Es ist eine seltsame Demonstration: Drei Mitarbeiter des Energiekonzerns ExxonMobil stellen sich vor einem Fernsehteam auf. Sie tragen rote Arbeitskleidung und weiße Helme. In der Hand halten sie Pinnchen. „Wenn’s denn der Sache dient, trinken wir das jetzt“, sagt einer. Dann folgt vor laufender Kamera der angebliche Beweis: Das Gemisch, das ExxonMobil für die umstrittene Gasfördermethode Fracking benutzen will, soll völlig ungefährlich sein.
Das ARD-Magazin Panorama hat die Exxon-Mitarbeiter zu dieser Inszenierung gedrängt. Es passt so schön zum Tenor des Beitrags: Die Risiken des Frackings würden „maßlos übertrieben“, da seien sich die Experten einig. Zum Beweis wird noch der Autor einer Studie für das Umweltbundesamt interviewt. Die Technik sei „beherrschbar“, sagt er. Wirklich? In der Studie selbst ist zu lesen, es bestehe noch Forschungsbedarf, „ob und wie die Grundwassersituation beherrscht werden kann“. Das erfährt der Fernsehzuschauer allerdings erst wenige Wochen später. Da nimmt sich auch das ARD-Magazin Monitor des Themas an – und den Panorama-Beitrag auseinander. Unter anderem muss ein Exxon-Sprecher einräumen, dass die demonstrativ getrunkene Flüssigkeit bisher noch gar nicht bei Fracking-Bohrungen getestet wurde. Das deckt sich mit der Aussage des Bundesumweltministeriums: Alle Angaben der Gasförderunternehmen zeigten, „dass auf wassergefährdende Stoffe derzeit nicht vollständig verzichtet werden kann“.
Die Fracking-Technik zur Erdgasgewinnung spaltet die deutsche Gesellschaft. Befürworter sehen darin eine Möglichkeit, die Abhängigkeit von Energieimporten zu verringern. Gegner hingegen fürchten die Verschmutzung des Trinkwassers. Durch Fracking lassen sich Erdgasvorkommen ausbeuten, die mit den bisher genutzten Methoden nicht erschlossen werden können. Dazu wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst. Durch den hohen Druck bricht das Gestein und das Gas entweicht. Aber können dabei gefährliche Stoffe ins Grundwasser gelangen?
In den USA wird die Methode schon im großen Stil angewendet. Die deutsche Bevölkerung ist noch skeptisch. Viele sind verunsichert, etwa wegen der Bilder aus dem Dokumentarfilm Gasland: Ein Mann hält sein Feuerzeug neben den laufenden Wasserhahn und plötzlich entsteht eine riesige Stichflamme. Zu viel entzündliches Methangas im Wasser. Allerdings haben Untersuchungen inzwischen gezeigt, dass in diesem konkreten Fall nicht das Fracking in der Region schuld war, sondern Methan, das aus natürlichen Gasschichten kommt.
Doch es gibt Risiken, das bestreitet auch niemand. Das Umweltbundesamt fordert daher eine starke Regulierung. Die könne so weit reichen, dass sie „einem Verbot von Fracking gleichkommt“, wie Präsidentin Maria Krautzberger sagt. Auch Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) spricht gerne davon, dass ihr mit dem Wirtschaftsministerium ausgehandeltes Gesetzespaket die neue Fördertechnik im Kern verbiete – mit wenigen Ausnahmen. Der Referentenentwurf liegt vor, in der kommenden Woche soll er im Kabinett beschlossen werden.
Die Länder warten schon
Doch von einem Fracking-Verbot kann keine Rede sein; es gibt es jede Menge Ausnahmen. In Sandstein darf die Methode angewendet werden – das passiert auch schon in Deutschland. Alle Bohrungen, die tiefer als 3.000 Meter gehen, sind ebenfalls erlaubt. In Schiefergestein und Kohleflözen oberhalb der Grenze sind Forschungsprojekte zulässig, und ab 2018 darf auch kommerziell gefrackt werden, wenn ein Expertengremium die Risiken für beherrschbar hält. Die Frack-Flüssigkeit, die in den Boden gepresst wird, darf zwar als Gemisch nur schwach wassergefährdend sein, einzelne Bestandteile können aber durchaus gefährlicher sein.
