Patentrecht Mit der Idee vom "Schutz durch Offenlegung" hat das Patentrecht nicht mehr viel zu tun. Es ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Nicht nur deswegen gehört es abgeschafft
Den Erfinder stellen wir uns als Daniel Düsentrieb vor: Ein Genie, das nächtelang in seinem Keller tüftelt und viel Schweiß und Geduld investiert. Plötzlich der Gedankenblitz: eine Erfindung ist geboren, die vielleicht das Leben vieler Menschen verbessert. Ein neues Leuchtmittel zum Beispiel, das im Vergleich zu bisherigen Energiesparlampen nur noch ein Zehntel des Stroms benötigt.
Niemand bestreitet, dass ein Erfinder für seine Arbeit nicht nur Ehre, sondern auch Bezahlung verdient hat. „Schutz durch Offenlegung“ heißt die Formel, nach der unser heutiges Patentrecht funktionieren soll: Der Erfinder stellt sein Wissen der Allgemeinheit zur Verfügung, und als Gegenleistung bietet diese ihm mit dem scharfen Schwert des Rechts Schutz vor
Schutz vor Plagiatoren.Diese Grundidee ist so einfach wie gerecht: Einerseits soll durch das Patentrecht sichergestellt werden, dass sich Erfindungen lohnen, also dass begabte Menschen Schweiß und Geduld in die Forschung investieren, weil sie sich realistische Hoffnungen machen können, durch eine nützliche Erfindung reich zu werden. Andererseits soll das Patentrecht aber auch die reibungslose, schnelle Umsetzung der Erfindung in neue Produkte sicherstellen: Es liegt schließlich im Allgemeininteresse, dass die neue Glühbirne von Daniel Düsentrieb möglichst schnell von vielen Konsumenten eingesetzt wird, um Energie zu sparen.Der Profit der AnwälteMit der Realität unseres heutigen Patentrechts hat diese schöne Idee nichts gemein. Tatsächlich wurde es korrumpiert, missbraucht und zur Fundgrube für Erpresser und Schmarotzer. Der einzige Weg, die Idee vom Patentrecht im Dienste des Erfinders und der Allgemeinheit zu retten, also geistige Eigentumsrechte zu erhalten und Innovationen anzuregen, ist – so absurd das klingt – die Abschaffung des Patentrechtes.Von unserem heutigen Patentrecht profitieren vor allem Mittelsmänner. Die Leidtragenden sind die Erfinder, kleine, innovative Unternehmen, und letztlich auch die Verbraucher.Um die Offenlegung der Erfindung ist es in Wirklichkeit schlecht bestellt: Große Rechtsabteilungen beschäftigen sich im Auftrag ihrer Firmen nur damit, eine Erfindung in einen Schwarm von Kleinst-Innovationen zu zerlegen und einzelne als Patente anzumelden, um so die eigentliche Erfindung zu verschleiern und konkurrierende Unternehmen daran zu hindern, über die Patente das Wissen zu erlangen, mit dem sie ähnliche Produkte herstellen können. Und mit dem Ziel, auf diese Weise mehr von der von dem virtuellen Handels- und Spekulationsobjekt „Patent“ zu generieren.Statt ihren Erfindungsreichtum darauf zu verwenden, neue Produkte zu entwickeln, verschwenden die Konzerne Kreativität und Manpower auf das Geschäft mit den Patentanmeldungen. Unser Patentrecht ist eine gewaltige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Rechtsanwälte, nicht für Ingenieure und Erfinder. Innovative kleine Firmen, die zwar neue reale Produkte erfinden, aber sich keine Rechtsabteilung leisten können, werden durch das Patentrecht nicht geschützt, sondern vom Markt gedrängt. Der Elektronikkonzern Philips, Weltmeister im Anmelden von Patenten, beschäftigt beispielsweise 450 Leute in 16 Ländern in seiner Abteilung „Intellectual Property and Standard“.Auch Firmen, die sich eigentlich ganz der technologischen Innovation widmen wollen, sind gezwungen das Spiel mitzuspielen. 