Spielregeln für den Fairen Handel

Wandel Fairtrade-Produkte gibt es längst in fast jedem Supermarkt. Doch was steht hinter dem Siegel? Die Menschen in den Anbauländern profitieren langfristig vom Fairen Handel

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Kaffee, Tee und Schokolade aus Fairem Handel gibt es schon lange nicht mehr nur im Weltladen. Längst sind auch Supermarktketten auf den Zug aufgesprungen und haben die Waren im Sortiment. Der Kauf eines Produkts mit dem Fairtrade-Siegel ist aber weit mehr als eine Beruhigungspille für das gute Gewissen. Fairtrade hat das Ziel, Ungleichgewicht im weltweiten Handel abzubauen, indem Bauern und Arbeiter gestärkt werden. Und das gemeinsam mit allen Beteiligten: den Produzenten im globalen Süden, der Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Das Fairtrade-System soll nichts weniger als einen Richtungswechsel bei den Handelsbedingungen einläuten.

Vor über zwanzig Jahren entstand die Idee, den Fairen Handel zu vergrößern, indem fair gehandelte Produkte mit einem Siegel ausgezeichnet werden. Damit sollten sich diese Angebote im Supermarkt von herkömmlicher Ware unterscheiden. TransFair machte es sich gemeinsam mit dem internationalen Verbund Fairtrade International zur Aufgabe, Millionen Kleinbauern und ihren Familien zu besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verhelfen. Seit 2003 gibt es ein einheitliches Siegel, das den Konsumenten auf der ganzen Welt zeigt: Dieses Produkt wurde nach Fairtrade-Standards gehandelt und hergestellt. Heute zählen 19 Initiativen zum Bündnis, 27 Länder werden darüber abgedeckt.

Anders als im Biobereich gibt es für faire Produkte keine gesetzlichen Vorgaben. Die vier internationalen Dachverbände des Fairen Handels – kurz FINE genannt – einigten sich 2001 auf eine Definition von Fairem Handel. Für sie ist der Faire Handel „eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt“.

Transparente Spielregeln

Aber wie lässt sich diese Definition umsetzen? Die Fairtrade Initiativen haben darauf ihre Antwort gefunden. Sie beteiligen die Produzenten nicht nur an den Entscheidungsprozessen, sondern machen sie zu Teilhabern des Systems. Die Vertreter der Produzentennetzwerke aus Lateinamerika, Afrika und Asien halten gleichberechtigt 50 Prozent der Stimmen in wichtigen Entscheidungsgremien und internationalen Komitees.

Als Werkzeuge, um den Wandel der Handelsbedingungen zu erreichen, dienen strenge Standards. Sie sind die Spielregeln für den Fairen Handel. Die Standards beziehen sich auf die Bereiche Ökonomie, Soziales und Umwelt. Sie schreiben für die meisten Rohstoffe einen stabilen Mindestpreis vor, der für die Kleinbauern bei Preisschwankungen nach unten ein Sicherheitsnetz bildet. Diese Regelung hilft den Kooperativen zu kalkulieren, welche Einkünfte sie haben – gerade dann, wenn die Preise für Bananen, Kaffee oder Kakao am Weltmarkt sinken. Steigt der Marktpreis, erhalten die Produzenten auch den höheren Preis. Ob die vereinbarten Summen gezahlt und die Standards eingehalten werden, überprüft ein unabhängiges Kontrollsystem. Das Verfahren der zuständigen FLOCERT GmbH entspricht durch die Akkreditierung nach ISO Norm 17065 einem weltweit gültigen Standard für Unabhängigkeit.

Strenge Kontrolle der Fairtrade-Vorgaben

Zusätzlich zu den Verkaufseinnahmen bekommen die Produzenten eine Prämie. Die Mitglieder der Produzentenorganisation oder die Arbeitervertretung auf Plantagen entscheiden gemeinsam, wofür das Geld eingesetzt werden soll. In manchen Gemeinden werden damit Moskitonetze, Trinkwasserfilter oder Fahrräder angeschafft. In anderen Gebieten finanziert die Prämie den Bau von Kindertagesstätten, von Schulen oder Bildungsprojekten. Wieder andere investieren in die Gesundheitsversorgung, starten Informationskampagnen über Umwelt- oder Arbeitsschutz.