Bisher gibt es in Deutschland noch gar kein Gesetz zu der umstrittenen Fördermethode, jetzt wird das Fracking erstmals ausdrücklich reguliert. Die Bundesländer warten bereits darauf, und auch die Firmen halten so lange noch still. In Nordrhein-Westfalen gilt derzeit ein Moratorium, und auch in Niedersachsen wird seit drei Jahren nicht mehr gefrackt. Rund 95 Prozent der deutschen Erdgasförderung findet in Niedersachsen statt, dort haben sich das rote Wirtschaftsministerium und das grüne Umweltministerium auf einen Kompromiss geeinigt: Fracking soll in Sandstein weiter erlaubt bleiben, in anderen Gesteinen aber verboten werden. Diese Regelung wurde allerdings noch nicht verabschiedet, stattdessen wartet die Landesregierung offenbar das Gesetzespaket des Bundes ab. Die Firmen stehen mit ihren Anträgen bereits in den Startlöchern.
Ist es akzeptabel, diese Technik komplett zu verbieten, wie Grüne und Linkspartei fordern? Darf man gegen Probebohrungen sein, die möglicherweise neue Daten zur Risikominimierung liefern?
Gesteine des Anstoßes
Hydraulic Fracturing, kurz Fracking, unterscheidet sich von den anderen gängigen Gasfördermethoden in Deutschland und wird allein deshalb schon oft als unkonventionell bezeichnet. Dabei wird die Fracking-Technik hierzulande schon seit Jahrzehnten angewandt – allerdings nur in Sandstein-Vorkommen. In anderen Gesteinsformen wie Schiefer oder Kohleflözen wurde die Methode in Deutschland noch nicht kommerziell erprobt. Manche sprechen daher nur in diesen Fällen von unkonventionellen Gasvorkommen.
Kritiker halten das Gas-Fracking in Schiefergestein für gefährlicher als in Sandstein. Zum einen liegen Schieferschichten nicht so tief im Erdboden und sind damit näher am Grundwasser. Da ist das Risiko größer, dass die chemische und potenziell schädliche Fracking-Flüssigkeit, die in den Boden verpresst wird, mit dem Grundwasser in Berührung kommt. Zum anderen sind im Schiefergestein mehr Bohrungen notwendig, um später effektiv zu fracken. Doch dadurch erhöht sich auch das Unfallrisiko. Trotzdem sieht der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vor, dass künftig auch in diesen Gesteinsformationen gebohrt werden darf – zumindest zu Forschungszwecken.
Eigentlich reicht ein einziges Argument für das Verbot: Wenn das Klima noch gerettet werden soll, muss der Großteil der fossilen Rohstoffe im Boden bleiben – Fracking macht nun mal das Gegenteil. Wenn die Konzerne jetzt einsteigen, investieren sie Millionen und werden daher noch jahrelang an der Gasförderung festhalten. Die energiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Julia Verlinden, bringt es auf den Punkt: „Fracking verlängert das fossile Zeitalter. Für die Energiewende brauchen wir es nicht.“ Strom lässt sich leicht aus Wind- und Sonnenkraft produzieren. Gas wird zwar auch von ungefähr jedem zweiten Haushalt fürs Heizen genutzt. Der Bedarf ließe sich durch Gebäudesanierung jedoch enorm senken, sodass die konventionelle Erdgasförderung ausreichen würde.
Schlechtes Vorbild
Die Konzerne argumentieren, Gas sei klimafreundlicher als Kohle oder Öl. Dabei werden drei Dinge übersehen: Erstens wird beim Fracking auch Methangas freigesetzt, das 21 Mal klimaschädlicher ist als CO2. Wie viel Methan genau entweicht, weiß nicht einmal die Bundesregierung. Wissenschaftliche Studien kommen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Zweitens wird beim Fracking mehr Energie benötigt als bei der konventionellen Erdgasgewinnung. Manche Untersuchungen gehen daher davon aus, dass die Klimabilanz von gefracktem Gas insgesamt ähnlich katastrophal ist wie die von Steinkohle. Und drittens stellt sich die Frage, ob das Gas tatsächlich Kohle und Öl verdrängt oder nicht dazu führt, dass zusätzlich fossile Rohstoffe verbrannt werden. Wer sich die mühseligen Klimaverhandlungen ansieht, wird wohl das zweite Szenario vermuten. Und sollten die Fortschritte in der Technik dazu führen, dass nicht nur mehr Gas, sondern auch noch mehr Öl gefrackt wird, tritt für das Klima endgültig der GAU ein.
Die Gas-Fördermengen in Deutschland sind zwar begrenzt und dürften im globalen Maßstab keine große Rolle spielen. Das spricht aber weder für noch gegen ein Verbot. Vielmehr droht die Bundesrepublik zum schlechten Vorbild zu werden: Wenn schon die umweltfreundlichen Deutschen das Fracking erlauben, kann es nicht so schlecht sein. Für den Klimaschutz wäre das ein verheerendes Signal.
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