Der Tesla-Fahrer war tot, und die Hoffnungen auf einen viel sichereren Straßenverkehr durch selbstfahrende Autos erschienen fraglicher denn je: Schon im Mai waren in Florida ein Tesla-Sportwagen im Autopilotmodus und ein Lastwagenanhänger zusammengeprallt. Erst im Juli aber wurde dies publik. Der 40-jährige Joshua Brown war in seinem Tesla Model S zum ersten Verkehrstoten in einem selbstfahrenden Auto geworden. Der Grund: Die Elektronik hatte den abbiegenden Lkw wegen dessen weißer Farbe nicht vom hellen Himmel unterscheiden können und ihn mit voller Geschwindigkeit in den Lastwagenanhänger gesteuert.
Ganz anders stellt sich Mercedes-Benz das automatisierte Fahren in einem Werbevideo vor: Über beide Ohren strahlt das Kind, der Mann macht auf der Rückbank ein Nickerchen, das Auto fährt automatisch über die leeren Straßen. Was im Clip so einfach aussieht, wird in Wirklichkeit noch jahrelang ein Traum bleiben. Die Entwicklung des komplett selbstlenkenden Autos steht noch am Anfang. Aber nun soll mit einem Bundesgesetz der Weg frei gemacht werden für das teilautomatisierte Fahren. Der Computer übernimmt zeitweise das Steuer und ruft in brenzligen Situationen um Hilfe des Menschen.
Für die deutsche Autoindustrie ist das automatisierte Fahren – neben der Elektromobilität – das große Thema der Zukunft. Autofahren wird attraktiver, wenn sich die Fahrerin nicht stundenlang auf die Straße konzentrieren muss. Auch die Bundesregierung erwartet enorme Vorteile, wenn die Fahrzeuge selbst steuern und miteinander kommunizieren: weniger Staus, weniger Abgase, weniger Unfälle. In einem Strategiepapier ist von einer „historischen Mobilitätsrevolution“ die Rede.
Doch der Fall Tesla lässt die Probleme des autonomen Fahrens erahnen: Wer ist schuld, wenn das Auto einen Unfall verursacht? Tesla betonte, die Software-Testversion im Wagen Joshua Browns habe den Fahrer darauf hingewiesen, dass beide Hände jederzeit am Lenkrad bleiben müssen.
Die Industrie freut sich
Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bastelt derzeit an einem Gesetz, das noch in diesem Jahr beschlossen werden soll. Das freut den Verband der Automobilindustrie. Präsident Matthias Wissmann schwärmt: „Wenn die Bundesregierung rasch handelt, kann Deutschland auch gesetzgeberisch Vorreiter und das erste Land sein, das den rechtlichen Rahmen für den Betrieb automatisierter Fahrzeuge auf der Straße schafft.“
Derzeit sieht es so aus, als würde Schnelligkeit vor Gründlichkeit gehen. In einem Entwurf von Ende Juni bleiben entscheidende Stellen unklar. Dort heißt es, dass sich die Autofahrerin „während der automatisierten Phase von dem Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abwenden darf, solange ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit gewährleistet ist“. Die Fahrerin muss die Steuerung übernehmen, sobald sie vom System aufgefordert wird oder eine technische Störung erkennbar ist. Aber was heißt das konkret? Wie viel Zeit hat die Fahrerin? Wer haftet, wenn sie in einer brenzligen Situation eilig das Lenkrad herumreißt und es dadurch aber noch schlimmer wird? Die Fahrerin – oder der Hersteller des automatisierten Systems?
Marion Jungbluth vom Bundesverband der Verbraucherzentralen bewertet es zwar positiv, dass Dobrindt die Initiative ergriffen hat, einige Stellen im Gesetzentwurf seien aber „noch sehr unspezifisch“. Im Entwurf selbst heißt es: „Dieses Gesetz dient der Herstellung von Rechtssicherheit.“ Zwei Seiten später aber ist zu lesen: „Die Konkretisierung der Anforderungen“ an Autofahrer „hat hier im Einzelnen durch die Rechtsprechung zu erfolgen“. Gerichte werden also über Fälle entscheiden müssen, die Dobrindt nicht eindeutig regelt.