1994 besaß Cisco gerade mal sechs Patente und wurde trotzdem zu einem Weltmarktführer in der Informationsindustrie. Inzwischen meldet die Firma über 1.000 Patente jährlich an – nur um Konkurrenten Patentlizenzen zum Tausch anbieten zu können und somit Gerichtsprozesse und überzogene Straflizenzen zu vermeiden.Die Produktion von Patenten, um sie als Tauschmasse für Crossover-Lizenzen verwenden zu können, ist zu einem existentiell wichtigen Teil der heutiger Unternehmensaktivität geworden. Wer kein Geld hat, sich auf den Handel mit Crossover-Lizenzen einzulassen, riskiert, von skrupellosen Rechtsanwälten in den Ruin getrieben zu werden. In den USA, wo Software anders als in Europa unter das Patentrecht fällt, gibt es Programmierer, die ihre Ideen nicht verwirklichen können, weil sie eine Klage wegen Patentverletzung fürchten.Das moderne Patent ist ein juristisches Konstrukt, mit dem sich an der Börse und am Verhandlungstisch mehr Geld machen lässt, als durch die Verwertung in realen Produkten. Der Erfinder ist nur noch ganz am Rande beteiligt. Spekulanten verdienen das große Geld, indem sie die Verwertungsrechte von Patenten bündeln und am Kapitalmarkt damit Handel treiben. Bei Auflage des Fonds „Patent Invest I“ beispielsweise wurde den Investoren eine Rendite von 18 Prozent in Aussicht gestellt.In den USA lauert für kleinere Unternehmen in Form von Patent-Trollen eine weitere Gefahr. Diese Spekulanten kaufen Patente, ohne die Erfindungen, die ihnen zu Grunde liegen, jemals einsetzen zu wollen. Sie wollen vor allem an Lizenzgebühren verdienen oder teure Vergleiche vor Gericht mit Unternehmen erzwingen, die ihre Patente verwenden. Häufig ist zweifelhaft, ob die Forderungen der Patent-Trolle berechtigt sind. Aber auch bei einer unberechtigten Forderung knickt schnell ein, wer nicht das nötige Geld für einen langwierigen Rechtsstreit um hohe Summen hat.Das Genie der SpekulantenDie Firma Acacia Technologies aus Kalifornien beschäftigt zwanzig Mitarbeiter, die nichts anders tun, als bisweilen sehr zweifelhafte Patente anzumelden und dann andere Firmen wegen unerlaubter Nutzung dieser Patente zu verklagen. So behauptete die Firma, ein Patent auf das elektronische Übertragen von Videoclips durch eine Datenleitung zu besitzen. Und nun droht die Firma allen, die diese Technik verwenden, mit einer Klage. Der John Hopkins University in Baltimore etwa stellte Acacia eine Rechnung aus, die zwei Prozent der gesamten Hochschuleinnahmen ausmachte – weil die Uni Vorlesungen als Videos ins Internet stellte. Die tatsächlichen Erfinder hinter den patentierten Entwicklungen speist Acacia mit 10 bis 20 Prozent der Einnahmen ab. Den großen Reibach machen die Anwälte.In Deutschland funktioniert das Geschäftsmodell der Patent-Trolle noch nicht so gut, unter anderem weil Softwareentwicklungen hierzulande bislang noch urheberrechtlich geschützt sind und nicht über das Patentrecht.Missbrauch, wohin man sieht. Und die Patentämter sind völlig überfordert, dem Einhalt zu gebieten. Fast 150.000 Patente wurden letztes Jahr in Deutschland angemeldet, über 13.000 wurden erteilt. Bis ein Patent, das angemeldet wurde, auch erteilt wird, können Jahre vergehen. Noch länger dauert es, bis der Verbraucher etwas davon hat. Denn niemand wird ein Produkt auf den Markt bringen, von dem er nicht weiß, ob es geschützt wird.Es kostet die Patentämter weniger Zeit, ein Patent zu erteilen, als eine Anmeldung abzulehnen, weil sie sich dann nicht zusätzlich noch mit der Revision des Antragstellers herumschlagen müssen. Das führt dazu, dass den absurdesten Patentanträgen stattgegeben wird. „Trainieren einer Katze mit Hilfe eine Laserpointers“ etwa steht in den USA unter Patentschutz, das „Reservieren eines Platzes auf der Betriebstoilette“ auch.Ein in sein Gegenteil pervertiertes Verständnis von Offenlegung und ein bürokratischer Apparat von Parasiten, die sich eine goldene Nase verdienen, während die Erfinder leer ausgehen: Dieses Patentrecht ist ein Desaster. Da werden intellektuelle und finanzielle Ressourcen verschwendet, Innovationen behindert und der technische Fortschritt aufgehalten.Der Ausweg ist einfach und offensichtlich: Das Patentrecht vollständig abschaffen! Die Erfinder wären den Plagiatoren keineswegs schutzlos ausgeliefert, wenn sie den Schutz der Patentämter nicht mehr erhielten. Denn nach wie vor wäre die Erfindung ihr geistiges Eigentum. Erfindungen sind vergleichbar