Die Stasi schoss nicht auf Rudi Dutschke

Birthler-Behörde Der Rudi-Dutschke-Attentäter war kein Mitarbeiter der Stasi. Das teilte Marianne Birthler bei der Vorstellung des neuen Tätigkeitsberichtes ihrer Behörde mit

Marianne Birthler ist pünktlich. Um zwölf Uhr hat sie zur Pressekonferenz geladen, um den neunten Tätigkeitsbericht ihrer Behörde vorzustellen. Die Konferenz ist gut besucht, so viele Menschen haben Marianne Birthler wahrscheinlich schon lange nicht mehr auf einer Pressekonferenz zugehört. Dabei wollte sie eigentlich nur den Tätigkeitsbericht ihrer Behörde vorstellen.

"Diese Unterlagen sind einfach nie angefragt worden", sagt Birthler zu den zufällig gefundenen Akten, in denen die IM-Tätigkeit von Kurras dokumentiert ist. Hätten Forscher das getan, wäre Kurras' Stasi-Tätigkeit schon früher bekannt geworden. Versäumnisse habe sich ihre Behörde deshalb nicht vorzuwerfen, sagt die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, schließlich hätten auch Autoren einschlägiger Bücher über den Tod Benno Ohnesorgs keine Informationen über Verbindungen Kurras' zu Stasi angefordert.

Nach dem bekannt wurde, dass Karl-Heinz Kurras, der Todesschütze Benno Ohnesorgs, Inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit war, haben Kritiker der Birthler-Behörde (BStU) erneut Vorwürfe erhoben, sie vernachlässige die Erforschung von Stasi-Aktivitäten im Westen. Birthler tritt diesen Vorwürfen entgegen: Im Vergleich zu anderen Themen sei die Arbeit der Stasi in Westdeutschland „wahrscheinlich am intensivsten bearbeitet worden“. Die BStU-Chefin erinnert außerdem an acht umfangreiche Veröffentlichungen zur "Westarbeit" der Stasi, die ihre Behörde in den letzten elf Jahren vorlegt hat, weitere würden vorbereitet.

In einem Pilotprojekt sollen sämtliche sichergestellten, aber zerrissenen Unterlagen der "Hauptverwaltung Aufklärung", die für Auslandsspionage zuständig war, rekonstruiert werden. Sie sollen der Forschung bald zur Verfügung stehen. Das Projekt umfasst zunächst 400 von weit mehr als 15.000 Säcken mit Zerrissenem. Auch in dem Pilotprojekt habe die Arbeit der Stasi in der Bundesrepublik Vorrang.

Keine Schuld, aber Interesse am Attentat auf Rudi Dutschke

Zu Josef Bachmann, der Mann, das Attentat auf Rudi Dutschke verübt hatte, gibt es keine Akte der Stasi. Das teilt Birthler außerdem mit. Die Stasi habe allerdings Material zu dem Attentat gesammelt, sagte ein Sprecher Birthlers. Sie sei "brennend an dem Vorfall interessiert gewesen". Die BStU antwortet damit auf die Anfrage von Dutschkes jüngstem Sohn Marek. Dieser hatte der „Bild“-Zeitung gesagt, sein Vater habe in einem Schreiben an seine Frau Gretchen gemutmaßt, dass die Stasi auch in seinem Fall möglicherweise die Hände im Spiel hatte. "In dem Brief von Rudi, den meine Mutter nach seinem Tode öffnen sollte, hat mein Vater die Vermutung geäußert, dass hinter dem Anschlag auf ihn das MfS gesteckt haben könnte. Die DDR, so mein Vater, habe damals gefürchtet, dass der antiautoritäre Sozialismus, für den Rudi stand, auf den anderen Teil Deutschlands überschwappen könnte".

Allerdings habe die Stasi Material zu dem Attentat gesammelt, so ein Sprecher Birthlers. Die Stasi sei "brennend an dem Vorfall interessiert gewesen". Bachmann hatte Rudi Dutschke im April 1968 in Berlin niedergeschossen und sich Jahre später das Leben genommen. Dutschke starb 1979 an den Spätfolgen des Attentats.

Der über 160 Seiten umfassende Tätigkeitsbericht, den die BStU alle zwei Jahre herausgibt, zeige, so Birthler, „dass der Beitrag der Stasi-Unterlagen-Behörde zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts heute noch genauso wichtig ist wie in früheren Jahren.“

Die Zahl der persönlichen und wissenschaftlichen Anfragen auf Akteneinsicht sei nach wie vor sehr hoch, Birthler vermutet in den gestiegenen Anfragen seit Januar 2009 einen Zusammenhang mit dem Jubiläumsjahr.

Seit März 2007 hat die BStU 2.600 laufende Meter Akten, fast 150.000 Fotos und über 1.500 Tonträger erschlossen und zur Nutzung zur Verfügung gestellt.

Die Politische Bildung sieht Birthler nach wie vor als eines der wichtigsten Tätigkeitsfelder ihrer Behörde. Einen regionaler Schwerpunkt dieser Arbeit stellen die alten Bundesländer dar, denn dort werde die Stasi noch zu sehr als „ostdeutsches Regionalproblem“ betrachtet.

Buback ein Stasi-Opfer?

Auch der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback hat nun Nachforschungen zu möglichen Stasi-Verwicklungen in den Tod seines Vaters verlangt. "Ich habe schon als Junge gedacht, meinen Vater holt mal die Stasi", so Michael Buback zur "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".

Siegfried Buback war 1977 von der RAF erschossen worden. Bubacks Sohn Michael verwies auf Ermittlungen seines Vaters zu Spionage-Aktionen im Westen: "Mein Vater hat sich sein Arbeitsleben lang mit Landesverrat und Spionage befasst. Wenn man ihm ans Leder wollte, dann deshalb", sagte Buback. Siegfried Buback ermittelte auch in der Guillame-Affäre, die 1974 zum Rücktritt von Bundeskanzler Willy Brandt führte.

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