Datensammelwut der Konzerne
Um die Schuldfrage klären zu können, sind auch Informationen notwendig, die künftig in einer Blackbox im Auto drei Jahre lang gespeichert werden sollen: Zu welcher Zeit befand sich das Auto wo? Wann wurde es vom Menschen, wann vom System gelenkt? Wann gab es technische Störungen, wann wurde der Mensch zur Steuerung aufgefordert? All dies soll aufgezeichnet und bei einem Unfall von der Polizei ausgelesen werden können. Falls es erforderlich ist, sollten auch andere Beteiligte Zugriff erhalten, zum Beispiel in Bezug auf Schadensersatzansprüche.
Verbraucherschützerin Jungbluth hält diese Regel aus Datenschutz-Sicht für unproblematisch, fürchtet aber, dass die Automobilhersteller weitere Informationen aufzeichnen könnten. Schon jetzt greifen Unternehmen massig Daten ab, teilweise in Echtzeit, wie in der Mitgliederzeitung des Autoclubs ADAC nachzulesen ist. „Die Mercedes B-Klasse etwa überträgt alle zwei Minuten ihre Position inklusive Kilometerstand, Verbrauch, Tankfüllung, Reifendruck, die Füllstände von Kühlmittel, Wischwasser und Bremsflüssigkeit.“ Ob Mercedes damit viel anfangen kann, ist fraglich. Sicher hingegen ist, dass Autofahrer so komplett überwacht werden können. Erst vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass BMW in einem Gerichtsprozess jede Menge Daten geliefert hat, anhand derer sich unter anderem die Wegstrecke und die gefahrenen Geschwindigkeiten des Wagens genau rekonstruieren ließen. Wer sich über die Blackbox für das teilautomatisierte Fahren aufregt, müsste also eigentlich erst mal gegen die gängige Datensammelwut der Hersteller protestieren.
Außerdem: Wird das Autofahren durch automatisierte Systeme überhaupt sicherer? Ein einzelner Todesfall sagt nichts über das allgemeine Risiko aus. Doch was das automatisierte Fahren für die Sicherheit bringt, wird sich erst verlässlich zeigen, wenn mehr computergesteuerte Autos unterwegs sind. Am Anfang könnte es Schwierigkeiten geben, weil viele Autofahrer das Fahrverhalten anderer Computer-Autos nicht gewohnt sind und sich erst darauf einstellen müssen. Langfristig rechnet das Verkehrsministerium jedenfalls mit weniger Unfällen.
Was ist mit Hackerangriffen? Am sichersten wäre es wohl, wenn das automatisierte System von der Umwelt abgetrennt ist und somit auch nicht von außen gesteuert werden kann. Allerdings ist das Ziel gerade das vernetzte Auto: Die Wagen sollen miteinander kommunizieren, um beispielsweise Staus zu vermeiden.
Ethische Fragen
Bis dahin wird es allerdings noch dauern. Dobrindts Gesetz alleine reicht nicht, um selbstlenkende Autos auf die Straße zu bringen. Auch die Regelungen zur Zulassung dieser Fahrzeuge müssen bestimmt werden. Auf internationaler Ebene wird zudem über technische Details für die verpflichtende Blackbox diskutiert.
Der Opposition im Bundestag geht das ohnehin zu schnell. „Wir dürfen nicht im vorauseilenden Gehorsam der Automobilindustrie ein Gesetz schaffen, sondern sollten zuerst die gesellschaftliche Debatte führen“, sagt die Grüne Valerie Wilms. Und Herbert Behrens von den Linken meint: „Es ist unverantwortlich, eine Technologie zu legalisieren, bei der die gesellschaftliche Debatte über deren Sinn und Unsinn noch in den Kinderschuhen steckt.“
Nach dem Willen von Dobrindt soll immerhin eine Ethikkommission überlegen, was passiert, wenn irgendwann das Fahren komplett automatisiert ist und der Computer zwischen verschiedenen schlechten Situationen entscheiden muss. Soll das Auto einen Radfahrer anfahren oder auf die Gegenfahrbahn ausweichen und einen möglichen größeren Unfall riskieren?