mit den Werken von Malern, Musikern oder Schriftstellern. An die Stelle des Patentrechtes muss das Urheberrecht treten.Wer ein Buch schreibt, meldet kein Patent an und doch ist sein hierdurch erschaffenes geistiges Eigentum geschützt. Dafür sorgt das Urheberrecht. Verlage schicken die Bücher, die sie veröffentlichen, einfach an die Deutsche Nationalbibliothek, die sie mit Eingangsdatum offiziell registriert und archiviert, ohne dass dafür ein bürokratisches Anmeldeverfahren oder gar der Beistand eines Anwalt benötigt würde.Auch für die Verwertung seines geistigen Eigentums benötigt der Schriftsteller keinen Anwalt – beispielsweise das Recht zur Verfilmung oder zur Übersetzung unterliegt dem freien Vertragsrecht; wie viel Geld das Buch einbringt, liegt am Verhandlungsgeschick des Autors.Das Recht der ErfinderAnwälte und Richter kommen beim Urheberrecht nur dann ins Spiel, wenn jemand seine Rechte beispielsweise durch ein Plagiat real verletzt sieht – im Unterschied zum Patentrecht, wo die rechtliche Zulässigkeit des geistigen Eigentums an der Erfindung quasi virtuell „auf Vorrat“ schon bei der Patentanmeldung geprüft werden muss. Freilich ohne, dass diese Vorabprüfung in irgendeiner Weise die Wahrscheinlichkeit, dass es später zu einem Ideendiebstahl kommt, verkleinert.Ideendiebstahl verbietet auch das Urheberrecht. Aber natürlich ist es bei jeder Form von geistigem Eigentum, seien es Romane, Lieder oder Erfindungen, eine oftmals komplexe und uneindeutige Angelegenheit, zu entscheiden, ob und wieweit fremdes geistiges Eigentum mit eingeflossen ist oder kopiert wurde. Zitate aus anderen Werken sind häufig intertextuelle Kunstgriffe und machen einen Teil des literarischen Werts eines Buches aus. In solchen Fällen geht es weniger um ein Verbreitungsverbot oder Schadensersatz, als darum, dass der Plagiator zugibt, abgeschrieben zu haben.Aber nicht immer muss sich der Kläger mit Ruhm und Ehre zufrieden geben. So entschied das Landgericht München I im Dezember 2008, dass Gary Moore das Gitarrensolo in seinem Song „Still got the blues“ von dem deutschen Musiker Jürgen Winter geklaut hatte. Dieser hatte bereits 16 Jahre vor Erscheinen von Gary Moores Welthit im Song „Nordrach“ mit der Band Jud‘s Gallery ein Solo gespielt, das nun, so das Gericht, als Vorlage für Moores Solo diente. Moores Plattenfirma Virgin wurde verurteilt, die Einnahmen offenzulegen, die sie mit „Still got the blues“ gemacht hat, und ein weiterer Prozess wird den Anteil festlegen, der Jürgen Winter zusteht.Erfindungen ließen sich genauso wie Bücher und Tonträger in den Nationalbibliotheken ein einem Europäischen Zentralarchiv sammeln. Die Urheberschaft des Erfinders wäre so einfach und trotzdem gerichtsverwertbar für den Fall eines späteren Prioritätenstreits dokumentiert. Um den Verkauf und die Verwertung einer Erfindung kümmert sich der Erfinder selbst – bei freier Vertragsgestaltung mit seinen Abnehmern.Erst wenn jemand seine Rechte real verletzt sieht, weil jemand die Erfindung ohne vertraglicher Erlaubnis für eigene Zwecke nutzt, kämen Anwälte und Gerichte ins Spiel. Natürlich bräuchte man einen gesetzlichen Rahmen, der bei einem Rechtsstreit wegen des vermuteten Diebstahls einer Erfindung einen gerechten Ausgleich der Einzelinteressen zum größtmöglichen Nutzen der Allgemeinheit herstellt – sozusagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verwertungsvertäge von Erfindungen.Und wenn das ganze Geld, das jetzt für die Juristen in den Patent- und Rechtsabteilungen ausgegeben wird, in Wissenschaftler und Ingenieure investiert wird, werden wir einen Innovationsschub und Wirtschaftsboom von ungeahnten Ausmaßen erleben.
×
Artikel verschenken
Mit einem Digital-Abo des Freitag können Sie pro Monat fünf Artikel verschenken.
Die Texte sind für die Beschenkten kostenlos.
Mehr Infos erhalten Sie
hier.
Aktuell sind Sie nicht eingeloggt.
Wenn Sie diesen Artikel verschenken wollen, müssen Sie sich entweder einloggen oder ein Digital-Abo abschließen.