Bildungsprotest hat den Gipfel überschritten

Demonstrationen Zu den Schüler- und Studentendemos kommen weniger als noch im vergangenen Jahr. Grund zum Pessimismus gibt es trotzdem nicht: Die nächste Protestwelle kommt bestimmt

Der Höhepunkt ist überschritten, und es war absehbar. Als im letzten Jahr bundesweit 270.000 Schüler und Studenten auf die Straße gingen, hat wohl niemand ernsthaft geglaubt, dass die Proteste ein Jahr später noch genau so stark sind. Denn mit dem Bildungsstreik verhält es sich wie mit der Wirtschaft: Es gibt ein ständiges Auf und Ab, jede Studentengeneration erlebt mindestens einmal ein Hoch der Protestkonjunktur.

2009 war solch eine Boomphase, jetzt machen sich die ersten Anzeichen bemerkbar, dass es wieder abwärts geht: In Berlin schreiben die Organisatoren auf ihrer Website von 7.000 Teilnehmern, tatsächlich haben aber wohl weniger als 5.000 Menschen mitdemonstriert, hauptsächlich Schüler. Schämen müssen sich die Organisatoren wegen solcher Zahlen zwar nicht, aber ein paar mehr Protestler hatten sie zuvor doch erwartet. Im letzten Jahr waren es noch über 10.000. In den anderen Städten sieht die Tendenz genauso aus.

Bei manchen ist die Luft raus

In Berlin ist dennoch von einem „Riesen-Erfolg für die Bewegung“ die Rede – zumindest in „Anbetracht der Tatsache, dass dies schon der dritte Bildungsstreik in Folge ist“. Das zeigt: Nach einem Jahr ist bei manchen die Luft raus. Klar, die Missstände an den Schulen und Unis haben sich nicht geändert. Aber immerhin hat Ministerin Schavan zum Bildungsgipfel geladen und verspricht Dialog. Einige Studierende mögen jetzt erstmal abwarten, was dabei rauskommt.

Runde Tische haben schon seit eh und je die Funktion, sozialen Protestbewegungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wer das durchschaut, war wohl auch jetzt wieder auf der Straße. Doch es gibt ein weiteres Bewegungsproblem: Die Organisatoren, die den Bildungsstreik mit viel Aufwand vorbereiten, müssen sich irgendwann auch um die Schule oder Uni kümmern. Und ohne Mobilisierung keine Menschenmassen. Nicht umsonst war auf der Berlin-Demo oft zu hören, man könne angesichts der geringen Mobilisierung mit den Teilnahmezahlen doch gut zufrieden sein.

Auch Bachelor-Studenten sind protestbereit

Pessimistisch müssen die Studenten und Schüler aber nicht sein: Die nächste Protestwelle kommt bestimmt. Denn die Proteste zeigen ebenfalls, dass auch Bachelor-Studenten bereit sind, für eine bessere Bildung zu kämpfen. Vor zwei Jahren mussten sich die Jüngeren noch die Unkenrufe der älteren Studentengeneration anhören: Das Bachelor-Studium ist so verschult; wer da mitmacht, findet keine Zeit mehr, nach links oder rechts zu gucken.

Die ersten Bachelor-Studenten ernteten eine Mischung aus Mitleid und Vorwürfen, sich freiwillig zu Versuchskaninchen in solch einem System zu machen. Heute ist der Bachelor Standard. Die modularisierten Studiengänge haben nicht unbedingt zu mehr Freizeit beigetragen. Aber an den Universitäten mahlen die Mühlen langsam. Die Professoren sind noch immer dieselben, und die bestimmen weitestgehend die Arbeitsbelastung. Dass durch eine Studienreform der Protest dauerhaft lahmgelegt werden könnte, war ein naiver Irrglaube. Nun ist das auch empirisch bewiesen.

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