Dobrindt hat bereits zwei Grundsätze aufgestellt: Sachschaden ist einem Personenschaden vorzuziehen und es soll keine Klassifizierung von Menschen geben, etwa nach Alter oder Größe. Zu klären gibt es immer noch genug. Es ist durchaus von Vorteil, dass die Gesellschaft gezwungen ist, sich mit derartigen Fragen auseinanderzusetzen.
Kommentare 9
Da folgen die Marketingabteilungen der Autohersteller dem Medienhype zum Automomen Fahren auf Hochtouren - wohl auch, um von den nicht beherrschten Klima-und Umwelt-Problemen der schmutzigen, veralteten Otto-bzw. Diesel-Motor-Technologien abzulenken (Nicht umsonst werden die entsprechenden Vorschriften auf EU-Ebene nicht verschärft! Nicht umsonst genießt Tesla eine derartige Aufmerksamkeit!). Da wird dann aber auch schon über die ersten schweren Unfälle beim Autonomen Fahren berichtet. Dumm gelaufen! Man erkennt aber mittlerweile, dass das Autonome Fahren nicht nur eine technische Herausforderung darstellt - insbesondere in Bezug auf die technische Sicherheit -, sondern mehr noch ungelöste ethische, rechtliche und Informationssicherheitstechnische Probleme mit sich bringt. Vom Stand der vergleichbaren PC- und Smartphone-Sicherheit kann jeder Nutzer ein Lied singen. Doch die Politik gebärdet sich weiterhin autohörig!
"TaTü TaTa TaTü TaTa.
Wer ist der Herr und wer der Sklave?
Ist es Fortschritt oder Plage?
Ist es Abenteuer oder Pflicht?
Digitaler Lifestyle, Transparenz ist geil,
Mobilität am WiFi-Seil!
Freude am Fahren? Wenn Sensoren versagen?
TaTü TaTa TaTü TaTa.
Mobil am analogen Abschlepp-Haken."
Freud und Leid des fahrerlosen Fahrens auf den Punkt gebracht:
http://youtu.be/fU0QDDxDcy8http://youtu.be/WzvpF6JR1cE
Viel Spaß beim Anhören! Und lasst Euch die Realität nicht vermiesen!
>>Ist ein selbständig fahrendes Automobil so wichtig für uns!?<<
Solange ich radfahren und Öffentliche benützen kann brauche den teuren Schwachsinn nicht.
Allerdings habe ich keine Aktien von Automobilkonzernen, sonst tät ich das sicher anders sehen...
>>Dobrindt ist pro VW und seine Kollegen aus der CSU sind contra VW, da sonst die Rente nicht sicher ist...<<
So macht eben Jeder seinen Job. Die Autolobbyisten sitzen in Berlin, während es in München um die Landesbeamtenpensionen geht. Und ja auch die Ministerpensionen.
Für meine Rente interessiert sich der Söder nicht im Geringsten...
Wenn ich ans Radfahren denke, kann ich gar nicht erwarten, dass die manuelle Steuerung von Autos im Straßenverkehr verboten wird. Autonome Fahrzeuge dürften sich schlichtweg an die StVO halten, was Geschwindigkeit, Abstand beim Überholen, Verhalten beim Abbiegen usw. betrifft, und dabei stets zu 100 % aufmerksam. Was ich von den Google-Fahrzeugen gehört habe, stimmt mich sehr zuversichtlich.
>>Wenn ich ans Radfahren denke, kann ich gar nicht erwarten, dass die manuelle Steuerung von Autos im Straßenverkehr verboten wird.<<
Nach einigen Unfällen wie bei der Teslakutsche wird vorgeschrieben werden, dass Radfahrer und Fussgänger sich stets grellgelb zu kleiden und mit Rückstrahlern auszurüsten haben haben, damit sie vom Spielzeug auch sicher erkannt werden.
