Bleibt uns vom Hals!

Wahlrecht Die großen Bundestagsparteien planen eine Drei-Prozent-Hürde für die Europawahl. Eine Zersplitterung des Parlaments ist Quatsch, es geht um das Ausschalten der Konkurrenz
Bleibt uns vom Hals!

Foto: Frederick Florin / AFP / Getty

Nein, vom Bundesverfassungsgericht wollen sich die Bundestagsabgeordneten nicht beherrschen lassen. Die Karlsruher Richter hatten vor rund eineinhalb Jahren die Fünf-Prozent-Klausel bei der Europawahl für verfassungswidrig erklärt. Aber die großen Parteien wollen sich doch ihre Konkurrenz vom Hals halten, die NPD nicht im Europaparlament sehen! Deshalb planen sie jetzt eine Drei-Prozent-Hürde. Union, SPD, Grüne und FDP haben sich laut Medienberichten schon darauf geeinigt, alleine die Linkspartei ist für einen barrierefreien Zugang ins Europaparlament. Das ist auch der einzig vernünftige Weg.

Man mag sich darüber streiten, ob mit dem geplanten Gesetz vorsätzlich gegen die Verfassung verstoßen wird. Manche Juristen meinen, die Fünf-Prozent-Klausel wurde gekippt, das sage aber nichts über eine Drei-Prozent-Hürde aus. Darum geht es aber auch gar nicht. Es geht darum, dass mit jeder Hürde die großen Parteien privilegiert werden, und das schwächt die Demokratie.

Selbst erfüllende Prophezeiung

Tausende Stimmen fallen unter den Tisch, aber was noch schlimmer ist: Eine Hürde verleitet die Wähler zu strategischen Überlegungen. Selbst wenn mehr als fünf Prozent der Bürger für eine Partei sind, stimmen einige stattdessen für ihren Zweitkandidaten – aus Angst, ihr Favorit könnte es nicht schaffen. Es ist eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Bei der Bundestagswahl wird die Fünf-Prozent-Hürde begründet mit einer befürchteten Zersplitterung des Parlaments in viele Kleinstparteien, die nicht mehr zum Regieren in der Lage seien. Das ist zwar schon in Deutschland eine komische Vorstellung, aber auf europäischer Ebene ist sie einfach nur absurd. Ohne die deutsche Sperrklausel wären im EU-Parlament 169 Parteien vertreten, jetzt sind es nur – 162 Parteien. Sie schaffen es auch, sich zusammenzuraufen und Mehrheiten zu organisieren. Teilweise arbeiten Parteien in einer europäischen Fraktion zusammen, die sich auf nationaler Ebene in Regierung und Opposition bekriegen.

In manchen EU-Staaten gibt es weder Fünf- noch Drei-Prozent-Hürde. Wenn es die Klausel in Deutschland gibt, ist das ganz klar eine politische Entscheidung der großen Parteien gegen ihre unliebsame Konkurrenz. Die konservative Öko-Partei ÖDP hat bereits Verfassungsklage angekündigt. Wahrscheinlich müssen die Karlsruher Richter die Politik mal wieder zur Vernunft rufen.

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