Rund 1,5 Millionen Produzenten aus 74 Ländern des Globalen Südens sind Teil des Fairtrade-Systems. Die Anwendung der Standards soll den Menschen helfen, aus dem Teufelskreis der Armut auszubrechen und so selbst über ihr Leben bestimmen zu können. Dazu zählt nicht nur finanzielle Sicherheit. Die Fairtrade-Partner verpflichten sich, gegen Zwangsarbeit vorzugehen und ausbeuterische Kinderarbeit zu verbieten. Zudem werden deutlich weniger Pestizide und Chemikalien bei der Produktion eingesetzt, für biologisch angebaute Erzeugnisse gibt es einen Aufschlag.

Es gibt nicht nur den einen Standard für den Fairen Handel. Die spezifischen Anforderungen für einzelne Produkte und Produktgruppen, für Händler, für Kooperativen und Plantagen werden in einzelnen Standards abgedeckt. Nur die Waren bekommen das Fairtrade-Siegel, bei deren Herstellung alle Vorgaben eingehalten wurden. Bundesweit bieten heute rund 42.000 Geschäfte und über 20.000 Cafés, Mensen oder Restaurants ihren Kunden fair gehandelte Waren an. Insgesamt tragen mehr als 3.000 Waren das Siegel.

Forschung belegt nachhaltige Wirkung

Doch verbessert der Faire Handel tatsächlich die Lage der Menschen? Intern führt Fairtrade Workshops mit Produzentenorganisationen durch, um zu erfahren, welche Probleme sie beschäftigen und welche Rolle Fairtrade spielen kann, um diese zu bewältigen. Im Fokus stehen derzeit unter anderem verbesserte Haushaltseinkommen oder eine nachhaltige Ernährungssicherung. Ob Fairtrade zu einem Wandel beiträgt, wird regelmäßig mittels Datenerhebung untersucht, ausgewertet und überprüft. Alle Mitglieder bekommen Zugang zu Daten und Analysen. So profitieren sowohl die Produzenten in den Entwicklungsländern als auch das System weltweit von den Ergebnissen.

Auch Wissenschaftler erforschen die Wirkung des Fairen Handels: Valerie Nelson und Barry Pound von der Universität Greenwich in Großbritannien haben in einer Studie belegt, dass sich die Einkommen der Kleinbauern dank Fairtrade stabilisieren und damit besser kalkulierbar sind. Von den regelmäßigen Einkünften profitieren ihre Familien, aber auch ganze Dörfer und Regionen. Zudem stärkt der Faire Handel langfristig demokratische Strukturen in den Betrieben. In einer Studie aus dem Jahr 2013 untersuchten Experten der Universität Göttingen die Auswirkungen des Zertifizierungssystems auf Kaffee-Kleinbauern in Uganda. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass Fairtrade den Lebensstandard der Bauern deutlich verbesserte, dank Mindestpreis, Prämie und der Möglichkeit, den eigenen Kaffee innerhalb der Kooperative weiterzuverarbeiten. Somit erwiesen sich die Standards als ein sinnvoller Baustein bei der Armutsbekämpfung.

Ein weltweit gerechteres Handelssystem ist ein ambitioniertes Ziel. Damit die Arbeitsbedingungen für beispielsweise die Arbeiter auf Plantagen langfristig verändert werden, muss noch viel getan werden. Ein Baustein sind existenzsichernde Löhne. Diese müssen anstelle der bisher festgeschriebenen gesetzlichen Mindestlöhne schneller erreicht werden. Eines der größten Probleme bleibt allerdings die Machtkonzentration einiger weniger Unternehmen in den Produktionsketten. Um hier einen Wandel einzuläuten, müssen Unternehmen, Regierungen und Organisationen stärker denn je zusammenarbeiten.

Dieser Beitrag ist Teil des Freitag-Extra in Zusammenarbeit mit TransFair e.V.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Fairtrade

Der Faire Handel in Deutschland. Was ist Fairer Handel, wer produziert, wer handelt fair und wie kann ich mich für den Fairen Handel engagieren?

Fairtrade

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden