Sonderbare Atom-Finanz-Transaktion

Areva-Skandal: Eine äußerst seltsame Transaktion von 170 Millionen Euro zwischen Areva und dem Finanzspekulanten Monsieur Michel-Yves Bolloré

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Eingebetteter Medieninhalt

Im französischen Magazin Reporterre erschien Anfang Oktober 2017 ein detaillierter Bericht über die Hintergründe zum Skandal um die Metallurgie-Betriebe des französischen Atomkonzerns Areva. Das Ergebnis der Recherchen der Journalistin Émilie Massemin (Reporterre) ist im Folgenden in deutscher Übersetzung nachzulesen.

Teil 1: Eine äußerst seltsame Transaktion von 170 Millionen Euro zwischen Areva und Monsieur Bolloré

Im Jahr 2003 hätte Areva die Fabrik für Nuklearkomponenten in Le Creusot für „einen Apfel und ein Ei“ kaufen können. Areva zog es vor, sie Michel-Yves Bolloré zu überlassen um sie dann doch drei Jahre später für 170 Millionen € zurück zu kaufen. Im Zentrum der Machenschaften steht eine Fabrik, aus der defekte Teile für den Atomreaktor EPR in Flamanville heraus kamen ...

Auf der Terrasse des kleinen Restaurants in Cannes schwebt ein angenehmer Geruch von gegrilltem Fisch. Auf der anderen Seite der Palisade wird der sonnige Strand durch das Lachen der Sommergäste belebt. Aber Jean-François Victor hat eine finstere Mine. Der elegante Siebzigjährige dreht eine Zigarette und lässt die ganze Geschichte nochmals revue passieren: den Kauf der l’Unité Industrielle de Grande Mécanique (UIGM) von Le Creusot (Saône-et-Loire) durch Areva (zu mehr als 95% staatseigen) im Jahr 2006 für 170 Millionen Euro, während AREVA es für einen Spottpreis drei Jahre zuvor hätte kaufen können. Der große Nutznießer dieses Paktes, Michel-Yves Bolloré, älterer Bruder des Finanz-Investors Vincent Bolloré und seit 2003 Inhaber der UIGM: beim Rückverkauf des Betriebs an Areva sackte er mehr als das Fünfzehnfache seines investierten Betrags ein. Wie konnte sich der Atomkonzern auf eine solch ruinöse Operation einlassen?

Rollen wir diese intrigante Geschichte, die sich heute in den Herstellungsfehlern der EPR-Reaktorteile zeigt, noch einmal auf. Im Jahr 1999 besaß Framatome, das 2001 in Areva aufging, in Creusot einen Umform-Betrieb, den man loswerden wollte. In eben dieser Fabrik, findet die letzte Produktions-Stufe eines Nuklear-Bauteils statt, nach dem Gießen des Gußblocks und dem Schmieden. Framatome ging auf die Firma SEEB mit Sitz in Saône-et-Loire zu. Im Jahr 2001 gründeten Framatome und SEEB gemeinsam die UIGM. SEEB besaß 60% der Anteile und Framatome, jetzt Areva, hielt 30%.

Aber die Schwierigkeiten häuften sich sehr bald. Im September 2002 verzeichnete die UIGM einen Nettoverlust von über 200.000 €. Jean-Claude Lajugie, Geschäftsführer von SEEB und Leiter der UIGM, beschließt, sie abzugeben. Er wendet sich an France Essor, geführt von Michel-Yves Bolloré. France Essor etablierte sich im Jahr 2000 in Saône-et-Loire durch den Erwerb zweier Industrieunternehmen im Département, der Sfar und der Civad.

