Politik à la carte

China-Besuch Hinter den Kulissen bastelt Merkel an einem Regelwerk, das China den Status einer Marktwirtschaft verleiht und dennoch Strafzölle auf bestimmte Waren ermöglicht
Ausgabe 24/2016
Angela Merkel zusammen mit dem chinesische Permier Li Keqiang
Angela Merkel zusammen mit dem chinesische Permier Li Keqiang

Foto: How Hwee Young/AFP/Getty Images

Verträge sind einzuhalten, darauf pocht die Regierung unerbittlich, wenn es um Griechenland oder die Einhaltung des europäischen Stabilitätspakts geht. Im Streit der EU mit China um den Marktwirtschaftsstatus scheint es Angela Merkel mit der Einhaltung von Verträgen nicht ganz so genau zu nehmen.

Als China 2001 der Welthandelsorganisation beitrat, setzte sich die EU mit der Forderung durch, die Volksrepublik vorerst nicht als Marktwirtschaft anerkennen zu müssen. Die Begründung: China war noch zu sehr Planwirtschaft. Die EU wollte sich das Recht vorbehalten, Billigimporte aus Fernost mit Antidumping-Schutzzöllen belegen zu können. Das sollte Marktverzerrungen ausgleichen – aber nur für eine Übergangszeit von 15 Jahren. Genau auf dieses Versprechen berief sich die chinesische Führung, als Merkel Anfang der Woche zu Besuch in Peking war.

Die Kanzlerin flüchtet sich in den Hinweis, dass Deutschland über diese Frage nicht alleine entscheide, sondern die EU-Kommission. Formell ist das zwar richtig. Doch in Wirklichkeit versucht sie all jene deutsche Firmen zufriedenzustellen, die Groll auf Chinas billige Stahlimporte hegen. Sie weiß zugleich um die deutschen Konzerne, für die China inzwischen der wichtigste Markt ist und die einen Handelskrieg fürchten, sollte die EU den Chinesen ihren Wunsch verweigern.

Hinter den Kulissen bastelt Merkel daher an einem Regelwerk, das China zwar den Status einer Marktwirtschaft verleiht, gleichzeitig Strafzölle auf bestimmte chinesische Waren auch weiter ermöglicht – geschickt und typisch für Merkel, aber nicht ehrlich.

Auch die chinesische Seite ist erstaunt. Zwei Jahrzehnte lang war das Land gut damit gefahren, durch eine Mischung aus Protektionismus und schrittweiser Hinwendung zum Welthandel die eigene Wirtschaft vor allzu aggressiven Zugriffen aus dem Ausland zu schützen. Wenn die kommunistische Führung in Peking nun mit Verve den Marktwirtschaftsstatus einfordert, folgt sie damit selbst dem marktliberalen Mantra.

Dabei ist ungehemmter Freihandel weder im Interesse Chinas noch im Interesse der übrigen Welt. Die chinesische Führung sollte mit Merkel lieber über ein Regelwerk verhandeln, das mehr Handelsbeschränkungen vorsieht. Zugegeben: Es ist eine surreale Vorstellung.

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