Angepasste Klimaforschung

CO2-Emissionen Laut einem UN-Report darf bis 2030 deutlich mehr Kohlendioxid ausgestoßen werden als bislang errechnet. Doch die Zahlen wurden manipuliert und verschleiern das Problem
Der Kampf ums Zwei-Grad-Ziel: Bei den Angaben der Emissionsmenge wird in Paris getrickst
Der Kampf ums Zwei-Grad-Ziel: Bei den Angaben der Emissionsmenge wird in Paris getrickst

Foto: Kevin Frayer/AFP/Getty Images

Sie gelten als die großen Mahner im Namen des Klimaschutzes, doch in Wirklichkeit rechtfertigen sie mit ihren wissenschaftlichen Prognosen auch die katastrophale Verweigerungspolitik vieler Länder. Die Forscher vom UN-Umweltprogramm stellen jedes Jahr einen Report zur sogenannten „Emissionslücke“ vor. Er zeigt, wie viel CO2 die Staaten dieser Welt zusätzlich einsparen müssten, um die Erderwärmung auf zwei Grad gegenüber vorindustriellem Niveau zu begrenzen. „Die Message ist seit 2010 immer die gleiche“, sagt der Klima-Experte Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik über den Report. „Es gibt eine große Emissionslücke, die geschlossen werden muss, wenn man das Zwei-Grad-Ziel noch erreichen will. Aber wenn wir jetzt schnell handeln, können wir es noch schaffen.“

Das Problem: Dieser Zweckoptimismus führt dazu, dass die Zukunftsszenarien an die aktuelle Politik angepasst werden. Und dann auch mehr CO2-Ausstoß zulassen als in der Vergangenheit.

Ein Fünftel mehr Kohlendioxid

Der Report für das aktuelle Jahr 2015 wurde in dieser Woche auf dem Pariser Klimagipfel präsentiert. Darin wird auch angegeben, welche Mengen an Kohlendioxid in den Jahren 2020, 2025 und 2030 weltweit ausgestoßen werden dürfen. Die Werte liegen jedoch deutlich über denen, die noch vor zwei Jahren genannt wurden. Die Botschaft: Wir müssen gar nicht so viel reduzieren.

Wie kann das sein? Bislang wurde in den Szenarien davon ausgegangen, dass die Emissionen ab dem Jahr 2010 so gesenkt werden, wie es wirtschaftlich sinnvoll wäre („cost-optimal“). Im Report 2014 wurde parallel dazu eine weitere Modellkategorie eingeführt: Nun wurde auch berechnet, wie der Minderungspfad aussehen kann, wenn bis zum Jahr 2020 zu wenig getan wird („limited action“), und anschließend dafür stärker reduziert wird. Im aktuellen Report 2015 ist nur noch die zweite Variante zu finden. Es wird also einfach hingenommen, dass in den kommenden Jahren zu wenig für den Klimaschutz getan wird.

Deshalb dürfen die Staaten laut diesen Berechnungen in den Jahren 2020 und 2025 rund ein Fünftel mehr Kohlendioxid ausstoßen als bisher vorgegeben (52 statt 44 Gigatonnen und 48 statt 40 Gigatonnen). Selbst im Jahr 2030 sind noch leicht höhere Emissionen erlaubt.

Zwei-Grad-Ziel wird umdefiniert

Die Autoren des Reports haben sich aber noch einen weiteren Trick einfallen lassen: Sie definieren heimlich das Zwei-Grad-Ziel um. Eigentlich ist es als absolute Obergrenze gedacht, die Durchschnittstemperatur soll nie darüber liegen. Im neuesten Report sind aber auch Szenarien zu finden, in denen die Temperatur zwischenzeitlich über zwei Grad hinausschießt – und dann bis zum Jahr 2100 wieder auf das Niveau sinkt („2°C by 2100“ im Gegensatz zu „2°C during the 21st century“). Durch diesen Trick lässt sich auch die erlaubte Emissionsmenge für das Jahr 2030 nochmal deutlich anheben – auf insgesamt 42 statt der 35 Gigatonnen im alten Bericht.

Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist empört: „Der neue Report vermittelt auf diese Weise leider den fragwürdigen Eindruck, dass sich trotz ausbleibender Emissionsminderung immer ein Weg findet, das Zwei-Grad-Ziel noch in Reichweite zu halten. Faktisch verschleiert das UN-Umweltprogramm damit die Folgen ausgebliebener klimapolitischer Anstrengungen.“

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