Herr Lajugie hatte schon zwei Jahre vorher mit Herrn Bolloré zu tun. "Die Sfar war ein Konkurrent beim Erwerb der UIGM und ein unglücklicher Kandidat", sagte er gegnüber Reporterre. "Bolloré hat die Tatsache nicht verdaut, dass wir den Zuschlag bekommen haben.“ Herr Lajugie erinnert sich besonders an eine Episode, zum Zeitpunkt der Ausschreibung für die Übernahme: "während Sfar und SEEB im Streit waren, das heißt Bolloré und ich, wollte Bolloré, dass wir zu Mittag essen gehen, um mich kennenzulernen und um zu sehen, wie ich die Dinge betrachte.

Alles nett, alles fein, er hat mir einfach erklärt, dass ich nicht das Gewicht hätte, um dieses Unternehmen zu halten, dass ich ein kleiner Junge sei und dass ich aufgeben sollte!“ Zum Glück für Hern Lajugie"war der ehemalige Direktor von Le Creusot, der Mitglied im Vorstand von Framatome war, ein guter Kerl. Er war es, mit dem ich den Plan der Veräußerung verhandelte. Er tat, was nötig war und verwarf Bollorés Angebot. In dem Moment, als dieser Gentleman in den Ruhestand ging, ging alles in die Binsen."

Michel-Yves Bolloré

Der Name von Michel-Yves Bolloré tauchte im Jahr 2002 wieder auf, als die UIGM in Aufruhr war, wegen des Mangels an ausreichendem Auftragsvolumen. Herr Lajugie wandte sich dann an Michel-Yves Bolloré: "Ich sagte mir, es wäre besser, mich mit meinem Konkurrenten zu verbünden, anstatt sich gegenseitig zu töten.“ Er biss sich auf die Finger. "Am Tag nach dem Verkauf zog Bolloré mich vor Gericht, aber das Gericht wies ihn ab. Er hatte auch den ehemaligen Besitzer von Sfar verklagt, der die Hälfte des Geldes aus dem Verkauf zurückgeben musste, mit der Begründung, dass die Maschinen nicht in Ordnung wären. Das ist seine Methode: die Köpfe der Leute unter Wasser zu halten. "


Bolloré ergriff die UIGM, für 9.000 € anstatt 250.000 €

Das Verkaufsprotokoll wurde am 19. Dezember 2002 von den Herren Bolloré und Lajugie unterzeichnet. France Essor wird zum Mehrheitsgesellschafter der UIGM, durch den Erwerb von 9.000 Aktien für einen Betrag von 9.000 €, "obwohl die 9.000 verkauften Aktien einen Wert von 250.000 €o hatten", sagte Lajugie der regionalen Wochenzeitung La Renaissance im August 2003.

"Ich gab die Firma für einen symbolischen Franc ab, weil es mir darum ging, kein soziales Elend zu schaffen und die fünfundsechzig Arbeitsplätze zu bewahren", sagte er gegenüber Reporterre. Als Ergebnis dieser Transaktion besitzt SEEB nur 15% der Aktien der Gesellschaft; Areva, auf der anderen Seite, hält 30%.

Eingebetteter Medieninhalt

Protokoll der Sitzung Protokoll der Hauptversammlung vom 10. Januar 2003

Herr Bolloré hat dann Jean-François Victor zum Geschäftsführer der UIGM ernannt. Woher kannte er ihn? Aus der Kirche. Im Jahr 2000 besuchten beide Männer die Pfarrei Saint-Honoré-d'Eylau, im 16. Arrondissement von Paris. "Wir haben am selben Morgen die Messe besucht. Als ich eine schlechte Zeit durchmachte, bot mir Bolloré ein Büro am Hauptsitz von France Essor, 80 Avenue Victor Hugo, in Paris an ", erinnert sich der Siebzigjährige. "Angesichts meiner Situation und des Kontextes unseres Treffens, gestehe ich, stellte ich mir keine Fragen zur Motivationen dieser Großzügigkeit. Wir haben eine sehr freundschaftliche Beziehung aufgebaut. Etwa zwei Jahre später bat er mich um den Gefallen, einen Betrieb in Le Creusot zu leiten, in den er investierte." Die Situation der Fabrik war nicht brillant, auch wenn die Bilanz des Unternehmens keine alarmierenden Zeichen zeigte. M. Victor akzeptierte und nahm die Herausforderung an.

