Auf dem Spielfeld, wo sonst die Berliner Basketballer um Punkte kämpfen, stehen eine weiße Kerze und eine Vase mit weiße Lilien. Auf dem Fernsehwürfel unter dem Hallendach sind die Köpfe von Moderatoren eines lokalen Radiosender zu sehen, die den Abend in der O2-Arena in Berlin-Friedrichshain moderieren. Sie müssen die Verspätung überbrücken, der Beginn der Trauerfeier in Los Angeles lässt auf sich warten.
So lange konzentriert man sich in Berlin auf das Positive: „Das Gute an der Verspätung ist, dass wir nichts verpassen, wir werden alle hier bleiben und nachher gemeinsam mit den Angehörigen, mit seinen Freunden aus dem Entertainment diese letzte Party zu seinen Ehren feiern.“ Er, das ist Michael Jackson, mit dem in de
dem in der O2-World alle per Du gewesen zu sein scheinen. Die Moderatoren und Gäste, die man fragt, sprechen alle nur von Michael, wie von einem alten Bekannten, den man vielleicht länger nicht gesehen hat.Manche tanzen allein vor sich hinBis es im Staples Center in Los Angeles los geht, sind in der Berliner Halle Michael Jacksons größte Hits aus der Konserve zu hören. Aber nur wenige Zuschauer, die sich auf knapp die Hälfte der Sitzplätze verteilen, bewegen sich zur Musik über ein Wippen mit den Füßen hinaus. In der erste Reihe schunkeln ein paar Mädchen, hier und da ist jemand aufgestanden, um allein zwischen den Stühlen tanzen zu können.Die meisten setzen ihre Unterhaltungen nur etwas lauter fort, um die Musik zu übertönen. Als sich die Verspätung in die Länge zieht, wird die O2-World etwas abgedunkelt, was die Sache in Los Angeles aber auch nicht beschleunigt. Auf den elektronischen Textstreifen zwischen den Rängen werden wechselnde Huldigungen an den verstorbenen „King of Pop“ gezeigt: „We miss you“ und „Rest in peace“ und natürlich: „Moonwalk forever“. Vieles ist an diesem Abend auf Englisch – auch die Trauerfeier aus Los Angeles, als sie endlich losgeht, wird nicht synchronisiert. Möglich, dass das zu Verständnisproblemen im Publikum führt. Macht aber nichts. Denn das Interesse an den Reden von Pastor Lucias Smith und Queen Latifah ist doch gering.Berlin klatscht, wenn Los Angeles es vormacht. Dabei gilt: Je größer das Lob für Michael Jackson, desto lauter der Applaus. Auch die in Los Angeles auftretenden Musiker, die Lieder Jacksons aufführen, stoßen in Berlin nur auf zaghaften Applaus. Das Problem, das Mariah Carey, Stevie Wonder und Lionel Richie an diesem Abend gemeinsam haben, ist: Sie sind nicht Michael Jackson. Als ein Videomedley auf dem Fernsehwürfel erscheint, das Auszüge aus Musikvideos und Liveauftritten Jacksons zeigen, kommt Bewegung in die Menge. Ein kurzer Ausschnitt aus dem berühmten „Moonwalk“ reißt sie endlich von den Sitzen. Leider folgt darauf wieder eine Rede. Berry Gordy, legendäre Motown-Figur und Endecker der Jackson Five, ist den Leuten in Berlin entweder kein Begriff oder egal.Keiner klatscht für GottFür einen Memorial Service sieht es zwar auch im Staples Center mehr nach MTV Music Awards aus, aber immerhin gibt es einen Gospelchor, eine Predigt und von Maria Carey ein „Thank you, Jesus.“ Die andächtige Stimmung, die in Los Angeles aufzukommen scheint, bleibt irgendwo in der Leitung zwischen Kalifornien und Berlin stecken. In der O2-World kommt sie jedenfalls nicht an. Auch Stevie Wonders Ausruf „God is good“, in Los Angeles laut beklatscht, führt in Berlin zu keiner Reaktion, aber hier will man ja auch keinen Religionsunterricht. Interkulturelle Unterschiede zwischen der amerikanischen Westküste und der Mark Brandenburg.Bayerische Jugendliche auf Klassenfahrt in Berlin erzählen freimütig, dass sie nur in die Halle gekommen sind, weil sie "ein Abendprogramm brauchten". Die meisten Besucher sagen, dass sie Michael Jackson „die letzte Ehre erweisen“ wollen. Viele sind heute keine Fans seiner Musik mehr, aber sie sagen, er sei Teil ihrer Kindheit gewesen. „Er hat so viel erreicht und auch so viele Schläge abbekommen. Kann man schon machen, ihn ehren“ sagt eine junge Frau aus Berlin, die seine Musik inzwischen aber nicht mehr hört.Weil Redner und Sänger in Los Angeles, wie viel Mühe sie sich auch geben, sich nicht in Michael Jackson verwandeln können und auf dem Fernsehwürfel mehr Reden als Musikvideos gezeigt werden, bleiben nicht alle bis zum Schluss der dreistündigen Veranstaltung. Die Merchandise-Stände im Foyer bieten Fan-T-Shirts des „King of Pop“ an. "London 2009" steht darauf, sie sollten eigentlich auf den Comeback-Konzerten, die für diesen Monat geplant waren, verkauft werden. Die Stände machen ein gutes Geschäft. Auf den T-Shirts ist ja auch Michael Jackson drauf.