Nichts verändert sich so schnell wie das Internet. Ständig wartet es mit neuen Phänomenen auf. Das letzte dieser Art war Twitter. Zuerst nur von eingefleischten Webzweinullern und internetaffinen Menschen mit zu viel Zeit benutzt, gebrauchen es heute Zeitungen wie die New York Times oder der Freitag, aber auch Parteien oder einzelne Abgeordnete. Was im digitalen Establishment ankommt, ist für die Netzavantgarde nicht mehr interessant. Ihr Glück, dass es nicht immer so schnell geht wie bei Twitter.
Das Kino brauchte länger, um die Eigenarten des Internets zu entdecken. Ende August kommt „LOL“ in die Kinos. Eine nicht besonders originelle Adoleszensgeschichte über die Schwierigkeiten, die es bedeutet, ein Teenager zu sein und geschiedene Eltern zu haben, die sich zwar ganz unorthodox noch zum Ficken treffen, aber nicht wissen, dass „lol“ für „laughing out loud“ steht und Gelächter in die Chatsprache übersetzt. „'La Boum' war gestern – heute ist LOL. Laughing out Loud“ bewirbt sich der Film selbst. „La Boum“ war aber nicht gestern. Fragt man die, die „lol“ in ihre Chats schreiben oder „rofl“ („rolling on floor laughing“), wenn's besonders komisch wird, ist „La Boum“ so was von Vorvorgestern. Immerhin ist der Film von 1980 und damit schon mindestens zwei Teenagergenerationen alt. Und auch im Netzjargon sind Akronyme wie „lol“ nicht gerade neu. Scheint, als seien die Filmemacher von „LOL“ nicht ganz „up2date“.
Sie sind damit nicht die einzigen. Langenscheidt hat ein Lexikon der Jugendsprache herausgegeben und auch Übersetzungen vom Netzjargon in geschriebene Sprache finden sich allerorts: Verschiedene Zeitungen greifen den Slang von Jugendlichen oder der Netzgemeinde immer wieder auf, was selten über die Verbreitung von Klischees hinausgeht. Dass „btw“ „by the way“ ("übrigens...") bedeutet und „4yeo“ a.k.a. „for you eyes only“ eine Bitte zur Verschwiegenheit ist, kann man darin lesen.
Ein Blick in solche Übersetzungen ist immer wie der peinliche Moment, in dem sich ein Vater mit seinen Kindern gemein machen will und Dinge wie „oberaffengeil“ sagt. Die aufgeführten Begriffe sind zumeist völlig überzeichnet, tatsächlich spricht so niemand. Eine gelungene Ausnahme ist das Szenesprachenwiki aus dem Hause Duden, das aber von den Besuchern der Seite selbst befüttert wird und damit um einiges näher an der Realität ist.
Auch die Liste von Abkürzungen aus dem Netzjargon der Wikipedia bildet eine, wenn auch bisweilen sehr spezielle, realistische Netzsprache ab. Akronyme wie „lol“ oder „imho“, was für „in my humble opinion“ (="wenn du mich fragst...") steht, die in allen Foren und Chats verwendet werden, listet Wikipedia ebenso auf wie Begriffe, die auch unter Vielsurfern nicht allen bekannt sein dürften. „w00t“ ist beispielsweise ein Ausdruck überschwänglicher Freude, „utfse“ ist eine nachdrückliche Aufforderung, sich an Google zu wenden - es steht für „Use the fucking search engine“ - und „pebkac“ (problem exists between keyboard and chair“) nur ein Synonym für „dau“, den „dümmsten anzunehmenden User“.
Dem Laien leichter verständlich als solche Abkürzungen sind diejenigen, die den Laut des Wortes verkürzt wiedergeben. Aus „Nacht“ wird „n8“ oder aus „see you“ „c u“.
Nun bekommt also der Netzjargon seinen eigenen Film. Wäre die Netzgemeinschaft konsequent, müsste sie flugs eine neue Sprache erfinden. Denn spätestens, wenn Papa „lol“ sagt, statt über die Witze seiner Kinder zu lachen, ist die Chatsprache veraltet.
Die Überschrift ist ein Kalauer? Scnr („sorry could not resist“).
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