„Ich verstand nach und nach, dass ich nur ein Strohmann war, dass ich manipulierbar war, angesichts meiner Situation. Die Kontrolle entglitt mir und ich konnte nur die Unregelmäßigkeiten feststellen. Ich musste hilflos mit ansehen, wie die Finanzlage durch eine Lawine von Bestellungen in Schwierigkeiten geriet - Autos, ein Jahr Vorbestellung von Öl … - Bestellungen, die über die Zeit hätten verteilt werden können. Alle vier Tage nahm ich an Telefonkonferenzen teil, mit Michel-Yves Bolloré und mit zwei anderen Personen, die vor Ort die Weisungen umsetzten, um die Engpässe im Kassenwesen in den Griff zu bekommen. Sie hatten mit mir die Unterschriftsbefugnis für die Schecks."

Eine "künstliche" Beendigung der Bezahlung

Das Manöver entging nicht dem bisherigen Hauptaktionär der UIGM: "Im Januar 2003 hatte das Unternehmen noch eigene Mittel und es hatte noch Geldbestände von 200.000 oder 300.000 €, weil ich noch mobilisierbare Anleihem aufgenommen hatte, abschreibungsfähig über 5 Jahre an die Bank. Sie organisierten den Konkurs. Das erste, was sie taten, war, sich mit den Banken anzulegen, damit die Wertpapiere, die der Gesellschaft gegeben wurden, nicht gezeichnet wurden. So wurde die Zahlung künstlich beendigt.“ Für Herrn Victor ist das Ziel des Manövers völlig klar:"Bolloré wollte die anderen Anteilseigner, Areva und SEEB, loswerden, indem er das Unternehmen in den Konkurs trieb, um eine Rückforderung für einen symbolischen Betrag zu ermöglichen. Ich war der Strohmann für diese erschlichene Vereinnahmung.“ Ende Februar ist das Kapital der UIGM ausgeblutet. Das Unternehmen hat innerhalb weniger Monate 770.000 € verloren. Am 28. März 2003 wurde eine außerordentliche Hauptversammlung abgehalten, um über die Rekapitalisierung des Unternehmens in Höhe von einer Million € zu entscheiden. Und dann die inszenierte Farce: Die Areva, "die in diesen Jackpott 300.000 € hätte einzahlen sollen, entsprechend dem Verhältnis ihrer Anteile", weigerte sich, das Geld locker zu machen, was die Operation zum Scheitern brachte. "Ich habe diese Entscheidung damals nicht verstanden", sagt Victor. „Die UIGM wurde von Framatome gegründet, also dem Vorläufer von Areva. Warum hat Areva Bolloré die UIGM überlassen? Diese Vorstandssitzung war eine Inszenierung, Bolloré und Areva steckten unter einer Decke, anders ist das nicht zu interpretieren"

Bericht des Verwaltungsrates an die außerordentliche Hauptversammlung vom 28. März 2003

Protokoll der außerordentlichen Hauptversammlung vom 28. März 2003

Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrates vom 28. März 2003

Das Übernahmeangebot von 800.000 € durch Bolloré wurde vom Handelsgericht akzeptiert

Im April 2003 weigerte sich Areva, an der Kapitalerhöhung teilzunehmen, die UIGM wird unter Konkursverwaltung gestellt. "Ich habe in den ersten Tagen der Beobachtungsphase die Beziehungen zu France Essor (Bolloré) komplett aufgegeben, um mich um die Verwaltung des Unternehmens und um die Suche nach Käufern zu kümmern", erzählt Victor.

Brief von Jean-François Victor an Anne Lauvergeon , 31. Oktober 2006

Doch am 31. Juli 2003 nimmt das Handelsgericht von Chalon-sur-Saône das von France Essor vorgelegte Übernahmeangebot an.