Die Fähigkeiten des Tesla-Fahrassistenten von 2016 sagen sicher nichts über die Qualitäten echten autonomen Fahrens in vielleicht 10 Jahren aus. Ich habe auch bewusst das Beispiel Google genutzt. Der Tesla zeigt eher, wie schnell die Entwicklung gehen kann, sobald Technologien einen gewissen Reifegrad überschritten haben.
Interessant finde ich dagegen, welche technischen Prinzipien die Systeme von Google und Tesla nutzen. Die geben viel mehr Aufschluss über das Potential. So lässt sie vielleicht wirklich beurteilen, ob grellgelbe Warnwesten, Reflektoren und Transponder drohen, sollten sich gewisse Interessengruppen gesetzgeberisch durchsetzen.
Und nach dem, was ich über die Funktionsweise des Tesla-Fahrassistenten gelesen habe, spielen Warnwesten keine Rolle.
Wieso schreibt man in das Gesetz nicht einfach: "Fahrzeughalter haften für Schäden bei selbstfahrenden Autos."
Den Rest besorgen Versicherungen die sich der Fahrzeughalter besorgen wird. Wenn die Technik noch nicht reif genug ist werden die Versicherungsbeiträge so hoch sein, dass sich gefährliche Fahrzeuge nicht massenhaft durchsetzen werden. Problem gelößt.
Dieser Dobrindt denkt darüber jetzt schon Monate nach was soll das? Zum Schluss komnmt irgend kopmliziertes Gesetz heraus was überregulativ den Fortschritt behindert und sich kein Mensch durchliest, Demokratie = 0.
Diese Frage habe ich mir auch gestellt. Interessanterweise gibt es auch bei der Opposition die einhellige Meinung, dass die Autofirmen haften sollten. Die Argumentation, die ich während meiner Recherche gehört habe, lautet wie folgt: Der Autofahrer kann nichts dafür, wenn das automatisierte System versagt. Wenn heutzutage eine Schraube locker ist (was dem Fehler im automatisierten System entspricht), kann er das von außen sehen oder die Werkstatt entdeckt das.
Wenn Fahrzeugfahrer immer haften, müssten deren Versicherungen immer nach dem Autotyp fragen und dann (auch im Voraus, also bevor es Zahlen zum Unfallaufkommen dieses Autotyps gibt) einschätzen können, wie gefährlich dieses Fahrzeug ist.
Außerdem hat man immer noch das Problem, dass dann Versicherungen vielleicht auch nicht zahlen wollen, wenn sich ein Fahrer zum Beispiel zum Schlafen auf die Rückbank gelegt hat (wozu er bei teilautomatisierten Systemen nicht berechtigt ist). Das heißt, da wird es wahrscheinlich auch jede Menge Rechtsstreitigkeiten zwischen Versicherungen und Versicherten geben.
Das sind so meine Gedanken dazu...
tja, mal was neues, schlagzeilenträchtiges. es wird schon schiefgehen...
wenn ich bei sowas irrem wie der autopolitik von traum lese oder hoffnung oder ähnlichem spuks, muss ich an die erfolge der autopolitik erinnern, wie das auch schon hier geschehen ist. die schrottberge, die leichenreihen, die krüppelalleeen, die nicht zu vergessenden giftwolken und lärmpegel. das ist noch zu toppen natürlich.
aber wer fragt nach den vorzügen der autonomen fahrzeuge für ganz andere lagen? wir sollten nicht ganz vergessen, dass wir in kriegsgesellschaften leben. autonom fahrende panzer und lkw zum beispiel. das hat doch was. im krieg wie in der autopolitik kommt es auf einzelne unfälle nicht an. da zählt das ergebnis. wo ist der schaden größer?
autominister können davon ausgehen, dass der individualverkehr unsicher ist. also warum nicht die ergänzung durch ein alternatives system, das auch unsicher ist, aber womöglich nicht unsicherer?