Äffchen für den Nationalstolz

Wissenschaft Kein Land investiert so viel Geld in die Genforschung wie China
Ausgabe 05/2018
In China wird die Genforschung als „nationale Aufgabe“ bezeichnet, Tierschutzrechtliche Bedenken gibt es kaum
In China wird die Genforschung als „nationale Aufgabe“ bezeichnet, Tierschutzrechtliche Bedenken gibt es kaum

Foto: Kevin Frayer/Getty Images

In Deutschland steht Volkswagen derzeit wegen Diesel-Abgastests mit Affen in der Kritik. China hingegen feiert seine Experimente mit dem nächsten Verwandten der Gattung Mensch. Wie vergangene Woche bekannt geworden ist, gelang es chinesischen Wissenschaftlern, kleine Javaäffchen aus der Gattung der Makaken zu klonen. Schon bald sollen geklonte Äffchen für Tierversuche sogar in Serie gehen.

Dass den chinesischen Wissenschaftlern überhaupt gelungen ist, Primaten zu klonen, ist eine echte Überraschung. 22 Jahre ist die Geburt des berühmten Klonschafs Dolly her, der ein wahrer Zoo aus geklonten Tieren folgte: Pferde, Schweine, Rinder – 23 Tierarten werden seitdem weltweit regelmäßig geklont. Und keineswegs nur für wissenschaftliche Zwecke: Eine chinesische Firma wirbt mit geklonten Kühen, die für besseres Fleisch mit einem speziellen Gen ausgestattet sind. In den USA wird Sperma von geklonten Bullen verkauft. Und in Südkorea können Hundebesitzer sogar Kopien ihrer verstorbenen Vierbeiner in Auftrag geben. Obwohl diese Technik also seit mehr als 20 Jahren bekannt ist – das Klonen von Affen klappte bislang nicht.

In den meisten westlichen Ländern sind Experimente mit Affen, dem nächsten Verwandten der Gattung Mensch, verpönt; in Deutschland sind sie sogar verboten. Doch selbst in Ländern, in denen ethische Bedenken weniger eine Rolle spielen, gelang es bislang nicht, Affen zu klonen. Die Embryos der Primaten starben allesamt ab. Nur 1999 schafften es Forscher in den USA, einen Labor-Affen in die Welt zu setzen, der dieselben genetischen Erbsubstanzen besaß wie ein Artgenosse. Das Klontier war jedoch aus der einfachen Teilung einer befruchteten Eizelle im Labor entstanden – und war damit nichts anderes als ein eineiiger Zwilling.

Dass dem chinesischen Forscherteam um Qiang Sun vom Institut für Neurowissenschaften in Schanghai von der Akademie der Naturwissenschaften der Durchbruch gelungen ist, lässt sich jedoch nicht nur auf die nicht vorhandenen ethischen Bedenken zurückführen, sondern vor allem auch auf die üppige finanzielle Ausstattung. Mit viel Geld versucht China seit Jahren an die Spitze der Gen- und Biotechforschung zu gelangen und lockt weltweit Forscher an chinesische Unis. Mehr als eine halbe Milliarde US-Dollar sind allein im derzeit laufenden Fünfjahresplan für die Biotechforschung veranschlagt – so viel wie in keinem anderen Land.

In China steht die Genforschung denn auch in einer Reihe mit der Weltraumerkundung oder den Bau von Superrechnern und wird als „nationale Aufgabe“ bezeichnet. Für dieses Ziel müssen auch die beiden geklonten Affen mit ihren Namen herhalten. Es geht hier also keineswegs nur um Fortschritte in der Wissenschaft, sondern auch um Prestige und Nationalstolz.

Tierschutzrechtliche Bedenken gibt es in China keine. Während etwa in Europa in den meisten Laboren vorwiegend mit Ratten und Schweinen experimentiert wird, befinden sich in den chinesischen Laboren Hunderttausende Primaten in Gefangenschaft. Und Chinas Neuromedizin vermeldet regelmäßig Erfolge. So ist es chinesischen Wissenschaftlern bereits gelungen, eine Variante von Autismus bei Affen auszulösen und auf diese Weise einen Zusammenhang zwischen Erbinformationen und der Verhaltensvariante nachzuweisen.

Auch in der Bevölkerung gibt es nur wenig ethische Bedenken. Gespeist aus einem großen Maß an Fortschrittsgläubigkeit und der Hoffnung, aus wirksamer Forschung auch rasch ökonomischen Nutzen ziehen zu können, macht es für die meisten Menschen in China keinen Unterschied, ob nun ein Affe gequält wird, ein Schwein oder ein Huhn. Hauptsache, es dient der Sache. Hundefleisch wird in einigen Regionen des Landes schließlich auch noch gegessen. Wobei: Was das Abschlachten von Hunden betrifft, regt sich inzwischen doch mitunter auch Widerstand.

Felix Lee arbeitet seit dem Jahr 2012 als China-Korrespondent in Peking

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