Urteil vom 31-07-2003 Handelsgericht Chalon-sur-Saône - Zweite Kammer

Für den ehemaligen Hauptaktionär der UIGM, ist es "ein Handstreich. Bolloré hielt weniger als 50% des Aktienkapitals der UIGM und Herr Victor machte die Ergänzung, damit er Mehrheitseigner wird. Herr Bolloré legte sich mit Herrn Victor, der auf diese Weise ebenfalls Minderheitseigner wurde, an und er konnte sich nun als Zorro gebärden, der die Firma retten wollte, die andere schlecht geführt hatten.“ Michel-Yves Bollorés Firma riss also die Umformfirma UIGM gegen den geringen Betrag von 800.000 € an sich.

Eingebetteter Medieninhalt

Im selben Monat erwarb er die Schmiede Creusot Forge und 25% des Stahlwerks Creusot Métal, das vom Stahlkonzern Arcelor verkauft wurde. "Er übernahm die Schmiede für null Euro und vermutlich mit einer operativen Prämie, um die Fortsetzung der Aktivität zu garantieren", sagt Herr Victor.

Jean-Luc Moine, Delegierter der Gewerkschaft CGT im Betriebsrat von Creusot Forge, vermutet, dass es auch eine "verdammte Mauschelei" gibt, teilte er Reporterre mit: "Meiner Meinung nach hat Bolloré sich mit Areva arrangiert. Wir folgten der Übernahme im Betriebsrat. Am Ende gab es nur zwei Kandidaten für den Kauf: Fomas, eine italienische Schmiede und Bolloré. In der letzten Betriebsratssizung vor dem Verkauf, an einem Donnerstagmorgen, wurde uns gesagt, uns würde am nächsten Tag bestätigt, dass wir von Fomas übernommen werden. Aber am darauffolgenden Mittwoch haben wir in der außerordentlichen Betriebsversammlung erfahren, dass wir schließlich von Bolloré übernommen wurden. Meiner Meinung nach wollte Areva, dass die Schmiede von einer französischen Firma übernommen wird, für den Fall, dass die Atomkraft einen Aufschwung bekäme.“

Und drei Jahre später ... kauft Areva alles für 170 Millionen Euro

France Essor wird ein integrierter Lieferant von großen mechanischen Teilen. Herr Bolloré vereint Sfar, Civad, UIGM (umbenannt in Creusot Mécanique) und Creusot Forge in einer Einheit, die er Sfarsteel nennt. Man hätte es dabei belassen können, wenn ... Areva das Ganze nicht am 8. September 2006 für den astronomischen Betrag von 170.063.586 € gekauft hätte.

Eingebetteter Medieninhalt

France Essor – Geschäftsbericht zum 31. Dezember 2006

"Dieser Vorgang ist strategisch", sagte Vincent Maurel, Präsident von Areva NP, in einer Erklärung vom 8. September 2006. „In Zeiten der Wiederbelebung des Baus neuer Kernkraftwerke, sind geschmiedete Bauteile wichtig, um die Qualität und Lieferung von Nuklearanlagen rechtzeitig und zu wettbewerbsfähigen Preisen zu garantieren."

"Areva hatte im Kopf, dass die Umrüstung aller Nuklearanlagen - deren Höhe auf 55 Milliarden € im Jahr 2025 geschätzt wurde – das Schmieden bestimmter neuer Komponenten erfordern würde.“ analysiert Raymond Avrillier, von der Anti-Korruptions-Organisation Anticor. „Außerdem war da der EPR-Vorgang, mit der Herstellung des Deckels und der Unterseite des Reaktordruckbehälters. Im Jahr 2006 wurden ein Dutzend EPRs geplant." So stellte Nicolas Sarkozy, damals Wirtschaftsminister, im Mai 2004 den Entwurf eines Energie-Rahmengesetzes vor, das den Vorrang für die Kernenergie bekräftigte und das den Bau des ersten französischen EPR bestätigte für den industriellen Einsatz dieser neuen Reaktorengeneration "ab 2020".

