Klima-Geschichte

Eunice Foote: die Feministin, die den Treibhauseffekt entdeckte. "Wissenschaft hat kein Herkunftsland und kein Geschlecht"

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Warum ist es eigentlich auf einem Berg-Gipfel kälter als unten im Fluß-Tal? Und warum mag auf den Tragflächen eines Flugzeugs in 10.000 Metern Höhe niemand sitzen, selbst wenn er frei von Flug-Scham ist? Warum herrschen dort oben Temperaturen von ca. minus 55°C, obwohl man doch deutlich näher an der Sonne ist, als hier unten? Warum kühlt es nachts bei bewölktem Himmel weniger ab, als unter sternenklarem Himmel? Eine Wissenschaftlerin und Frauenrechtlerin kann uns weiterhelfen, denn sie beschäftigte sich mit der Physik verschiedener Gase: Eunice Foote (*17.7.1819 Goshden, Conneticut - † 30.9.1888 Lenox, Massachusetts).

Die Atmosphäre wird hauptsächlich von der Erdoberfläche her erwärmt, die von der einfallenden Sonnenstrahlung aufgeheizt wurde und ihrerseits langwellige Wärmestrahlung zurück an die darüber liegende Atmosphäre reflektiert. Mit zunehmender Höhe und abnehmendem Luftdruck - also weniger Moleküle pro Kubikmeter – wird die Atmosphäre durchlässiger für die Wärmestrahlung, also ist es oben kälter.

Das erkannte bereits Eunice Foote, die in den 1850-ern einige bahnbrechende Entdeckungen zur Wirkung der Sonnenstrahlen auf verschiedene Gase machte - welche sie jedoch nicht selbst auf dem Kongress der Amerikanischen Vereinigung zur Förderung der Wissenschaft (American Association for the Advancement of Science, AAAS) am 23. August 1856 in Albany, New York, vorstellen durfte. Ihr fehlte nicht etwa die wissenschaftliche Qualifikation, sondern nur ein Y-Chromsom, weshalb ein Mann ihre Ergebnisse vortrug: Josef Henry, der Leiter der Gesellschaft, die man „Triple A-S“ ausspricht. Kuriosum an Rande: Ihr Ehemann, Elisha Foote, hingegen durfte seine Forschungsergebnisse präsentieren, ebenfalls über Gase - als Richter, Erfinder und Mathematiker. Seine Erkenntnisse wurden auch in den jährlichen Proceedings der Forschungs-Gesellschaft aufgenommen, die veröffentlichte Sammlung der Präsentationen, welche auf den Jahrestagungen vorgestellt wurden – was seiner Frau ebenfalls verwehrt wurde. Später im Jahr 1856 wurde eine Kopie ihrer Präsentation im Journal of Science and Arts veröffentlicht.

Mit Glaszylindern, die Eunice Foote mal in die Sonne und mal in den Schatten stellte und in die sie verschiedene Gas-Mischungen und Thermometer unterbrachte, fand sie Erklärungen für Phänomene, die unseren Alltag bestimmen. So erwärmte die Sonne komprimierte Luft deutlich stärker als die unkomprimierte im Vergleichsglas. „Dieser Umstand muss die Kraft der Sonnenstrahlen an verschiedenen Orten beeinflussen und dazu beitragen, dass sie auf den Gipfeln der hohen Berge schwach wirkt“ schrieb sie 1856. Wer diesen Satz bis in Flughöhe weiterdenkt, dem wird kalt, beim Gedanken an einem „Standby-Flug“ auf der Tragfläche.

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Bildquelle: Global Warning

Auch eine höhere Luftfeuchtigkeit, also mehr Wasserdampf in der Luft, führte zu stärkerer Erwärmung als in trockener Luft.

„Den stärksten Effekt der Sonnenstrahlen fand ich jedoch bei Kohlendioxid Gas“ das mit gewöhnlicher Luft verglichen wurde. Schon damals erkannte Eunice Foote die Dimension ihrer Entdeckung und erklärte im Rückblick auf die Erdgeschichte: Eine Atmosphäre dieses Gases [CO2] würde unserer Erde hohe Temperaturen bescheren; Und falls, wie einige vermuten, das Luftgemisch während einer Epoche der Erdgeschichte einen größeren [CO2-] Anteil hatte als heute, muss sich zwangsläufig eine erhöhte Temperatur ergeben haben.“ Foote war ihrer Zeit um Jahre voraus. Was sie beschrieb, war exakt das, was wir heute den Treibhauseffekt nennen.

