Schnutinger tritt ab

Online-Spin Vodafone hat für eine Werbekampagne einige Blogger eingespannt – und wird dafür im Netz verprügelt. Wegen der scharfen Kritik stellt eine Bloggerin nun sogar ihr Blog ein

Wenn Prominente Werbung machen, profitieren sie meist davon – genauso wie das Produkt, für das sie werben. Gregor Gysi, der unbezahlt für die Bild wirbt, obwohl das Blatt nicht gerade freundlich über seine Partei berichtet, lächelt zurzeit von tausenden Bild-Werbetafeln. Passt im Vorwahlkampf natürlich gut.

Wenn aber Menschen, von denen die Werbung nur behauptet, sie seien Prominente, für ein Produkt werben, kann das furchtbar schief gehen. Das hat jetzt das Beispiel Vodafone gezeigt.

In der neuen Werbekampagne des Unternehmens treten auch Blogger und Netzgrößen wie der unvermeidliche Sascha Lobo auf, dessen Irokesenkamm in deutschen Medien mit Vorliebe dann abgebildet wird, wenn es gilt Netzthemen zu illustrieren. Die Blogger-Auftritte sollen offenbar die Glaubwürdigkeit der Werbekampagne bei der Netzgemeinde und vor allem bei jungen Leuten erhöhen. Das ist aber ziemlich nach hinten losgegangen. Die Werbung wurde von ihrer Zielgruppe, der "Generation Upload", wie Vodafone sie – mäßig originell – nennt, äußerst kritisch aufgenommen. In der Online-Szene, die besonderen Wert auf Authentizität legt, wird der Auftritt von Bloggern in Werbespots, auf Plakatwänden und in Firmenblogs weitgehend abgelehnt. Und der Ton, in dem die Kritik im Netz artikuliert wird, ist dabei nicht gerade sanft. "Ich muss kotzen" gehört noch zu den harmloseren Kommentaren.

Das erste Opfer der Netz-Kritik

Die Kritik hat nun ein erstes Opfer gefordert. Ute Hamelmann, die bisher als Bloggerin "Schnutinger" Texte und Cartoons ins Netz stellte, hat angekündigt, sich wegen der Kritik und persönlicher Angriffe aus dem Internet zu verabschieden. Am Dienstag veröffentlichte sie ihren letzten Eintrag in ihrem Blog. Frühere Einträge hat sie gelöscht, darunter einen, in dem sie auch selbstkritisch über ihren Auftritt in der Vodafone-Kampagne nachdenkt.

In Hamelmanns letztem Beitrag, der mit "Tja" überschrieben ist, erklärt sie: "Die Werbung ist das eine, aber wenn mir persönlich nicht mehr geglaubt wird, dann geht nichts mehr, dann bleibt nur eins: Der Rückzug. Ich werde vielleicht irgendwann an einer ganz anderen Stelle, ganz anders weitermachen, gewiss werde ich nicht mehr Web 2.0 machen."

Nun kann man über die Glaubwürdigkeit von "Schnutinger" in der Tat diskutieren. Die Kritik an Ute Hamelmann entzündete sich vor allem an einem Blog-Beitrag, den sie am Montag mit dem Titel "Twittermom" im Vodafone-Firmenblog veröffentlichte. Er endete mit einem Werbeabsatz über ein Handy, das es bei Vodafone zu kaufen gibt: "Tolles Ding, mit wenig Knöpfen dran, das ist äußerst praktisch." Der passende Link zum Bestellen war eingebaut. Bis Mitternacht desselben Tages waren 127 Kommentare unter Hamelmanns Text geschrieben worden waren. Der erste fragte: "Was ist denn das für ein Bullshit? Wollt ihr uns verarschen?" Und so ging es weiter.

Sie schwärmte von Flickr, hatte es aber schon lang nicht mehr benutzt

Die Kommentatoren haben auch herausgefunden, dass Hamelmann den Bilderdienst Flickr, den sie in ihrem Beitrag bewirbt, lange nicht benutzt hat. Oder dass sie sich zwar "Twittermom" nennt, aber gerade aufgehört hatte, zu twittern. Zwei Kommentare unter dem Artikel, die für Hamelmann Partei ergriffen, mussten sich den Vorwurf der Schleichwerbung gefallen lassen. Die Angst, manipuliert zu werden, ist im Netz offenbar groß. Und online gibt es kein Pardon. Das gilt besonders für die, die Schwäche zeigen, und das hat Hamelmann mit ihrem Blogeintrag über die Vodafone-Kampagne, in dem sie sich als Naivling und Sensibelchen outete. Das hat auch Vodafone getan – mit einer grottenschlechten Werbekampagne, die ihre Zielgruppe völlig falsch einschätzte und von einem Fettnäpfchen ins nächste trat.

Ute Hamelmann hat sich für eine Werbekampagne einspannen lassen, die Unternehmen zeigt, wie man bitte nicht versuchen sollte, die Blogosphäre zu erobern. Sie ist das Bauernopfer, das Kritik einstecken muss, die unter Spitznamen wie "tom" oder "capo" geäußert wird. Das ist vielleicht nicht fair, aber im Internet nie anders gewesen. "Selbst schuld", erkennt Hamelmann in ihrem letzen Beitrag ganz richtig.

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