Insgesamt hat Michel-Yves Bolloré eine hübsche Transaktion hinbekommen. Er hatte Sfar und Civad für etwas weniger als zehn Millionen € erworben", so Victor. „Er bekam Creusot Forge für 0 € und bezahlte 809.000 € für UIGM. Gewinn: ca. 159 Millionen Euro in sechs Jahren.“

Am 15. Mai 2007, ein paar Monate nach dieser erfolgreichen Transaktion, registriert das Amtsblatt des Großherzogtums Luxemburg die Gründung der Gesellschaft Stelarlux durch Michel-Yves Bolloré, mit einem Kapital von 31.000 €. Luxemburg war damals – wie heute - ein Steuerparadies.

Die Wunder des Wirtschaftslebens: Im Jahr 2008 wies die Bilanz der Luxemburger Gesellschaft ein Vermögen von 130 Mio. € aus. Eine Zahl, die sich Folgejahr nicht ändern würde, als sei das Unternehmen eine ruhende Anlage.

Eine wenig überzeugende Meinungsänderung

Auf jeden Fall provozierte die Übernahme der UIGM durch Areva im Jahr 2006 das Erstaunen von Jean-François Victor, der den Verfalls-Zustand der Industrie-Anlage kannte. Ab Ende März 2003, als er nach Käufern suchte, traf er den Vizepräsidenten von Areva, "weil es mir logisch erschien, dass der Konzern versucht, seine Versorgung mit Großkomponenten zu sichern.“

"Aber" die kategorische Antwort war, dass "die Mechanik nicht das Metier von Areva ist" , sagt er. Warum hat Areva dann drei Jahre später seine Meinung geändert? Jacques-Emmanuel Saulnier, Sprecher und Projektleiter von Anne Lauvergeon, schrieb in einem Brief an Herrn Victor am 27. November 2006: "Die strategische Natur dieser Operation (...) war im Jahr 2003 nachrangig, wegen des damaligen Öl-Preises und wegen der Unsicherheiten die immer noch auf der Wiederbelebung des Baus neuer Kernkraftwerke lasteten."

Brief von Jacques-Emmanuel Saulnier an Jean-François Victor, 27. November 2006

Ein wenig überzeugendes Argument in Bezug auf den Zeitrahmen. Anfang April 2003 präsentierte Areva Finnland sein Angebot für den Bau eines EPR in Olkiluoto, dessen Verkauf am 18. Dezember 2003 abgeschlossen wurde. Im Mai 2003 wurde ein Bericht des Parlamentarischen Amtes für die Bewertung wissenschaftlicher und technologischer Entscheidungen vorgelegt, der die sofortige Einführung des französischen EPR-Programms befürwortete.

Der Vertrag mit dem EPR wurde im Dezember 2003 unterzeichnet. Jenseits der Frage des Erwerbs stellte sich die des Preises. Um den Wert eines Unternehmens zu bewerten, besteht eine so genannte "gemischte" Methode darin, ihren Wert zu berechnen (Eigenmittel, die auf Basis des Grundkapitals und des Jahresüberschusses berechnet werden) und mit dem "Firmenwert", der seinen Marktwert bestimmen wird, abwägen. "der Firmenwert geht über eine statische Einschätzung des Wertes des Unternehmens hinaus, indem er die potenziellen und zukünftigen Einnahmen des Unternehmens bewertet", sagte der Wirtschaftsjournalist Mathias Thepot gegenüber Reporterre. Wie rechtfertigte Michel-Yves Bolloré einen solchen Anstieg des Marktwerts von Creusot Forge und UIGM zwischen 2003 und 2006?

In einem Artikel vom 15. September 2005 berichtete das Magazin L'Usine nouvelle, dass die Sfarsteel-Gruppe „ein Fünfjahresprogramm für Investitionen über 15 Millionen € zur Steigerung der Produktionskapazität" betrieb.

