigen sind, die maßgeblich Verantwortung für Küche und Kinder tragen. Und es geht genau darum: um Gleichberechtigung. Welche intelligente Frau träumt allen Ernstes davon, einen Mann vor sich im Staub liegen zu sehen? Wahre Größe von Männern wird auch aus weiblicher Sicht eher dort zu verorten sein, wo Frauen als stark, aber nicht als stärker oder schwächer wahrgenommen und akzeptiert werden. Augenhöhe eben – nicht mehr, aber auch kein Stück weniger.
Eva Ricarda Lautsch studiert Jura und bloggt über feministische Themen auf stadtpiratin.blogspot.com und freitag.de
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