Auf Kosten der anderen

Pkw-Abgase Die Bundesregierung verhindert in Brüssel strengere CO2-Grenzwerte für Autos. Werden dadurch Arbeitsplätze gesichert? Nur in Deutschland, der Rest Europas ist Merkel egal
Tut nur so unschuldig: Der Porsche Cayenne, kurz vor seiner Verfrachtung
Tut nur so unschuldig: Der Porsche Cayenne, kurz vor seiner Verfrachtung

Foto: Sean Gallup/ AFP/ Getty Images

Nun hat sie es also doch noch geschafft. Angela Merkel hat zwar keine neue Bundesregierung gebildet, aber schon mal – quasi als vorgezogene Amtshandlung – den Klimaschutz auf EU-Ebene blockiert. Eigentlich gibt es bereits einen Kompromiss zwischen Parlament und den Mitgliedsstaaten: Neue Pkw sollen im Jahr 2020 nur noch durchschnittlich 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen dürfen. Nun jedoch wollen die EU-Staaten den Vorschlag auf Druck von Merkel doch noch ändern.

Merkels Umweltminister Peter Altmaier kramte das Totschlag-
argument aus der Mottenkiste: Man müsse Umweltschutz und Erhalt von Arbeitsplätzen „unter einen Hut bringen“. Was der CDU-Politiker verschweigt: dass es der Bundesregierung nur um deutsche Arbeitsplätze geht. Die französischen und italienischen Autohersteller profitieren nämlich von strengeren Grenzwerten, weil ihre Wagen schon heute vergleichsweise sparsam fahren. Die Autos von Renault und Peugeot-Citroën emittieren durchschnittlich 122 und 125 Gramm CO2, bei Fiat sind es sogar nur 118 Gramm.

Die deutsche Konkurrenz ist deutlich klimaschädlicher: Die VW-Flotte stößt 135 Gramm aus, bei BMW sind es 138, bei Daimler sogar 144. Die deutschen Unternehmen müssten also auf ihre Protzkarossen verzichten – oder umrüsten.

Besonders empörend ist deshalb, dass sich auch der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger mit dem Arbeitsplatz-Argument auf die Seite seiner Parteifreundin Merkel schlägt. Eigentlich sollte er doch das Wohl der gesamten Europäischen Union im Blick haben.

Schönfärberei mit Supercredits

Stattdessen macht Oettinger sich nicht nur für die Verwässerung der Abgasziele stark (sie sollen erst vier Jahre später gelten), sondern auch für die sogenannten Supercredits, ebenfalls eine Idee aus Berlin.

Die Hersteller sollen sich ihre Elektro- und Hybridautos gleich mehrfach als Nullemissions-Fahrzeuge anrechnen lassen können. Die Höhe des durchschnittlichen Flottenausstoßes wird dadurch geschönt. Ohnehin ist es absurd, Elektroautos pauschal als CO2-frei einzustufen, obwohl der Strom aus Kohlekraftwerken stammen kann.

Die Macht der Autolobby

Ist Merkels Kuschelkurs mit der Autoindustrie bloß ein Manöver, um den Grünen zu zeigen, was sie in einer schwarz-grünen Regierung ändern könnten? Unwahrscheinlich, dafür verhindert die Kanzlerin schon zu lange echten Klimaschutz. Ändern wird sich das erst, wenn die deutsche Autolobby ihre Macht verliert.

Derzeit ist sie gut vernetzt. Industrievertreter treffen die Kanzlerin regelmäßig persönlich, Daimler hat den Staatsminister im Kanzleramt abgeworben und Spenden fließen auch in großen Mengen. Jetzt ist bekannt geworden, dass die BMW-Großaktionäre 690.000 Euro an die CDU überwiesen haben.

Gibt es einen direkten Zusammenhang mit Merkels Blockade von strengeren CO2-Grenzwerten? Eher nicht, die Kanzlerin wird sich für diese Summe sicher nicht kaufen lassen. Trotzdem begibt sich die CDU durch solche Spenden in Abhängigkeit, wer will schon auf regelmäßige Einnahmen verzichten?

Der Einfluss der Autolobby muss zurückgedrängt werden. Ein Verbot von Partei­spenden (das dann natürlich für alle Unternehmen und Großaktionäre gilt) wäre ein erster Schritt.

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