"Ein guter Coup für Bolloré!“

Tatsächlich sagt Jean-Luc Mercier, Vertreter der Gewerkschaft CGT in Creusot, der zwischen 2003 und 2006 als Zerspanungsmechaniker bei Sfar arbeitete: "Es stimmt, dass unter Bolloré Investitionen getätigtt wurden: Kauf von Maschinen, Reparatur des Daches und so weiter. Aber Bolloré war weit davon entfernt, 170 Millionen Euro investiert zu haben! " Ein weiteres Argument: Der Sfarsteel-Gruppe wurde die Herstellung des Bodens und des Deckels vom Reaktordruckbehälter des EPR von Flamanville anvertraut.

"Bolloré setzte alle Hebel in Bewegung, um den Auftrag für Boden und Deckel des Reaktordruckbehälters des Flamanville-EPR zu bekommen", sagt Jean-François Victor. Er tat alles während der Verhandlungen, um die Höhe seiner Spekulationen zu rechtfertigen. Und die Herstellung von wesentlichen Komponenten für die Zukunft des EPR war ein bestechendes Argument.

Das 2007 Referenzdokument von Areva zeigt jedoch beunruhigende Details. Es heißt, dass "sich der Umsatz von Sfarsteel im Jahr 2006 auf 41 Millionen € erhöhte". Es wird weiter darauf hingewiesen, dass "diese Operation einen anfänglichen Firmenwert in Höhe von 101 Mio € hervorbrachte". Das Dokument zeigt sogar eine "zusätzliche Firmenwert-Anpassung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Sfarsteel von 15 Mio €" zum 31. Dezember 2007.

Im Allgemeinen entspricht der Firmenwert der Hälfte des Verkaufspreises“, sagt Mathias Thepot. „Hier ist mehr als die Hälfte. Es ist unglaublich: Areva weigert sich, im Jahr 2003 zu rekapitalisieren und zurückzukaufen und kauft mit einem Firmenwert von mehr als 100 Millionen Euro drei Jahre später! Das heißt, dass Areva, durch den Kauf der Firma, bedeutende Einkommens-Perspektiven hatte und optimistisch in die Zukunft sah.“ Dieselbe Überraschung auf der Seite des ehemaligen Mehrheitsgesellschafters der UIGM in den Jahren 2001-2002: "Wenn man den Verkaufs-Preis von Bollorés Firma France Essor für den Käufer Areva ansieht, ist es atemberaubend. Das ist das Zehnfache! Arevas übertriebener Optimismus oder unehrenhaftere Motive?" Für Jean-François Victor gab es "eine Absprache zwischen einem Teil der Mitarbeiter von Areva und Michel-Yves Bolloré.“

"Es gab eine Absprache zwischen einem Teil der Areva- Mitarbeiter und Michel-Yves Bolloré."

Das Aha-Erlebnis kam am 23. Februar 2017, als Gérald Arbola mit der Untersuchung des Uramin-Falles beauftragt war, wurde sein Foto in der Presse veröffentlicht. Herr Arbola war 2007 Mitglied des Vorstands und Vorstandsvorsitzender von Areva, als die Firma Uramin - eine kanadische Uran-Bergbaugesellschaft, deren Lagerstätten sich als unbrauchbar erwiesen - für 1,8 Mrd € kaufte. Verluste-Betrag für Areva: 1,5 Mrd €.

Nun, Gérarld Arbola war Victor nicht unbekannt. "Im Juni 2002 bot mir Michel-Yves Bolloré nach einer Messe in der Kirche Saint-Honoré-d'Eylau zu Ehren des Gründers des Opus dei an, ihn zu einer Cocktailparty bei Freunden zu begleiten.

