Bonner Wetter

Gipfel Klimaschutz ist die soziale Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Doch die Politik verharrt im Nichtstun
Ausgabe 44/2017

Auf den ersten Blick ist die Tatsache lustig, auf den zweiten sehr ernst: Die Fidschi-Inseln übernehmen in diesem Jahr die Präsidentschaft für die Weltklimakonferenz, doch der Gipfel findet in Deutschland statt – dem Inselstaat fehlt es an Infrastruktur und Kapazitäten zur Ausrichtung des zweiwöchigen Mega-Events. Daher werden die Tausende Diplomaten, Politiker und Beobachter ab kommendem Montag in Bonn erwartet, dem Sitz des UN-Klimasekretariats. Deutschland hilft den Fidschi-Inseln, also alles paletti? Die Ausrichtung der diesjährigen Konferenz wirft ein Licht auf die strukturelle Ungleichheit in den Verhandlungen über die internationale Klimapolitik. Wer die Ressourcen hat, kann bestimmen, wohin die Reise geht.

Um das zu verstehen, muss man wissen, wie Klimakonferenzen ablaufen. Im Plenum sitzen zwar alle Staaten zusammen und treffen die Entscheidungen. Die Deals werden jedoch zuvor in Untergruppen ausgehandelt, in kleinen Runden, teilweise in Hinterzimmern abgesprochen. Die Konferenz mit herumwuselnden Verhandlern und Interessenvertretern ähnelt fast schon einem Basar. Wer weiß, wann wo was passiert, ist im Vorteil. Die reichen Länder können sich mit großen Regierungsdelegationen großen Einfluss verschaffen.

Dadurch werden die globalen Ungerechtigkeiten nochmals verschärft: Die Entwicklungsländer sind am wenigsten verantwortlich für den Klimawandel, von den Auswirkungen jedoch am stärksten betroffen – und können dann auch noch am wenigsten mitreden. Klimaschutz ist beileibe nicht das Öko-Thema für Wohlhabende, die keine anderen Probleme haben. Klimapolitik ist die große soziale Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Warum wird sie nicht als solche wahrgenommen?

Zum einen ist die Erderwärmung ein relativ abstraktes Problem. Man sieht zwar die Dürren, die Überschwemmungen, doch Wetter-Extreme gab es schon vorher, sie werden eben nur wahrscheinlicher. Zum anderen leben die am stärksten betroffenen Menschen weit weg – in der Zukunft oder am anderen Ende der Welt. Daher retten Politiker mit Klimaschutz vielleicht die Menschheit, aber im eigenen Land ist damit kein Wahlkampf zu gewinnen.

Dafür eignet sich dann doch besser die plumpe Polemik gegen internationale Klimavorgaben, die angeblich die heimische Wirtschaft gefährden. US-Präsident Donald Trump hat einst die globale Erwärmung als eine Erfindung Chinas bezeichnet und nach seiner Wahl immer wieder das Pariser Klima-Abkommen kritisiert. Im Sommer dieses Jahres verkündete er dann offiziell: Die USA werden aus dem Vertrag aussteigen. Allerdings ist die Kündigung frühestens drei Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens möglich und würde erst ein Jahr später wirksam. Der früheste Termin für den Austritt wäre also der November 2020 – dann steht in den USA die nächste Präsidentenwahl an.

Allein die Absichtserklärung hat die internationale Klimadiplomatie jedoch ordentlich aufgescheucht. Kein Wunder: Die Vereinigten Staaten sind für 16 Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich, das ist sehr viel für ein einzelnes Land. Sofort wurde beschwichtigt: Die Transformation zu einer klimafreundlichen Welt lasse sich auch von einem US-Präsidenten nicht aufhalten, die US-Wirtschaft habe bereits den richtigen Kurs in Richtung Klimaschutz eingeschlagen.

Zu Hause anfangen, bitte!

Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Natürlich werden beispielsweise erneuerbare Energien billiger. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass der Verbrauch an fossilen Ressourcen in erforderlichem Maße sinkt. Sinken die Preise, kann der Gesamtkonsum nämlich auch steigen. Kurz: Es ist fatal, die Zukunft des Planeten dem Markt zu überlassen. Dann wäre Klimapolitik unnötig und man könnte die internationalen Verhandlungen sein lassen.

Gefährlicher als Trumps Ausstieg aus dem Paris-Abkommen sind jedoch die Aktivitäten der anderen Staaten: Sie verweisen auf die USA und vertuschen damit ihr eigenes Versagen. Natürlich ist es richtig, Donald Trump zu kritisieren. Aber es ist eben auch sehr leicht. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks etwa wünscht sich von der Klimakonferenz in Bonn ein „starkes Signal der Einigkeit“ an Trump. Soll sich der Gipfel daran messen lassen? Wo das Zwei-Grad-Ziel angesichts der völlig unzureichenden CO₂-Reduktionszusagen aller Länder in weite Ferne gerückt ist?

Statt auf andere zu zeigen, sollten Politiker in aller Welt bei sich selbst anfangen. Beispiel Europa: Im September hat sogar der Europäische Rechnungshof gewarnt, dass die EU ihre eigenen Klimaziele verfehle. Kurz darauf erschien ein NGO-Bericht, dem zufolge die europäischen Steuerzahler jedes Jahr den Verbrauch von Kohle, Öl und Gas mit mindestens 112 Milliarden Euro subventionieren. Beispiel Deutschland: Bis zum Jahr 2020 sollen die Emissionen um 40 Prozent unter den Wert von 1990 abgesenkt werden, doch derzeit sieht es nach nur 32 Prozent aus, wie aus einem Papier des Umweltministeriums hervorgeht.

Ob die künftige Bundesregierung das Ruder noch rumreißen wird? Sollte die Bundesrepublik jetzt den Klima-Turbo einschalten, würde sie den Fidschi-Inseln wirklich helfen – und nicht nur bei der Ausrichtung eines Großevents.

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