Der gewisse Unterschied

Extremismus Ministerin Manuela Schwesig will Initiativen gegen Nazis künftig stärker unterstützen. Aber auch Projekte gegen linke Militanz können weiter gefördert werden. Gut so?
Ausgabe 27/2014
Manuela Schwesig
Manuela Schwesig

Foto: Adam Berry/ AFP/ Getty Images

In der Union dürften nicht alle erfreut sein. Schon als in den Medien durchsickerte, dass die neue SPD-Familienministerin Manuela Schwesig das Förderprogramm gegen Linksextremismus abschaffen wollte, empörte sich der zuständige CDU-Abgeordnete Martin Patzelt. „Linksextremistische Einstellungen und Verhaltensweisen stellen ebenso eine latente und reale Bedrohung unseres demokratischen Zusammenlebens dar wie rechtsextreme.“ Schwesig hat nicht auf ihn gehört. Anfang der Woche stellte sie ihr neues Programm vor. Der Titel: „Demokratie leben – Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“. Zwar können prinzipiell immer noch Projekte gegen „linke Militanz“ gefördert werden. In der Praxis dürfte das aber kaum eine Rolle spielen. Das sind gute Nachrichten. Schwesig kann die CDU zufrieden stellen und trotzdem endet endlich das exzessive Linken-Bashing.

Für Schwesig wäre nur schwer zu begründen gewesen, weshalb gegen Rechtsextremismus vorgegangen werden soll, aber gar nicht mehr gegen linke Gewalt. Und es stimmt: Es gibt auch in der linken Szene vereinzelt problematische und abzulehnende Strömungen: hierarchische Kaderorganisationen etwa; die Antideutschen mit ihrem Hass auf die deutsche Kultur; oder auch manche Antifa-Gruppen, die fast nichts anderes tun, als Nazis und Polizisten anzugreifen.

Man sollte diese Personen nicht mit Rechtsextremisten gleichsetzen, schließlich vertreten sie ganz andere Inhalte. Man sollte die antidemokratischen Tendenzen jedoch auch nicht ignorieren. Es darf keine Immunität geben für Personen, die sich selbst als „links“ bezeichnen. Vielmehr lohnt sich eine Diskussion, wie „links“ sie wirklich sind. Ob jedoch staatliche Stellen, die Förderprogramme bewilligen, das vernünftig entscheiden können, darf mit gutem Grund bezweifelt werden. Für Verfassungsschutz und andere Behörden sind doch oft alle Personen, die nicht dem Mainstream entsprechen, schon verdächtig. So könnte es leider durchaus passieren, dass auch künftig Projekte gegen demokratische linke Projekte gefördert werden. Daher ist es gut, dass Projekte gegen „linke Militanz“ im neuen Förderprogramm nur am Rande vorkommen.

Der Extremismusbegriff muss weg!

Der Extremismusbegriff muss jedenfalls weg. Er unterstellt, dass sich ganz Linke und ganz Rechte in vielen Dingen ähneln und dass die Unterschiede vernachlässigbar seien. Er unterstellt, dass die politische Mitte immer recht hat und abweichende Meinungen eine Gefahr für die Demokratie darstellen. Deswegen ist es richtig, dass stattdessen gegen „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ vorgegangen wird, dieser Begriff findet sich im neuen Förderprogramm. Gemeint sind Rassismus, Sexismus, Homophobie und andere Formen der Diskriminierung. Das soll bekämpft werden. Ob sich jemand als links oder rechts bezeichnet, ob sich jemand als moderat oder radikal bezeichnet, ist dann eigentlich egal. Dies ist die sinnvolle Konsequenz, wenn man den Extremismusbegriff ablehnt.

Das Deutsche Jugendinstitut in München hatte das Anti-Linksextremismus-Programm von Schwesigs CDU-Vorgängerin Kristina Schröder ausgewertet und stellt ein schlechtes Zeugnis aus. Es hätten „adäquate pädagogische Konzepte“ gefehlt. Für Schwesig kam die Untersuchung sehr gelegen, um den Kurswechsel zu begründen. Sie darf sich jedoch nicht hinter der Studie verstecken. Das bisherige Programm zu bewerten, ist keine rein wissenschaftliche, sondern eine politische Aufgabe. Trotzdem ist die Auswertung durchaus aufschlussreich. Ein Verein hat zum Beispiel ein Anti-Gewalt-Training für linksextreme straffällige Jugendliche angeboten und nur einen Teilnehmer gefunden. Die Nachfrage hält sich offenbar in Grenzen.

Das lässt erahnen, dass es in Zukunft kaum Projekte gegen linke Militanz geben wird. Schließlich konkurrieren sie mit Anti-Rechts-Projekten, deren Notwendigkeit unumstritten ist, ums Geld. Man kann sogar davon ausgehen, dass gute Anti-Rechts-Projekte auch die linke Militanz eindämmen. Zum einen gibt es dann hoffentlich weniger Nazis, zum anderen können sich die Linken dann in diesen Projekten engagieren, statt die Rechten zu verprügeln. Die allermeisten Linken sind ohnehin friedlich und setzen sich für mehr Demokratie ein. Sie standen in Kristina Schröders Anti-Linksextremismus-Programm unter Generalverdacht. Dass dieses Programm nun abgeschafft wurde, ist ein großer Verdienst Schwesigs.

Hinweis: Im ursprünglichen Text wurde das neue Programm positiver dargestellt. Der Autor hat seine Meinung geändert.

Dieser Artikel erschien ursprünglich in Ausgabe 27/14 vom 3.07.2014 und wurde für die Online-Version deutlich geändert

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