Bolloré stellte uns nicht vor, also wusste ich nicht wo ich war. Die Dame des Hauses, die bestätigte, sie sei Christine Duval, einer der größten Namen in der französischen Metallurgie [und die Gattin von Gerard Arbola], war mir gegenüber sehr bemüht. Ich verließ diesen Cocktail-Umtrunk mit dem Eindruck, dass ich in dieser Versammlung von frommen Industriekapitänen nichts zu suchen hätte, aber dass ich einer Art vorübergehender Prüfung unterworfen worden war. Als ich sein Gesicht viel später anlässlich seiner Anklage wiedersah, verstand ich, dass Bolloré mich für diesen Posten vorgeschlagen hatte, in Verbindung und Absprache mit Arbola.

Ohne diese Szene erlebt zu haben, spricht der ehemalige Mehrheitsgesellschafter der UIGM, Herr Lajugie, auch von "Vereinbarungen": "Auf der UIGM-Generalversammlung zur Bestätigung des neuen Aktionärs Bolloré sah ich, dass der Vertreter von Framatome und Bolloré für eine Weile miteinander diskutierten. Offensichtlich verstanden sie sich gut. Laut Monsieur Victor, Bolloré und Arbola sind einander sehr verbunden, weil beide praktizierende Katholiken sind.“ "Bolloré hat mir angeboten, mich bei Opus dei vorzustellen, wo er ein Mitglied ist", sagt Victor. Gerard Arbola führte seinerseits von 1986 bis 1995 die Emmanuel-Gemeinde und war von 1990 bis 2000 Mitglied des Päpstlichen Rates für die Laien. "Sie kennen einander über das Opus dei oder andere christliche Gemeinschaften mit fundamentalistischer Tendenz, versichert Viktor. Bolloré und ich haben in Saint-Honoré-d'Eylau eine Gebetsgruppe gegründet.“ Gérald Arbola war nicht dabei, aber es fand in seiner Gemeinde statt. Da war David Guillon, der zukünftige CEO von Sfarsteel und auch Mitglied der Emmanuel-Community. „Mr. Victor erinnerte an die Bemerkungen des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen Bruno LeMaire während seiner Ansprache an den Senatsausschuss am 12. Juli2017. Über die Art, wie Areva geführt wurde, sagte der Minister: "Es geht nicht nur um das schlechte Management, es geht um systematische Verschleierung. (...) Was bei Areva wirklich skandalös ist: die Komplizenschaft, das Mitwissertum, ohne staatliche Kontrolle.

Eingebetteter Medieninhalt

Die Rede von Wirtschaftsminister Bruno LeMaire mit deutschen Untertiteln:

"Was bei Areva passiert ist wirklich skandalös"

Trotz zweier Kontaktierungsversuche wollte Michel-Yves Bolloré die Fragen von Reporterre nicht beantworten. Hinter dem Deal zwischen ihm und dem Atomkonzern gibt es nicht nur eine die Finanz-Causa und eine "schlechte Verwaltung der öffentlichen Mittel ", um eine weitere Formulierung des Wirtschaftsministers Bruno LeMaire aufzunehmen: es geht auch um die nukleare Sicherheit. Weil die Le Creusot-Betriebe am Flamanville EPR-Kernreaktor beteiligt sind, von denen viele Teile nicht die Sicherheitsnormen erfüllen, die von der nuklearen Sicherheitsbehörde ASN gefordert werden. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Werdegang der Fabriken in LeCreusot unter der Leitung von M. Bolloré und den Ausschuss-Teilen für den EPR?

Um das herauszufinden, lesen Sie die ÜBERSETZTEN Fortsetzungen der Reporterre-Recherchen,

Teil 2 Hinter den Kulissen des Euro-Reaktor-Fiaskos

Teil 3 Drei Jahrzehnte Missmanagement in Le Creusot

Vielen Dank an Ulli Becker für kompetente Hilfe bei der Übersetzung.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Kommentarfunktion deaktiviert

Die Kommentarfunktion wurde für diesen Beitrag deaktiviert. Deshalb können Sie das Eingabefeld für Kommentare nicht sehen.