Bis heute wundert sich die wissenschaftliche Community darüber, dass John Tyndall, der immerhin in der selben 1856-er Ausgabe des Journal of Science and Arts einen Aufsatz (über Farbenblindheit) veröffentlichte, die Arbeit von Eunice Foote nicht zitiert hat, als er drei Jahre später zum selben Thema einen Artikel veröffentlichte. Dieser brachte ihm und nicht ihr den Ruhm ein, der Entdecker der unterschiedlichen Infrarot-Aktivitäten, also der Wärmestrahlen-Absorptionsfähigkeit, diverser Gase zu sein. Bis heute rätseln WissenschaftlerInnen: Hat er ihre Arbeit nicht zur Kenntnis genommen oder bewusst unterschlagen? Im Gegensatz zu John Tyndall hat Eunice Foote allerdings explizit darauf hingewiesen, dass es einen Zusammenhang gibt, zwischen den physikalischen Eigenschaften der Infrarot-aktiven Gase, deren Konzentration in der Atmosphäre und dem Klima in vergangenen und zukünftigen erdgeschichtlichen Epochen.

Für alle, denen sowohl der Klimaschutz als auch die Gleichberechtigung am Herzen liegt, gibt es an dieser Stelle gute Nachrichten:

An der Filmemacher-Fakultät an der Londoner Goldsmith University hat sich eine Gruppe Studierender der Sache angenommen und in einem sehenswerten Kurzfilm Eunice Footes Geschichte erzählt: Global Warning. In eindrücklichen Schlüsselszenen wird überdeutlich, wie hinderlich es ist, der Hälfte der Menschheit per se die Fähigkeit zu wissenschaftlichem Denken abzusprechen. Der Film wird diejenigen berühren, die auch 163 Jahre nach den Ereignissen nachempfinden können, wie tumbe Ignoranz der Wissenschaftlerin und Frauenrechtlerin die Zornesfalten auf die Stirn getrieben haben. Es ist ein 12-minütiges Lehrstück über Gender-Darwinismus im Wissenschaftsbetrieb entstanden, in dem - früher mehr als heute - nicht zwangsläufig diejenigen sich durchsetzen, die die Forschung bestmöglich voranbringen, sondern durchaus auch mal diejenigen, deren Selbst-Marketing und Durchsetzungsvermögen am erfolgreichsten ist. Mit bestechendem Spürsinn für das Dauerfeuer subtiler Gesten der Geringschätzung lässt uns der Film Eunices ohnmächtige Wut nachempfinden, die sie innerlich schier zerreißt, jedes Mal wenn Josef Henry, der Leiter der Wissenschaftsvereinigung sie – ohne es überhaupt zu bemerken – aufs Unhöflichste, Verletzendste ignoriert. Der Big Shot ahnt noch nicht einmal, dass ihn hier jemand anspricht, der mehr weiß als er selbst. Und man leidet mit dem Ehemann der Frauenrechtlerin, der zwischen allen Stühlen sitzt: er will ihr helfen, weil er begriffen hat, wie großartig ihre Entdeckung ist. Doch gefangen in Konventionen wagt er es nicht, den Ranghöheren zurecht zu weisen und einen fairen Umgang auf Augenhöhe einzufordern.

Ein Etappensieg für die wissenschaftliche Erkenntnis einerseits und der aufkeimende Ansatz von Gleichberechtigung andererseits, wird in dem Moment spürbar, da Eunices Entdeckungen zum Treibhauseffekt am 23. August 1856 vor der versammelten Wissenschaftselite vorgetragen wurde. Zwar war es Josef Henry, der an ihrer Stelle am Rednerpult stand, doch ausgerechnet von ihm wurden die einleitenden Worte überliefert: “Wissenschaft hat kein Herkunftsland und kein Geschlecht. Der Wirkungsbereich der Frau umfasst nicht nur das Schöne und das Nützliche, sondern auch das Wahre.“

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Noch tourt der Film Global Warning auf diversen Kurzfilm-Festivals, bevor er einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird. Ein Trailer ist bereits zu sehen

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Prominente Unterstützung für die jungen Filmemacher des Global Warning-Filmprojekts: Christiana Figueres Olsen, Ex-Generalsekretärin des Sekretariats der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC): "Es war eine Frau, eine Wissenschaftlerin, die zum ersten Mal die Wärme-Fallen-Wirkung unserer Gase entdeckte. Das ist eine wichtige Geschichte, die erzählt werden muss - hundertfünfzig Jahre später. Nicht nur für die Lektionen von damals, sondern weil wir heute daraus lernen: Wie ermächtigen wir Frauen? Wie gewähren wir, dass ihre Stimme gehört wird?"

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Weitere Informationen zu Physik der Treibhausgase: https://www.freitag.de/autoren/evastegen/dat-is-physik

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