Geld verdienen, aber mit gutem Gewissen

Social Business Fairnopoly bietet als Online-Shop faire Produkte an – und ist als Unternehmen genossenschaftlich organisiert. Kann das funktionieren?
Ausgabe 15/2013
Wer Platten hat, möchte auch einen Plattenspieler – aber der soll bitte nachhaltig sein
Wer Platten hat, möchte auch einen Plattenspieler – aber der soll bitte nachhaltig sein

Screenshot: fairnopoly.de

Fairnopoly möchte von diesem Frühjahr an den Online-Shoppingplätzen eBay und Amazon-Marketplace die Stirn bieten. Das Startup richtet sich an Privatpersonen und Händler, die online Gebrauchtes und Neues ein- und verkaufen möchten. Der Unterschied zu eBay? Das Unternehmen will fair und nachhaltig agieren. „Wir wollen bei uns selber abbilden, was wir von Anderen wollen. Nämlich: fairen Handel, faire Struktur, fairen Auftrag und dadurch den Konsum verantwortungsvoller machen“, sagt Bastian Neumann, Co-Geschäftsführer von Fairnopoly.

Sein crowdbasiertes Sozialunternehmen fungiert als Genossenschaft 2.0.: Ein Investitionslimit schließt Großinvestoren aus – feste Regelsätze für Lohn, Gewinnausschüttung und Rechtsformen ermöglichen Transparenz und Gleichheit. Für freiwillige Helfer, die den Aufbau unterstützen, gibt es sogenannte Fair-Funding-Points. Der Verkäufer zahlt nur die Hälfte der üblichen sechs Prozent Verkaufsgebühren, wenn er mit Fair-Trade-Artikeln handelt. Selbst die Software-Oberfläche ist eine Open-Source-Lösung. Ein Prozent der Verkaufsgebühren sowie ein Teil späterer Unternehmensgewinne sollen an gemeinnützige Organisationen gehen, erklärt Bastian Neumann.

Mehr als 200.000 Euro

Felix Weth, 33 Jahre alt, hatte die Plattform Anfang 2012 angelegt, ursprünglich wollte er Antikorruptionsaktivisten unterstützen. Seine Idee zog im Laufe des Jahres immer mehr Mithelfer an. Sie arbeiten in einem neuen Büro im Social Impact Lab in Berlin, von zu Hause aus oder auf der Straße an Fairnopoly mit. Sie debattieren über faire Siegel, Filterkategorien auf dem Marktplatz und was das eigentlich heißt: „fair“. Daneben bauen sie die Online-Plattform auf, analysieren den Markt und suchen nach Finanzierungsmöglichkeiten.

Ende 2012 gründeten sie die Genossenschaft 2.0, und das Unternehmen startete zwei Crowdfundingaktionen – beide erfolgreich. Beim zweiten Mal erhielten sie mit 215.963 Euro das Vierfache dessen, was sie sich erhofft hatten. Bastian Neumann fühlt sich deshalb bestätigt: „Natürlich sind wir jetzt erleichtert, weil es uns finanziell mehr Sicherheiten und Möglichkeiten gibt. Aber vor allem freuen wir uns über 865 zukünftige Genossenschaftsmitglieder. Es ist wie ein Barometer, das misst, wie unsere Idee ankommt.“ Vor allem in der Anfangszeit sei die Finanzierung mühsam gewesen. Das Vorhaben sei unterstützenswert, aber die Idee sei zu komplex, und wirtschaftlich rentiere sich das schon gar nicht, so die Argumente. „Es ist ja so: Wenn Leute sagen, etwas könne nicht funktionieren, dann liegt der Hauptgrund darin, dass sie es sich einfach nicht vorstellen können, weil sie stark erfahrungsgeprägt sind.“

Bastian Neumann kam durch eine Ausschreibung zu Fairnopoly. Als Organisationsberater war er weltweit unterwegs, hat neue Konzepte für Unternehmen entwickelt, ihnen gezeigt, wie man nachhaltig wird und deren Mitarbeiter weitergebildet. Aber zufrieden machte ihn das nicht. Zu lange Arbeitszeiten, zu viele Reisen und der ökologische Fußabdruck war ihm zu groß für das Wenige, was er erreicht hatte. Er verließ das Beratungsunternehmen, zog nach Berlin und bewarb sich, unter anderem bei Fairnopoly. Ihm gefiel die Idee, er war konsumaffin und wollte endlich mal bei einem Projekt von vorn bis hinten dabei sein. Er sah eine Marktlücke. Er traf sich mit Felix Wethe, beide mochten sich, und Neumann stieg bei Fairnopoly ein.

Sie sagen, sie betrieben ihr Unternehmen eher pragmatisch. Idealismus hin oder her, es gehe darum, dass es funktioniere. Fairnopoly möchte Menschen eine Alternative zu bestehenden „unfairen“ Onlinemarktplätzen wie Zalando oder Amazon anbieten. Das passt in die Zeit. Aber soziales Unternehmen hin oder her, sie möchten natürlich auch Gewinn machen. Erst das mache unabhängig, erst dann könne man sich öffentlich für gemeinnützige Interessen einsetzen und Dinge verändern.

Laut Markus Beckmann, Lehrstuhlinhaber für „Corporate Sustainability Management“ an der Universität Erlangen-Nürnberg, stellt Fairnopoly einen neuen Typus sozialen Unternehmertums in Deutschland dar. „Mittlerweile sehen wir zunehmend soziale Unternehmen, deren Einkommen komplett selbst erwirtschaftet wird und deren Gewinn hundertprozentig an ein gesellschaftliches Anliegen geht.“

Das unternehmerische Denken stehe im Vordergrund, der Markt werde nicht als schlecht angesehen, anders als bei antikapitalistischen Bewegungen früherer Zeit, die auf Selbstversorgung und Spendenfinanzierung setzten und sich stark von wirtschaftlichen Warenbewegungen distanzierten.

Irgendwann mal weltweit

Social-Business-Modelle häufen sich. Mit Unternehmen wie afb, einer Firma für Computerrefurnishing, und mit der App Why own it für Konsumgüter-Sharing werden alternative wirtschaftliche Wege gesucht, ohne dass man sein Verhalten im Alltag grundlegend ändern müsste.

Anstatt sich über Missstände auf der Welt zu beklagen, versuchen diese jungen Unternehmer, sie zu verändern – es sind Akteure aus gut situierten Verhältnissen, gut ausgebildet, die aber nicht nur Geld verdienen, sondern einen Beitrag leisten wollen. „Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir von einem anderen Wohlstandsniveau ausgehen können. Wenn wir vorangegange Generationen anschauen, dann ging es für diese darum, ein Haus zu kaufen und Geld für die Familie zu verdienen. Diesen Zwängen sind viele Menschen heute nicht mehr ausgesetzt“, sagt Markus Beckmann.

Noch verdienen die Fairnopoly-Mitarbeiter kein Geld. Wird die Genossenschaft vom Prüfungsverband bestätigt und damit die Gründung abgeschlossen, können die ersten Löhne für die neun Mitarbeiter des Kernteams ausgezahlt werden. Es sind aber kleine Summen. Die Macher denken schon mal weiter: Wenn sich Fairnopoly dann erfolgreich in Deutschland etabliert habe, könnten sich die Macher eine weltweite Verbreitung vorstellen.

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